Bundeselternrat vor dem Aus? Kaltgestellter Vorsitzender forciert die Auflösung – aktiver Vorstand widerspricht

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BERLIN. Deutschlands höchstes Elterngremium steht im Zentrum eines bemerkenswerten Vorgangs: Zwei Schreiben, die News4teachers vorliegen und deren Echtheit inzwischen bestätigt ist, machen deutlich, dass der nach Krach hinter den Kulissen kaltgestellte Vorsitzende den Bundeselternrat (BER) auflösen lassen will. Doch der aktive Vorstand weist das entschieden zurück – und spricht von einem Alleingang.

Bumm. Illustration: Shutterstock

Die Briefe, datiert auf den 16. Oktober 2025, gingen an alle Kultusministerien der Länder sowie an die Mitglieder des Bundeselternrats. Unterzeichnet sind beide von Dirk Heyartz, dem bisherigen Vorsitzenden.

In dem an die Kultusministerinnen und Kultusminister gerichteten Schreiben heißt es wörtlich, dass das „Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mitgeteilt hat, dass ab 2026 keine institutionellen Zuwendungen mehr an den Bundeselternrat gewährt werden“. Diese Entscheidung stehe, so Heyartz, „im Zusammenhang mit dem Rückgang aktiver Mitgliedsländer und der damit eingeschränkten Repräsentation der Eltern- und Schülerinteressen“.

„Mehrere Bundesländer sind im Sommer und Herbst 2025 aus dem Bundeselternrat ausgetreten; weitere haben ihren Austritt angekündigt. Dadurch ist die Vertretungsbasis des Bundeselternrats inzwischen auf weniger als ein Drittel der Eltern- und Schülerschaften in der Bundesrepublik gesunken.“

Weiter schreibt er: „Die Geschäftsstelle des Bundeselternrats wurde im August 2025 ordnungsgemäß aufgelöst, das Inventar eingelagert und die Mitarbeitenden haben ihre Arbeitsverhältnisse eigenständig beendet. Derzeit bestehen keine administrativen Strukturen mehr zur Bearbeitung laufender Aufgaben oder Projekte.“

Zudem sei „beim Amtsgericht Berlin-Pankow eine zivilrechtliche Klage gegen den Bundeselternrat anhängig, unter anderem wegen Schadensersatzforderungen und offenen Restverbindlichkeiten“. Diese Verfahren verdeutlichten „die Notwendigkeit einer geordneten Abwicklung“.

Im weiteren Verlauf verweist Heyartz darauf, dass die Kultusministerkonferenz (KMK) „unter Leitung von Frau Ministerin Oldenburg eine neue Parallelstruktur geschaffen habe, die bereits Teile der bisherigen Aufgaben des Bundeselternrats übernommen“ habe. Diese ermögliche „eine effizientere Abstimmung zwischen den Ländern und den Eltern- sowie Schülervertretungen“. Sein Fazit: „Vor diesem Hintergrund erscheint der Fortbestand des Bundeselternrats in seiner bisherigen Form zunehmend fraglich.“

„Dringlicher Antrag“: Auflösung und persönliche Haftungsrisiken

Das zweite Schreiben richtet sich direkt an die Mitglieder und Delegierten des Bundeselternrats. Betreff: „Antrag auf Auflösung und Abwicklung des Bundeselternrats gemäß § 41 BGB“. Heyartz erklärt darin, die finanzielle und strukturelle Handlungsfähigkeit des Vereins sei „nicht mehr gegeben“. Wörtlich schreibt er: „Eine Deckung der laufenden Verpflichtungen ist aufgrund der fehlenden Bundesmittel sowie der begrenzten Beitragszahlungen aus den Bundesländern nicht mehr gesichert.“ Und: „Da einige Bundesländer in der Vergangenheit Zuwendungen zur Aufrechterhaltung der Geschäftsstelle geleistet haben, könnten sich Rückforderungsansprüche oder Abrechnungsverpflichtungen ergeben.“

Er stellt deshalb den Antrag, den Verein aufzulösen, und legt einen konkreten Beschlussvorschlag vor:

  1. „Beschlussfassung zur Auflösung des Bundeselternrats ab dem Jahr 2026 durch die Mitgliederversammlung gemäß § 41 BGB.“
  2. „Einleitung eines Liquidationsverfahrens zur ordnungsgemäßen Abwicklung aller bestehenden Verpflichtungen, Verträge und Mittel.“
  3. „Öffentliche Bekanntmachung der Auflösung mit Aufforderung an etwaige Gläubiger, ihre Forderungen innerhalb der gesetzlichen Frist geltend zu machen.“

