SCHWERIN. Rassistische Vorfälle an Schulen nehmen rasant zu – ebenso wie rechtsextreme Symbolik und Gewalt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern. Die AfD gießt dort weiter Öl ins Feuer: Sie leugnet, relativiert und versucht, Präventionsmaßnahmen zu blockieren. Dabei zeigt der drastische Anstieg der Zahl extremistischer Vorfälle, wie dringend Schulen Unterstützung im Kampf gegen Hass und Hetze brauchen. Ein neuer Landtagsbeschluss soll helfen – gegen den Widerstand der selbst vom Verfassungsschutz beobachteten Partei.
Die Zahl rechtsextremer und rassistischer Vorfälle an öffentlichen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern ist in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Dazu zählen unter anderem Fälle mit mutmaßlich extremistischem Hintergrund sowie aus dem «Bereich Kennzeichen/Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen», teilte ein Sprecher des Bildungsministeriums in Schwerin mit. Klassische Beispiele sind das Zeigen des Hitlergrußes sowie das Verwenden von Hakenkreuzen.
Im Schuljahr 2014/2015 war im Nordosten demnach noch kein einziger Fall in der Kategorie extremistischer Hintergrund erfasst worden – rund zehn Jahre später (Schuljahr 2023/2024) waren es dem Bildungsministerium zufolge 100 Fälle. Die Anzahl gemeldeter Vorfälle in der Kategorie «Kennzeichen und Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen» ist in dem Zeitraum von 16 auf 95 gestiegen. Im ersten Schulhalbjahr 2024/2025 (1. August 2024 bis 31. Januar 2025) waren es laut Statistik in dieser Kategorie bisher 38 Fälle sowie 43 mit extremistischem Hintergrund. Aktuellere Zahlen liegen derzeit nicht vor.
Gleichzeitig ist das Aggressionslevel unter den Schülerinnen und Schülern deutlich gestiegen: Den Angaben zufolge wurden im Schuljahr 2023/24 mehr als 1.500 Gewaltvorfälle an den Schulen im Land registriert. Die Spanne reichte dabei von Körperverletzung über Bedrohungen bis zu Verunglimpfungen.
Wie umgehen mit dieser Entwicklung? Mit den Stimmen von SPD und Linke wurde die rot-rote Landesregierung aufgefordert, bestehende Antigewaltkonzepte auf ihre Wirkung zu prüfen und an aktuelle Anforderungen anzupassen. CDU, Grüne und FDP bemängelten das Fehlen konkreter Maßnahmen und enthielten sich in der Abstimmung. Die AfD stimmte gegen den Antrag.
Dem Beschluss zufolge sollen Lehrkräfte besser über Präventions- und Interventionsmaßnahmen informiert werden. Die kritische Auseinandersetzung mit extremistischen Auffassungen soll intensiviert, mehr für die Demokratiebildung getan werden. Vorgeschlagen wird die Bildung eines digitalen Netzwerkes, in dem Lehrkräfte Unterstützung im Umgang mit extremistischen Verhaltensweisen erhalten.
Gefahr der Normalisierung von Hass und Hetze
Linksfraktionschefin Jeannine Rösler verwies auf bereits bestehende Maßnahmen und Programme zur Gewaltprävention und Demokratiebildung. Dennoch seien Gewalt, Rassismus und Diskriminierung für nicht wenige Schüler Teil ihres Schulalltags. Aus dem jüngsten Verfassungsschutzbericht gehe zudem hervor, dass sich Jugendliche immer früher vor allem über das Internet radikalisierten. Das wirke sich auch auf das Schulklima aus. «Die Gefahr ist die Normalisierung von Hass und Hetze. Das werden wir nicht hinnehmen», betonte Rösler. Der AfD warf sie vor, mit ihrer Ideologie der Ausgrenzung den Boden für Extremismus und Gewalt zu bereiten.
