Schulleiter – und (top) Spiele-Entwickler: Wie Stefan Feld zwei Professionen zusammenbringt

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GENGENBACH. Lehrer, Schulleiter – und einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands: Stefan Feld vereint zwei anspruchsvolle Tätigkeiten. In seiner Freizeit entwirft er komplexe, neue Welten für Brettspiel-Fans, während er hauptberuflich ein Gymnasium leitet. Im Interview spricht er über Parallelen zwischen Schulentwicklung und Spieleentwicklung – und erklärt, warum er sein Hobby trotzdem nie zum Beruf machen wollte.

Schulleiter und Spiele-Autor Stefan Feld. Foto: privat

News4teachers: Sie sind einer der bekanntesten Spieleautoren Deutschlands und haben schon über 30 Spiele entwickelt. Mich hat es überrascht zu lesen, dass Sie hauptberuflich eigentlich Schulleiter sind. War es schon immer Ihr Plan, Schulleiter zu werden?

Stefan Feld: Ganz ehrlich: Nein. Schulleiter zu werden war nie mein Plan. Aber dass ich Lehrer werden möchte, das hat sich tatsächlich recht früh abgezeichnet. Ich arbeite einfach gerne mit Jugendlichen zusammen und habe prinzipiell ein positives Menschenbild. Die Entscheidung, Schulleiter zu werden, war für mich dann eine sehr knappe Entscheidung. Ich würde sagen eine 49-zu-51-Prozent-Entscheidung. Ich bin da einfach reingewachsen und war auch einige Jahre stellvertretender Schulleiter. Als meine damalige Schulleiterin dann in Pension ging stand ich vor der Frage: Mach ich das nun selbst oder nicht? Dass ich mich dafür entschieden habe, lag vor allem daran, dass wir die Schule gerade stark weiterentwickelt hatten – und ich wollte nicht riskieren, dass jemand von außen das alles wieder zurückdreht. Also habe ich Ja gesagt.

News4teachers: Wie gesagt kenne ich Ihren Namen aus einem ganz anderen Kontext. Wie kam es dazu, dass Sie sozusagen nebenbei noch Spiele entwickeln?

Feld: Damit habe ich schon lange vor meiner Zeit als Schulleiter angefangen. Und in meinem Bewerbungsgespräch habe ich es auch deutlich kommuniziert, dass ich auch neben dem Job als Schulleiter damit weitermachen möchte. In der Anfangsphase war es natürlich schwieriger, aber inzwischen schaffe ich es ganz gut.

Ich bin mit Brettspielen groß geworden und habe schon früh viel gespielt, durch meine Eltern und meine Geschwister. Irgendwann kam dann der Moment, in dem ich dachte: „Das Spiel könnte man doch verbessern.“ Ich habe dann auch angefangen, Veränderungen an Spielen vorzunehmen und schließlich auch eigene zu entwickeln. Irgendwann gab es einen Wettbewerb, an dem ich – recht erfolgreich – teilgenommen habe. Dadurch bin ich dann in die Brettspielszene reingerutscht. Also das war der Auslöser zu sagen: Ich erfinde jetzt selbst Brettspiele, die mir gefallen. Bis zur ersten Veröffentlichung hat es dann aber auch noch mal sieben Jahre gedauert, das war 2005 das Spiel „Revolte in Rom“. Aber seitdem entwickle ich regelmäßig Spiele, meistens nutze ich die Ferien oder Wochenenden dazu. Unter der Woche bleibt dafür kaum Zeit – wobei viel auch im Kopf passiert. Beim Zähneputzen oder Staubsaugen kommen oft die besten Ideen.

News4teachers: Viele Leute spielen gern Brettspiele, aber nur wenige entwickeln sie. Was fasziniert Sie daran so sehr, dass Sie es immer wieder machen?

Feld: Ich glaube, ich bin einfach ein sehr konstruktiver Mensch und arbeite außerdem gerne kreativ – das passt gut zu meinem Fach Physik, aber auch zur Spieleentwicklung. Das erfüllt einen schon sehr und zwar auf verschiedenen Ebenen. Zum einen ist es schön, wenn man sieht, dass ein Spielmechanismus funktioniert, also wenn das Spiel auf dem Tisch liegt und die ausgedachten Mechanismen greifen ineinander. Zum anderen gibt es kaum etwas Besseres, als Menschen zu erleben, die das eigene Spiel spielen und richtig Emotionen reinbringen und mit viel Freude dabei sind. Das motiviert unglaublich. Und weil ich es als Hobby betreibe, kann ich Spiele entwickeln, die mir selbst Spaß machen. Das sind oft eher anspruchsvollere mit langen Spielanleitungen. Wenn ich davon leben müsste, käme ein ganz anderer Druck dazu. So aber kann ich kreativ bleiben und es als Ausgleich nutzen, um den Kopf freizukriegen von schulischen Themen.

News4teachers: Gab es wirklich nie den Gedanken, es hauptberuflich zu machen?