Heyartz warnt ausdrücklich vor rechtlichen Folgen für die Verantwortlichen:
„Der Vorstand ist verpflichtet, bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen (§ 42 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO analog). Unterlassung kann zu persönlicher Haftung führen.“ Zwar sei die Haftung ehrenamtlich tätiger Vorstandsmitglieder nach § 31a BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, „bei pflichtwidrigem Unterlassen notwendiger Maßnahmen kann diese Beschränkung jedoch entfallen.“

Sein Fazit: „In der Abwägung aller Umstände erscheint es mir als Vorsitzendem des Bundeselternrats geboten, gegenüber den Mitgliedern offen, rechtssicher und verantwortungsbewusst zu handeln und den Verein geordnet abzuwickeln, um weiteren Schaden abzuwenden.“

Ruhendes Amt – und Spannungen im Hintergrund

Nun ist Heyartz zwar tatsächlich formal der Vorsitzende von Deutschlands höchstem Elterngremium, das bereits seit 75 Jahren besteht. Auf der Website des Bundeselternrats findet sich hinter dem Namen des Vorsitzenden allerdings der Hinweis: „Dirk Heyartz (Amt seit 23.05.2025 ruhend)“. Nach Informationen von News4teachers soll es im Vorfeld zu Konflikten im persönlichen Umgang gekommen sein – auch mit der Bundesschülerkonferenz, die traditionell als enger Partner des Bundeselternrats gilt -, weshalb Heyartz das Vertrauen entzogen wurde.

Als er in seinem Wohnort Grevenbroich bei der Kommunalwahl im September parteiunabhängig als Bürgermeister kandidierte, warb er mit seinem Amt – ohne allerdings seinen Status dabei zu erwähnen: „Ich setze mich für Kinder und Familien ein – unser wertvollstes Gut. Als ehrenamtlicher Vorsitzender des Bundeselternrats bringe ich Erfahrung aus der bundesweiten Bildungspolitik mit, um Teilhabe und Chancengleichheit vor Ort spürbar zu verbessern“, so erklärte er in der Rheinischen Post bei einer Vorstellung der Kandidaten. Heyartz verlor die Wahl deutlich – er konnte lediglich 5,5 Prozent der Stimmen verbuchen.

Vorstand widerspricht entschieden: „Herr Heyartz ist nicht vertretungsbefugt“

Treibt ihn nun der Frust an? Der aktive Vorstand des Bundeselternrats distanziert sich jedenfalls deutlich von den beiden Schreiben. „Herr Heyartz ist weder antragsberechtigt noch vertretungsbefugt“, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber News4teachers. Er habe kein Mandat, den Bundeselternrat zu vertreten und sei in den vergangenen Monaten auch nicht darin aktiv gewesen. Der Vorstand betont, das Gremium sei weiterhin handlungsfähig. Ihm gehörten „nach wie vor elf Mitgliedsverbände“ an. O-Ton: „Wir sind weit weg von einem Abgrund.“

Richtig sei zwar, dass das BMFTR die Förderung eingestellt habe – dies auch „sehr kurzfristig und ohne Vorwarnung“ (womöglich vor dem Hintergrund, dass das Bildungsministerium geteilt wurde und die Zuständigkeiten nicht sauber geklärt sind). „Eine Frechheit, so mit Bildungsaktiven umzugehen“, kritisiert der Vorstand. Man arbeite bereits an Lösungen, „um die Finanzierung langfristig abzusichern“. Zudem liefen die Planungen für 2026 weiter: Geplant sei ein bundesweiter Bildungsgipfel, mit dem der Bundeselternrat die Rolle von Eltern im Bildungsdialog stärken wolle.

An Engagement scheint es jedenfalls nicht zu mangeln: Noch Ende September waren Delegierte des Bundeselternrates in Halberstadt zusammengekommen, um drei Tage lang über die Schule von morgen zu diskutieren. Ergebnis war eine Resolution.

Kernforderungen: „Lernstrategien und Lernkompetenzen sollen bereits ab der Grundschule vermittelt werden. Mehr Leuchtturmschulen, wie zum Beispiel die Alemannenschule in Wutöschingen, sollen erproben, wie selbstreguliertes Lernen gelingt. Ihre Erfahrungen sollen in alle Schulen getragen werden. Das Lehramtsstudium sowie die Fortbildung von Lehrkräften müssen konsequent auf moderne Lehr- und Lernmethoden ausgerichtet werden. Statt klassischer Noten braucht es kompetenzorientierte Rückmeldesysteme, die Lernfortschritte sichtbar machen und Motivation fördern.“

Klingt so ein sterbendes Gremium? News4teachers 

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Martina
11 Stunden zuvor

Die Kernforderungen des Bundeselternrates vermitteln mir den Eindruck, dass in dem Elterngremium viel Hoffnungsdenken und Fortschrittsgläubigkeit herrschen.
Realistisch denkenden Menschen rauben solche Forderungen hingegen jegliche Hoffnung auf Besserung von Bildung und Schulen.
Insofern wäre ich nicht traurig, wenn ab 2026 keine institutionellen Zuwendungen mehr an den Bundeselternrat gewährt würden.

