Schulen bei der Digitalisierung im Spagat: Potenziale nutzen, Gefahren bannen

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ERFURT. Bundesbildungsministerin Karin Prien (CDU) sieht im Umgang mit Künstlicher Intelligenz Chancen für Schulen – und zugleich Gefahren für Kinder im Netz. Beim Antrittsbesuch in Erfurt sprach sie sich für strengere Regeln und neue Aufgabenformate aus. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt kündigte unterdessen eine Initiative im Bundesrat zum besseren Schutz Minderjähriger vor sozialen Medien an.

Kriegen wir hin. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Strengere Regeln, aber auch mehr Know-how im digitalen Raum: Nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Karin Prien sollten Kinder im Netz besser geschützt werden und zugleich trotzdem Kompetenzen sammeln im Umgang neuen Technologien und Künstlicher Intelligenz. „Wir reden zum einen darüber, dass wir unsere Kinder schützen müssen – vor Pornografie, vor Extremismus, vor Gewalt im Netz“, sagte die CDU-Politikerin bei einem Antrittsbesuch in Erfurt. Zugleich brauche es aber auch eine junge Generation, die Kompetenzen bei neuen Technologien mitbringt und „Lust auf Künstliche Intelligenz“ habe. Das Thema sei komplizierter als eine reine Verbotsdebatte.

„Künstliche Intelligenz bietet die Chance zum Beispiel für ein deutlich verbessertes, individualisiertes Lernen“

Genau das unterstreicht auch die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina in einem aktuellen Diskussionspapier, in dem sie vor eindimensionalen Lösungen warnt (News4teachers berichtete). Es beschreibt Risiken intensiver Social-Media-Nutzung und plädiert für einen zweigleisigen Ansatz: Schutz und Befähigung, also eine Stärkung der Medienkompetenz. Die Autorinnen und Autoren formulieren als Leitprinzip: „Kinder und Jugendliche sollen einerseits vor den potenziellen Gefahren sozialer Medien geschützt werden, andererseits […] zu einem souveränen, reflektierten und kompetenten Umgang mit ihnen befähigt werden.“

Die Akademie verweist auf eine internationale WHO-Befragung 2021/22, nach der in Deutschland elf Prozent der Jugendlichen ein suchtartiges Nutzungsverhalten zeigen (2018: sieben Prozent); außerdem benennt das Papier Ergebnisse einer DAK-Längsschnittstudie, wonach mehr als ein Fünftel der 10- bis 17-Jährigen riskant mit sozialen Medien umgeht. „Eine intensive oder suchtartige Nutzung sozialer Medien [ist] mit einer Reihe psychischer Belastungen verbunden“, heißt es.

Ob allerdings Handy-Verbote in Schulen – wie sie derzeit in einigen Bundesländern erlassen werden – helfen, ist unklar. Die Leopoldina verweist zwar auf Studien, die positive Effekte solcher Regelungen nahelegen, betont aber zugleich, dass die Evidenz insgesamt uneinheitlich sei. Manche Untersuchungen hätten keine klaren Vorteile belegen können. Deshalb empfiehlt die Leopoldina einen „digitalen Bildungskanon“ für Kitas und Schulen und fordert, „drängende Themen wie die weite Verbreitung von Künstlicher Intelligenz und deren Konsequenzen“ im Unterricht zu behandeln.

Prien machte nun bei ihrem Besuch in Thüringen klar, dass sie großes Potenzial für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz an Schulen sieht. „Künstliche Intelligenz bietet die Chance zum Beispiel für ein deutlich verbessertes, individualisiertes Lernen, es bietet zum Beispiel auch große Chancen, um Kinder mit Förderbedarf besser unterstützen zu können“, sagte die Ministerin. Der Einsatz von KI als Lernmittel könne auch bei der Entlastung von Lehrkräften helfen.

„Ich glaube, es ist dringend erforderlich, dass wir Kinder im digitalen Raum genauso gut schützen wie im analogen Raum“

KI gilt im Bildungssystem aber auch als Herausforderung, weil sich Schülerinnen und Schüler etwa beim Erledigen ihrer Hausaufgaben von KI helfen lassen können. Prien betonte, dass es neue Aufgabenformate brauche – und verglich die Situation mit der Einführung des Taschenrechners. Es gebe Prüfungsformate, für die ein Taschenrechner verwendet werden dürfe und welche, die ohne das Hilfsmittel auskommen, sagte sie. „Und so wird es natürlich mit Künstlicher Intelligenz sein. Was aber richtig ist: Sie brauchen andere Aufgabenformate.“

Es sei Ländersache, diese Aufgaben zu entwickeln. „Ich kann nur empfehlen, das will ich aber auch unterstützen, das gemeinsam zu tun, wo es Sinn macht“, sagte Prien. Es handele sich um größere Projekte mit entsprechend hohem Investitionsbedarf, sagte sie. Der Bund könne unterstützen, machte sie klar.

Bei ihrem Besuch versprach Prien auch eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern beim Thema Jugendmedienschutz. „Ich glaube, es ist dringend erforderlich, dass wir Kinder im digitalen Raum genauso gut schützen wie im analogen Raum“, sagte sie. Es brauche eine „wirksame technische Altersverifikation und auch eine Verpflichtung der Plattformen, dies auch zu kontrollieren und einzuhalten“. Zudem bekräftigte sie, dass sie ein Verbot der privaten Handynutzung an Grundschulen für richtig hält.

Prien hatte zuletzt auf Bundesebene eine Expertenkommission für Medien- und Nachrichtenkompetenz angekündigt. In Erfurt sprach sie davon, dass es kommendes Jahr Empfehlungen der Kommission geben könnte. Ziel sei eine „gemeinsame Strategie von Bund und Ländern, die genau dieses umfassende Problem auch angeht“, sagte sie. Man könne bei dem Thema auch von den Nachbarländern lernen. Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) kündigte eine Initiative im Bundesrat an. „Social Media vor dem 16. Lebensjahr ist etwas, wo wir unsere Kinder nicht allein lassen dürfen. Es darf keinen rechtsfreien Raum geben“, sagte Voigt. News4teachers / mit Material der dpa

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2 Kommentare
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RainerZufall
1 Monat zuvor

“Es sei Ländersache, diese Aufgaben zu entwickeln. „Ich kann nur empfehlen, das will ich aber auch unterstützen, das gemeinsam zu tun, wo es Sinn macht“, sagte Prien.”

Joa… was empfiehlt Frau Prien, was sich von den Ansichten der Kultusminister*innen unterscheidet?

Hans Malz
1 Monat zuvor

„Ich glaube, es ist dringend erforderlich, dass wir Kinder im digitalen Raum genauso gut schützen wie im analogen Raum“
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