Feld: Nein, es ist definitiv ein Hobby und das soll es auch bleiben. Möglich wäre es vielleicht gewesen. Man kann schon sagen, dass ich in der Szene recht erfolgreich bin – auch wenn die Szene natürlich recht klein ist. Aber ich liebe meinen Job als Schulleiter zu sehr. Und wie gesagt: Sobald man von der Spieleentwicklung leben müsste, wäre der kreative Freiraum weg. Dann müsste man abliefern – das wollte ich nie.

News4teachers: Was reizt Sie inhaltlich an Spielen – eher das Setting oder die Mechanik?

Feld: Bei mir steht ganz klar die Mechanik im Vordergrund. Ich entwickele vor allem sogenannte Expertenspiele, bei denen es viel um Taktik, Strategie und Optimieren geht und die auf besonderen Spielmechaniken beruhen. Generell unterscheidet man bei sogenannten Kenner- und Expertenspielen zwischen zwei Typen von Spielautoren: den Uhrmachern und den Geschichtenerzählern. Ich bin definitiv der „Uhrmacher-Typ“. Ich entwickele ein Spiel nicht aus dem Thema heraus, sondern bei mir kommt erst der Spielmechanismus. Das Thema muss dann logisch dazu passen, aber mein Ziel ist es in der Regel, einen neuen Mechanismus zu schaffen, den es so noch nicht gab. Da darf es dann ruhig auch mal ein paar mehr Regeln geben. Mein letztes Spiel hatte ungefähr 45 Seiten Regelerklärungen. Über diese Mechanismen denke ich manchmal stundenlang am Schreibtisch nach – oder es kommt mir eben ganz spontan eine Idee beim Staubsaugen, die ich dann ausarbeite.

News4teachers: Spielen Sie Ihre eigenen Spiele eigentlich noch selbst?

Feld: In der Testphase spiele ich den Prototypen sehr häufig – 100 Mal, 150 Mal. Dann habe ich auch irgendwann mal die Nase voll davon. (lacht) Wenn ein Spiel von mir dann veröffentlicht wurde, spiele ich es meistens nicht mehr. Es gibt aber Ausnahmen, zum Beispiel Spiele, in denen auch ich selbst beim Spielen noch ganz viel entdecken kann und als Spieler die Möglichkeit habe, immer wieder etwas zu verändern. Ansonsten würde ich gern mehr fremde Spiele spielen – aber wie das so ist: die Zeit fehlt.

“Beim Zähneputzen oder Staubsaugen kommen oft die besten Ideen”

News4teachers: Wer testet Ihre Spiele mit Ihnen?

Feld: Anfangs, wenn der Prototyp dann gebastelt auf dem Tisch steht, spiele ich zuerst allein. Zweihändig sagt man dazu, weil ich sozusagen zwei Personen spiele. Später ist meine Frau eine sensationelle Unterstützung, Tippgeberin und Kritikerin. Wir testen die Spiele dann immer zu zweit. Erst wenn das Spiel eine gewisse Reife hat, geht es zu den Offenburger Spielefreunden. Das ist ein Club in Offenburg, ganz in der Nähe von unserem Wohnort, in dem ich schon seit den 90er Jahren Mitglied bin. Dort gibt es viele, die dann auch Testspiele mit mir machen. Und erst in der letzten Phase teste ich meine Spiele mit Redakteuren der Verlage, dann oft ganze Wochenenden lang.

News4teachers: Bekommen Sie auch manchmal Rückmeldungen von Schülern oder Kollegen zu Ihren Spielen?

Feld: Ja, aber eher dezent, sage ich mal. Ich habe lange bewusst darauf geachtet, Schule und Spiel zu trennen – auch, um nicht den Eindruck zu erwecken, ich würde versuchen, neue Spielerinnen und Spieler zu gewinnen. Aber manchmal kommt ein Schüler oder Kollege auf mich zu und sagt: „Ich hab Ihr Spiel gespielt!“ Es gab sogar auch schon den Fall, dass ich ein Spiel signieren musste, das kommt aber wirklich sehr selten vor. Und ich glaube, selbst wenn Kolleginnen und Kollegen oder Schüler Spiele von mir spielen, ziehen nicht alle gleich die Verbindung zu mir, selbst wenn der Autor auf dem Spiel draufsteht.

News4teachers: Sehen Sie denn auch Parallelen zwischen Ihrer Arbeit als Schulleiter und dem Spieleentwickeln?

Feld: Es gibt schon Überschneidungen – etwa beim Thema Organisation. Jetzt habe ich beim Thema Schulentwicklung natürlich keine Mechanismen, die ich da anwenden kann oder erfinde, aber man schafft sich natürlich schon eine gewisse Struktur, mit der man gut arbeiten kann. Das ist das eine. Das andere ist, dass man Menschen erreichen und mitnehmen will, mit einem Spiel, aber auch mit der Version, die man von einer Schule entwirft. Es geht nur mit dem Kollegium, es geht nur mit den Eltern, es geht nur mit den Schülerinnen und Schülern. Die Schulgemeinschaft muss eingebunden werden, auch da gibt es Parallelen. Das Thema Gamification im Unterricht ist außerdem sehr spannend.

