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Jugendbanden machen Stadtteil unsicher: Oberbürgermeister fordert Deutschquote an Schulen – GEW: Am Problem vorbei

COTTBUS. Im Cottbuser Stadtteil Sachsendorf eskaliert seit Monaten die Gewalt unter Jugendlichen – Polizei und Stadtverwaltung sprechen von bis zu 60 Tatverdächtigen, viele Vorfälle haben ihren Ursprung im schulischen Alltag. Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) reagiert mit einem Maßnahmenpaket und fordert eine Migrationsquote an Schulen. Doch das Land Brandenburg und die GEW weisen diesen Vorstoß entschieden zurück – und warnen vor einer Scheindebatte.

“Es gibt hier einfach Probleme, die man nicht weiterlaufen lassen kann.” (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Im Cottbuser Stadtteil Sachsendorf sind die Spannungen seit Monaten spürbar. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen unter Jugendlichen, zu Bedrohungen, Raubüberfällen und Körperverletzungen. Medienberichte sprachen sogar von Hetzjagden auf Gleichaltrige. Polizei und Stadtverwaltung gehen davon aus, dass 50 bis 60 junge Menschen in unterschiedlicher Weise in die Vorfälle verwickelt waren. Auffällig ist, dass viele der Konflikte ihren Ausgang im schulischen Umfeld nahmen. Oberbürgermeister Tobias Schick (SPD) spricht von einem „Schmelztiegel Schule“, in dem kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren schnell zu Hänseleien und Aggressionen führten.

Um den Beginn des neuen Schuljahres abzusichern, hat die Stadt ein Maßnahmenpaket aufgelegt. Dazu gehören Sicherheitsdienste an Oberschulen, verstärkte Sozialarbeit, zusätzliche Freizeitangebote sowie bauliche Veränderungen wie neue Zäune. Zudem führten Polizei und Behörden sogenannte Gefährderansprachen durch, um Familien klarzumachen, dass Gewalt und Schulschwänzen Konsequenzen haben. „Die Vorfälle haben alle erschreckt, vor allem, nachdem das tatsächliche Ausmaß bekannt geworden ist. Jetzt kann sich niemand verstecken. Wir handeln, und das wirkt“, erklärte Schick.

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„Nicht zuletzt ist es die teuerste Lösung, wenn wir Kinder und Jugendliche aus Familien nehmen müssen, weil der Nachwuchs mehrfach straffällig geworden ist“

Doch über diese kurzfristigen Schritte hinaus sucht der Oberbürgermeister die politische Auseinandersetzung. Er sieht Defizite bei Bund und Land, die nach seiner Einschätzung zu lange auf Probleme wie Jugendgewalt, fehlende Sprachförderung oder Überlastung von Schulen nicht ausreichend reagiert hätten.

Dabei geht es auch um fehlende kommunale Mittel. „Wir erleben die Folgen, dass nach wie vor das Geld, was das Land zur Verfügung stellt, nicht mit den Menschen mitwandert, wenn diese nach Cottbus/Chóśebuz oder in andere große Städte umziehen. Das ist und bleibt ein großer Fehler in der Landespolitik und ich fordere hier dringend Nachbesserung und einen vernünftigen Ausgleich, um mit diesem Geld Integration zu fördern, Sprachkurse anbieten zu können und zusätzliche Sozialarbeit zu ermöglichen“, sagte der Oberbürgermeister.

Und weiter: „Nicht zuletzt ist es die teuerste Lösung, wenn wir Kinder und Jugendliche aus Familien nehmen müssen, weil der Nachwuchs mehrfach straffällig geworden ist und die Familien das ignorieren, sogar fördern oder überfordert sind. Der Staat darf sich nicht ohnmächtig geben oder machen.“

Schick fordert deshalb unter anderem eine Wohnsitzauflage für Zugewanderte, eine gesetzliche Neuregelung zum Umgang mit strafunmündigen Kindern, eine Ausweitung der Videoüberwachung, schnellere Abschiebungen bei Integrationsverweigerung – und eine schulische Quote, um die Zahl von Kindern ohne Deutschkenntnisse pro Klasse zu begrenzen. Besonders diese letzte Forderung sorgte für Widerspruch.

