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Warum Schule jetzt auf Menschlichkeit setzen muss: Zukunftsforscher Horx im Podcast

ROSTOCK. Wie sieht die Welt aus, in die unsere Schülerinnen und Schüler in zehn Jahren entlassen werden? Was können Schulen tun, um Kinder und Jugendliche nicht nur auf einen digitalisierten Arbeitsmarkt, sondern auf ein gelingendes Leben in einer vernetzten und komplexen Gesellschaft vorzubereiten? In der aktuellen Folge des Podcasts „Hey diggies! So geht Lernen heute“ sprechen die Moderator:innen Viola Patricia Herrmann und Gert Mengel mit dem Zukunftsforscher Tristan Horx – über Hoffnung als Haltung und Bildung als Raum für Menschlichkeit sowie über eine Jugend, der man nicht nur das Smartphone, sondern vor allem Perspektive geben muss.

Herz ist Trumpf. Illustration: Shutterstock

Wie sieht die Zukunft aus? Diese Frage steht im Fokus der aktuellen Podcast-Folge von „Hey diggies!“. Und für Moderator Gert Mengel ist klar: „Die Zukunft ist sozial.“ Auch Interview-Gast Tristan Horx plädiert für einen positiven Blick nach vorne. Der Zukunftsforscher beschreibt sich selbst als Vertreter eines „aggressiven Optimismus“. Was das bedeutet? „Wütender Optimismus“, sagt Horx. „Momentan überlassen wir den Pessimisten die Welt. Pessimisten verwenden andere als Mülleimer.“ Seine These: Wer positiv in die Zukunft schaut, kann sie auch aktiv gestalten – und verhindert eine selbstzerstörerische Spirale aus Resignation und Verdrängung.

Für Horx ist die Zukunftsforschung alles andere als Wahrsagerei, denn sie basiere auf der Analyse von Trends, dem Denken in Szenarien und Ableiten von Wahrscheinlichkeiten. Mit Blick auf die kommenden zehn Jahre sagt er: „Wir befinden uns in einem zivilisatorischen Epochenwechsel – vom Industriezeitalter ins digitale Zeitalter. […] Und ich glaube, bis 2035 wird dieser Wandel vollzogen sein.“

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Zwischen analog und digital

Die Frage, wie Schule in diesem Wandel bestehen kann, beantwortet Horx differenziert – und mit klarer Kritik an einseitigen Digitalisierungsfantasien: „Wenn du jetzt alle nur auf das Maschinen-Sein trainierst, dann werden sie im Vergleich immer abloosen. Das Humane ist das Einzige, was wir besser können als die Maschinen.“ Schule, so seine These, müsse mehr sein als Vorbereitung auf den Arbeitsmarkt. Es gehe um den Erwerb von Soft Skills, den Umgang mit Hierarchien und mit Konflikten. Kurz: Um gesellschaftliche Teilhabe.

Auch Länder wie Schweden, die früh auf eine Voll-Digitalisierung gesetzt haben, seien inzwischen dabei, diesen Kurs zu korrigieren. Horx warnt: „Einfach nur mehr Digitalisierung draufzuschmeißen und zu glauben, das löst unsere Probleme – das ist ein Fehler.“

Keine Kindheit im Netz?

Ein weiterer Befund des Gesprächs: Die junge Generation, so Horx, sei „traumatisiert“. Nicht nur durch die Pandemie, sondern durch das, was er als „digitale Überforderung“ beschreibt. Der Zugang zu globalem Leid über soziale Medien, kombiniert mit permanenter Selbstinszenierung, überfordere Jugendliche massiv: „Wenn du einem Kind ein Smartphone gibst, hast du die Kindheit beendet.“

Er begrüßt daher neue Trends wie das „Dumbphone“ – also Mobiltelefone ohne Internetzugang. Und auch die Haltung vieler junger Erwachsener, die sich für die nächste Generation „weniger“ digitale Last wünschen. Medienkompetenz sei zwar wichtig, aber die eigentliche Verantwortung sieht er beim Gesetzgeber – durch Kinderschutz und klare Regeln. „Vielleicht sollten 14-Jährige nicht den Weltschmerz konsumieren“, so Horx deutlich.

Zudem warnt er vor den Folgen für die mentale Gesundheit. In den sozialen Medien habe jeder viele Freunde, aber dies seien keine echten menschlichen Beziehungen mit einer engen Bindung. Der engste Freundeskreis eines Menschen beruhe auf 10 bis 15 Personen und der erweiterte Freundeskreis beziehe sich auf maximal 25 Personen, so Horx. Viele Menschen, die viele Kontakte im Netz hätten, seien in der Realität einsam.

Forderung nach mehr Ressourcen für die Bildung

Kritisch sieht Zukunftsforscher Horx auch die Idee, jedem Schüler eine KI-gestützte „Einzelbetreuung“ zuzuweisen. Lernen dürfe nicht individualistisch und entkoppelt von sozialem Miteinander stattfinden. „Da kann man dann wahrscheinlich eine Menge Fachidioten produzieren, aber ob wir damit gesunde Mitglieder der Gesellschaft kriegen, ist eine andere Frage.“

Die Schule der Zukunft, so sein Plädoyer, müsse fluider, individueller, menschlicher werden – und vor allem: Finanziell besser ausgestattet. Seine drei Forderungen für das Lernen von morgen lauten daher: „Nicht das Analoge vernachlässigen. Die Individualität anerkennen. Und: Verdammt noch mal, mehr Kohle für das Ganze.“

„Wir müssen wieder lernen, Sachen für die Nachwelt zu machen – nicht nur für Wachstum.“

Horx fordert ein Umdenken, das über Wahlzyklen und kurzfristige ökonomische Erwägungen hinausgeht: „Wir müssen wieder lernen, Sachen für die Nachwelt zu machen – nicht nur für Wachstum.“ Bildungspolitik müsse auf die nächste Generation ausgerichtet sein, nicht auf die nächste Legislaturperiode. Sein Appell an die Gesellschaft ist klar: „Warum gönnt man sich hier sozusagen nichts mehr? Es muss doch unser Anspruch von Fortschritt sein, dass die nächste Generation es besser hat als die eigene.“ News4teachers

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