News4teachers: Nutzen Sie Elemente von Gamification im Unterricht?

Brettspiel “Die Burgen von Burgund” von Schulleiter Stefan Feld. Foto: Mshuang2 / Wikimedia Commons CC0 1.0 Universal

Feld: Als ich noch mehr unterrichtet habe, ja. Wichtig ist, zu erkennen, was wirklich motivierend für Schülerinnen und Schüler ist. Bei Gamification ist es immer ein Mittelweg zwischen Belohnung und Sanktionen. Das hört sich jetzt erstmal schlimm an, aber es geht um spielerische Sanktionen, dass also tatsächlich Punkte abgezogen werden in einem Spiel oder ähnliches. Es muss die Möglichkeit geben, etwas schlecht zu machen und das auch zu merken als Spieler. Nur so kann ich echte Entscheidungen treffen und Selbstwirksamkeit spüren – und das motiviert. Es reicht nicht, immer mehr Belohnungen zu haben, denn dann stellt sich das befriedigende Gefühl von „Ich habe wirklich etwas geschafft“ nicht ein. Außerdem ist Interaktion für Spiele essentiell. So kann man es auch schaffen, dass Schülerinnen und Schüler im Unterricht wirklich positiv miteinander interagieren.

News4teachers: Was würden Sie sagen: Welche Eigenschaften braucht man generell als Schulleiter?

Feld: Was man auf jeden Fall mitbringen sollte, ist eine Offenheit gegenüber Menschen. Flexibilität auch unbedingt. Reflexionsfähigkeit. Resilienz. Kreativität. Und eine klare Grundhaltung. Mein Ansatz ist außerdem – ob er nun zu einer guten Schule führt, weiß ich nicht – dass ich uns als Schulleitungen als Dienstleister sehen, nicht als reine Verwaltungsbeamte. Wir sind dazu da, die Potenziale unserer Schulgemeinschaft zu erkennen und zu unterstützen. Und man sollte auch eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen. Wenn ich als Schulleiter immer versuche, mich bis ins kleinste Detail abzusichern, dann werde ich scheitern, weil das unmöglich ist. Als Schulleiter sollte man auch mal sagen können: „Komm, jetzt suchen wir mal einen pragmatischen Ansatz.“

News4teachers: Also kommen wir doch wieder zum konstruktiven Denken, das auch beim Spieleentwickeln wichtig ist.

Feld: Ja, es ist immer wichtig, lösungsorientiert zu denken, Stärken zu suchen. Ich sage immer: Der Käse hat nicht nur Löcher. Laura Millmann, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.

Zur Person
Stefan Feld ist Schulleiter am Marta-Schanzenbach-Gymnasium in Gengenbach (Baden-Württemberg). Zuvor war er stellvertretender Schulleiter und Lehrer an der Schule. Seine Fächer sind Physik und Sport. Neben seinem Job als Schulleiter entwickelt Stefan Feld Gesellschaftsspiele. Zu seinen bekanntesten Spielen gehören „Die Burgen von Burgund“, „Notre Dame“ und die City Collection bei Queen Game mit Spielen wie „Brügge“, „Marrakesh“, „Vienna“ oder „Amsterdam. Er ist verheiratet und hat einen Sohn.

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PaPo
3 Monate zuvor

Eurogames sind zwar i.d.R. nicht mein Fall, aber (als begeisterter Brettspielspieler) war das hier für mich ein spannendes Interview!
Ich hoffe, ich bekomme noch in den Ferien ein paar meiner Ganwefound- resp. Kickstarterbestellungen geliefert zumindest “Onoda”, “Terrorscape”, “Dark Blood” und vielleicht gar die “Nemesis”- Trilogie… *hoff*).

Allerdings ist der Kommentar der Redaktion zum homo ludens ca. einen Monat zuvor schlecht gealtert: “Das ist leider […] unser Eindruck, zumindest was Männer betrifft – wir leben in einer zunehmend infatilisierten Gesellschaft.”

Realist
3 Monate zuvor

Die Kunst der Schulleitung liegt in der Delegation.

Ob die zweite Führungsebene an diesem Gymnasium auch Zeit hat, in der Freizeit Spiele zu entwickeln?

mama51
3 Monate zuvor
Antwortet  Realist

…die zweite Führungsebene… DIe hat Freizeit? Der Witz ist gut!

mama51
3 Monate zuvor

Ein Tausendsassa! Upps!
Ich bin überrascht, dass der Mann überhaupt Freizeit hat…
Die Schulleitungen, die ich kenne, sind froh, wenn sie vielleicht am WE mal ein bisschen ausschlafen könnten…