Das Brandenburger Bildungsministerium erteilte ihr umgehend eine Absage. Das Schulgesetz lasse es nicht zu, Kinder wegen ihrer Herkunft oder Sprache zu benachteiligen, hieß es gegenüber rbb|24. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW warnte davor, mit einer Quoten-Debatte falsche Signale zu setzen. Landesvorsitzender Günther Fuchs erklärte: „Mit der Quotendiskussion wird von den eigentlichen Problemen abgelenkt.“

Zwar sei es ein ernstes Problem, dass zu viele Schülerinnen und Schüler ohne ausreichende Deutschkenntnisse in den Klassen säßen. Doch die Lösung liege nicht in rigiden Grenzen, sondern in mehr Personal und mehr Zeit für Sprachförderung. „Ich kann die Forderung nachvollziehen, aber sie ist zu kurz gegriffen“, so Fuchs. Bildungsminister Steffen Freiberg sprach von einem „eklatanten Beispiel, wie Gewalt und Gewaltbereitschaft als gesellschaftliche Probleme in eine Schule hineingetragen werden“. Das Schulamt unterstütze die betroffene Schule nach Kräften.

„Ohne ausreichende Deutschkenntnisse kann man nicht aktiv am Unterricht und am Schulleben teilnehmen“

Schick selbst hält dagegen, dass man die Realität an den Schulen nicht einfach hinnehmen könne. In einem Interview mit der Märkischen Allgemeinen betonte er: „Ohne ausreichende Deutschkenntnisse kann man nicht aktiv am Unterricht und am Schulleben teilnehmen. Es gibt hier einfach Probleme, die man nicht weiterlaufen lassen kann, ohne die Regeln anzupassen.“ Wenn das Schulgesetz einer Quote entgegenstehe, müsse es geändert werden. „Die Diskussion ist nicht beendet. Ich lade gern alle Beteiligten nach Cottbus ein.“

Seine Haltung, die ihn in eine Linie mit Forderungen der AfD und Überlegungen von Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) stellt, will Schick dabei nicht als politisches Entgegenkommen verstanden wissen: „Ich mache meine Haltung nicht von Dritten abhängig. Da lasse ich mich auch in keine Ecke stellen. Viele Pädagogen in Cottbus stehen hinter meinen Positionen.“ Kritiker werfen ihm gleichwohl vor, mit der Quoten-Idee eher symbolische Politik zu betreiben, während konkrete Lösungen – wie mehr Lehrkräfte und Sozialarbeiter – längst auf der Hand lägen.

Schick verweist auf die konkrete Situation vor Ort: Es gebe nicht eine große Jugendgang, sondern mehrere kleinere Gruppen, die immer wieder durch Gewalt auffielen. Viele Täter seien strafunmündig, die Familien überfordert oder gar nicht gewillt, Verantwortung zu übernehmen. „Manche Kinder lungern nach der Schule in der Stadt rum und ziehen andere Kinder ab. Wir reden hier teils von Zehn-, Zwölfjährigen. Zu Hause müssen sie dafür keine Konsequenzen fürchten“, schilderte er. Mit Dolmetschern habe man Eltern aufgesucht und klargemacht, dass die Stadt nicht länger wegsehen werde. Nach Schicks Eindruck wussten viele Familien sehr wohl, was ihre Kinder taten – teilweise animierten ältere Geschwister die Jüngeren sogar zu Straftaten.

Auf Landesebene ist inzwischen Bewegung erkennbar. Innenminister René Wilke (parteilos) kündigte an, den rechtlichen Rahmen für Videoüberwachung in Kommunen zu erleichtern. Bildungsminister Freiberg will im September an einer Sicherheitskonferenz in Cottbus teilnehmen. Schick sieht dies als ersten Schritt, verweist aber darauf, dass es ohne klare Unterstützung aus Potsdam und Berlin nicht gelingen werde, die Probleme zu lösen. Dabei, so betont er, gehe es nicht nur um Sicherheit, sondern auch um das gesellschaftliche Klima: „Dass etwas passiert, wäre auch im Interesse vieler gut integrierter Migranten in Cottbus. Ihre Integrationsleistung wird immer häufiger infrage gestellt. Das darf nicht sein.“ News4teachers 

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