Schule muss alle alten Instagram-Posts überarbeiten: Welche Blüten das Genderverbot treibt

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WIESBADEN. Das Genderverbot in Hessen treibt Blüten. Eine Gemeinschaftsschule in Eschborn sieht sich gezwungen, zahlreiche ältere Beiträge auf Instagram zu löschen und neu hochzuladen – auf Anweisung des Kultusministeriums. Als hätte die Schule nichts Besseres zu tun… Auch die Schulverwaltung ist mit der Überwachung offenbar gut beschäftigt.

Eine Spur? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Sehr geehrte Damen, Herren und alle dazwischen und außerhalb,

vielleicht habt ihr es schon bemerkt: Auf unserem Account sind viele ältere Posts verschwunden. Grund dafür ist ein Erlass des Hessischen Ministeriums für Kultus, Bildung und Chancen, der Schulen verpflichtet, in offiziellen Texten auf Sonderzeichen beim Gendern – wie Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt – zu verzichten.

Mit diesen Worten wandte sich die Heinrich-von-Kleist-Schule in Eschborn jüngst auf Instagram an ihre Community. Der Post liest sich wie ein Lehrstück im Umgang mit staatlicher Gängelung: höflich im Ton, sarkastisch in der Botschaft. „Natürlich braucht es auch eine gewisse Gründlichkeit, um Instagram-Profile nach Sonderzeichen zu durchforsten – eine Frage der Prioritätensetzung, bei der man sich wünscht, die Zeit könne in sinnvolle Herausforderungen der Bildung in Hessen investiert werden“, heißt es darin.

Welche politischen Hintergründe hat das Verbot?

Hintergrund: Die schwarz-rote Landesregierung in Hessen hatte bereits im Frühjahr 2024 ein sogenanntes Genderverbot verhängt. Es untersagt in der gesamten Landesverwaltung – und damit auch in Schulen – die Verwendung von Sonderzeichen, mit denen geschlechtergerechte Sprache sichtbar gemacht wird. Gendersternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich sind seither tabu. Politisch ist das Verbot vor allem ein Projekt der Hessen-CDU. Die SPD willigte in den Koalitionsverhandlungen ein, es im Koalitionsvertrag festzuschreiben.

Für die Heinrich-von-Kleist-Schule, eine kooperative Gesamtschule mit rund 1400 Schülerinnen und Schülern, hatte das nun sichtbare Konsequenzen: Zahlreiche ältere Posts mussten offline genommen und in einer „angepassten Form“ neu hochgeladen werden. Inhaltlich, so betonte die Schulleitung, bleibe alles gleich – man stehe weiterhin für Vielfalt, Respekt und Offenheit. Die Änderungen erfolgten ausschließlich auf Anweisung des Ministeriums.

Wie reagiert das Kultusministerium?

Das Kultusministerium erklärte gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass es keine Social-Media-Profile von Schulen systematisch „scanne“. Allerdings: Wenn Fälle bekannt würden, „in denen Schulen die geltenden Regelungen zur geschlechtergerechten Schreibweise nicht umsetzen“, würden die staatlichen Schulämter aktiv. Dann werde das Thema „mit den Schulen besprochen“.

Schon früher war bekannt geworden, dass der bürokratische Aufwand zur Durchsetzung des Verbots offenbar erheblich ist. IT-Fachleute der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung mussten laut Frankfurter Rundschau eigens ein Programm entwickeln, das sämtliche Gendersonderzeichen aus dem Veranstaltungsarchiv der Lehrkräfteakademie entfernte. Um wirklich alle Einträge zu erfassen, wurden dem Bericht zufolge Beamtinnen und Beamte eingesetzt, die alte Workshop- und Fortbildungsunterlagen dann auch noch händisch durchforsteten.

Zuvor hatte die GEW berichtet, dass in Schulämtern Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter angewiesen worden seien, die Homepages von Schulen zu kontrollieren. Entdeckten sie verbotene Genderformen, mussten diese geändert werden – selbst in sehr alten Beiträgen.

Was sagen die Gewerkschaften?

Der hessische Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, Thilo Hartmann, sprach von einem „Gefühl der Gängelung“. Die Regierung zwinge Lehrkräfte, als Sprachpolizei aufzutreten. Wörtlich erklärte Hartmann: „Ein populistisches Verbot geschlechterinklusiver Sprache mag für viele eine akademische Fragestellung sein. Für trans-, inter- und nichtbinäre Lehrkräfte und Schüler*innen ist dieses Vorgehen jedoch weit mehr. Gerade junge Menschen mitten in ihrer Persönlichkeitsentwicklung leiden häufig unter Scham und Selbstzweifeln, wenn sie feststellen, dass das zugewiesene biologische Geschlecht nicht dem eigenen Erleben entspricht. Sie trifft ein solcher Angriff ganz besonders – gerade im Schutzraum Schule.“

Hartmann kritisierte außerdem den bürokratischen Aufwand: „Verstörend ist der Aufwand, um diese ideologiegeleitete Vorgabe bis in den letzten Winkel des Landes umzusetzen.“ Das passiere trotz Personalmangels und hoher Arbeitsbelastung. „Die entdeckten verbotenen Genderformen müssen dann geändert werden – auch in teils sehr alten Beiträgen.“

Unklar sei zudem, wie die staatlichen Vorgaben mit dem Bundesrecht in Einklang zu bringen seien. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2017 entschieden, dass es neben „männlich“ und „weiblich“ eine dritte Option im Geburtenregister geben muss. „Aktuell ist es technisch nicht möglich, bei der Zeugniserstellung eine geschlechtsneutrale Angabe vorzunehmen“, so Hartmann. Hier müsse das hessische Kultusministerium dringend handeln, „um die Vorgaben des Gleichstellungsgesetzes auf Bundesebene zu erfüllen“.

Auch die Bildungsgewerkschaft VBE hält das Genderverbot für überflüssig und kleinlich. Sie beklagt: „Das Verbot zwingt Lehrkräfte dazu, als Sprachpolizei aufzutreten, wenn Schülerinnen und Schüler sich – aus welchen Gründen auch immer – für das Gendern entscheiden.“ Gesellschaftliche Entwicklungen und sprachliche Veränderungen ließen sich nicht per Verordnung aufhalten, betont der VBE. Selbst der Rat für deutsche Rechtschreibung habe zuletzt festgestellt, dass sich die geschlechtergerechte Schreibweise „aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Schreibentwicklung noch im Fluss“ befinde. Für viele sei das Gendern Ausdruck von Gerechtigkeit – und könne helfen, Vielfalt sichtbar zu machen.

Welche Folgen hat das Verbot für Prüfungen?

Das Verbot schlägt auch in den Prüfungen durch. Schon im März 2024 hatte das Kultusministerium angekündigt, dass Genderzeichen in den Abschlussprüfungen als Fehler gewertet würden. Abiturientinnen, Real- und Hauptschülerinnen, die Sternchen oder Unterstriche nutzen, riskieren seitdem Punktabzug.

Die Heinrich-von-Kleist-Schule in Eschborn versucht derweil, einen eigenen Weg zu gehen: formale Anpassung an die Vorgaben – bei gleichzeitiger inhaltlicher Treue zu Vielfalt, Respekt und Offenheit. Ihr Insta-Post wird begleitet von dem Bekenntnis: „Sprache ist immer im Wandel. Manchmal sind es nicht wir, die diesen Wandel bestimmen, aber wir bleiben inhaltlich bei dem, was uns wichtig ist.“ News4teachers 

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