Extremismus und Gewalt in einen Topf zu werfen, sei falsch, sagte der Abgeordnete der vom Bundesverfassungsschutz selbst als rechtsextremistisch eingestuften AfD, Enrico Schult. Er warf den Regierungsparteien vor, Realitäten an den Schulen auszublenden. Der Respekt vor Lehrern sei gesunken und Fehlverhalten von Schülern bleibe oft ungeahndet. «Wir erleben die Folgen einer verfehlten Erziehungsideologie, die Kindern jeden Respekt vor Autoritäten abgewöhnt hat», sagte Schult.
Für alles sei vor allem die Migration verantwortlich: Wertekonflikte als deren Folge hätten massiv zugenommen. Fakt ist: Mecklenburg-Vorpommern verzeichnet mit gerade mal zehn Prozent Schülern, die in ihren Familien nicht Deutsch sprechen, mit den niedrigsten Migrationsanteil in Schulen aller Bundesländer. Schult beklagte zudem einen Mangel an Neutralität an den Schulen – womit er offenbar das Engagement für Demokratie und gegen Rassismus meint. Hintergrund: Schult wird im Gutachten des Bundesverfassungsschutzes zur AfD als Unterstützer der rechtsextremen und mittlerweile aufgelösten Jungen Alternative namentlich aufgeführt, wie Medien berichten.
«Demokratie beginnt im Klassenzimmer»
Dem trat die SPD-Abgeordnete Monique Wölk entgegen. Sie verwies auf den sogenannten Beutelsbacher Konsens, der Schüler vor politischer Einflussnahme schützen und ihre selbstständige Meinungsbildung fördern soll. Dieser Konsens enthalte kein Neutralitätsgebot im Sinne der Meinungslosigkeit. «Er beinhaltet stattdessen die Verpflichtung, für unsere Demokratie und unsere demokratische Verfassung einzustehen», sagte sie. Die AfD stelle dies bewusst falsch dar, um engagierte Lehrkräfte zu diskreditieren. Schulen sollten nicht nur Wissen vermitteln, sondern mutig für demokratische Werte eintreten. «Demokratie beginnt im Klassenzimmer», betonte Wölk.
Jutta Wegner von den Grünen mahnte eine bessere Medienbildung an den Schulen an. «Rechtsextreme Inhalte, Hassrede und Verschwörungserzählungen verbreiten sich rasant über Tiktok, Instagram & Co. Die Schule muss ein Ort sein, an dem junge Menschen lernen, solche Inhalte zu erkennen, einzuordnen und ihnen zu widersprechen. Medienbildung gehört daher ganz klar ins Zentrum jeder Präventionsstrategie.» Zudem forderte sie eine gesetzlich verankerte, dauerhaft und flächendeckend finanzierte Schulsozialarbeit.
Nach Ansicht des CDU-Abgeordneten Torsten Renz sind die Lehrer im Land nur unzureichend auf Not- und Gewaltfälle vorbereitet. Bestehende Notfallpläne seien oft nicht bekannt, ebenso Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen. Renz forderte die Landesregierung auf, sich vor allem den Regionalschulen zuzuwenden. Dort seien die Gewaltprobleme am größten.
Die meldepflichtigen Vorfälle an den Schulen werden laut Sprecher des Bildungsministeriums statistisch erfasst sowie «schulaufsichtlich zur Kenntnis genommen und – sofern es notwendig ist – schulpsychologisch begleitet». In Mecklenburg-Vorpommern macht sich das Projekt «Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage» gegen alle Formen von Diskriminierung, insbesondere Rassismus, stark. Schülerinnen und Schüler gehen aktiv dagegen vor und wollen so einen Beitrag zu einer gewaltfreien, demokratischen Gesellschaft leisten. Seit 2007 ist der Verein RAA Mecklenburg-Vorpommern für die Landeskoordination des Projekts im Land zuständig. News4teachers / mit Material der dpa
Rechtsextreme Provokationen von Schülern in Auschwitz – fast schon normal?