Sven
10 Stunden zuvor
Antwortet  Martina

Nur weil Hoffnung und Denken zukunftsgerichtet ist, sich an aktuelle Methoden aus der Wissenschaft richtet soll Elternmitwirkung auf Bundesebene totgelegt werden? Wie soll aber eine Bilderungspartnerschaft sonst gelebt werden, wenn Eltern ausgeschlossen werden? Wer soll sich um die Themen der Eltern kümmern?
Was meinen Sie mit “Besserung von Schule und Bildung”? Elternmitwirkung ist Ehrenamt, das können sich leider nur Eltern mit “freier” Zeiteinteilung leisten. Das sich “Alphatiere” verwirklichen wollen, ist eine sehr unangenehme Begleiterscheinung.

g.h.
9 Stunden zuvor
Antwortet  Sven

Viele Köche (Mitwirkende) verderben bekanntlich den Brei. So manches wird nicht besser, wenn zu viele mitreden.

Lera
10 Stunden zuvor

„Klingt so ein sterbendes Gremium?“

Ehrlich gesagt: ja.

Gehen wir das mal durch:

– „Lernstrategien und Lernkompetenzen sollen bereits ab der Grundschule vermittelt werden“

Alter Hut.

– „Mehr Leuchtturmschulen, wie zum Beispiel die Alemannenschule in Wutöschingen, sollen erproben, wie selbstreguliertes Lernen gelingt.“

Selbstreguliertes/ selbstorganisiertes/ selbstgesteuertes Lernen … funktioniert … mit einer (auf die eine oder Weise, direkt oder indirekt) selektierten Schülerschaft und sehr viel mehr Ressourcen als flächendeckend in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen.

– „Ihre Erfahrungen sollen in alle Schulen getragen werden.“

… sind aber nicht flächendeckend übertragbar.

– „Das Lehramtsstudium sowie die Fortbildung von Lehrkräften müssen konsequent auf moderne Lehr- und Lernmethoden ausgerichtet werden.“

Aha. Dann sind sie bislang wohl auf unmoderne Lehr- und Lernmethoden ausgelegt? Oder auf gar keine? Ab wann ist eine Methode modern? Geht das nach Jahreszahl oder Zeitgeist? Ist modern immer besser?

Ist direkte Instruktion noch von gestern (böser „Frontalunterricht“) oder schon wieder modern (gute Effektstärke bei Hattie)?

Öhm… ja… sooo genau scheint sich das keiner überlegt zu haben. Aber Hauptsache man hat mal rumgequakt und eine „Resolution“ verabschiedet.

„Statt klassischer Noten braucht es kompetenzorientierte Rückmeldesysteme, die Lernfortschritte sichtbar machen und Motivation fördern.“

Haben wir an der Grundschule in SH seit Jahren – wenn die Schulkonferenz (mit Elternbeteiligung !) das will. Will sie oft nicht. Diese Kompetenzkreuze überfordern viele Eltern und noch mehr Kinder. Eine Note versteht jeder. Formatives Feedback (gute Effektstärke bei Hattie) ist davon vollkommen unberührt. Ein Zeugnis ist aber qua Definition ein summatives Feedback und eine Leistungsbeurteilung.

Fazit:
Ich würde nichts vermissen ohne Bundes-/ Landeselternrat.

Die demokratische Beteiligung an Schule durch diese Gremien ist doch ohnehin eine Farce: Schon die Schulelternbeiräte (alleine das Wort erzeugt Unwohlsein) – das ist ja der Pool, aus dem die Gremien gewählt und gebildet werden – werden ja meist nur pro forma gewählt. Einer muss es halt machen, Udo, du trainierst doch die F-Jugend, willst du nicht? Die Eltern kennen den „Kandidaten“ entweder vom Stammtisch oder Verein oder gar nicht. Eine Vorstellung der Kandidaten gibt es nicht.

Weder die Inhalte (siehe oben) noch die Strukturen erscheinen mir daher erhaltenswert.

Michael
7 Stunden zuvor

Resolutionen oder Pressemeldungen zu veröffentlicht zeigt zwar eine gewisse Lebendigkeit. Aber die Frage ist ja nicht, ob dieses Gremium lebt oder tot ist. Sondern ob es relevant ist und eine Stimme in der Diskussion haben sollte.

Die elf (noch) vertretenen Bundesländer zu benennen, hätte dem Artikel gut gestanden. Denn wenn mit NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen ausgerechnet die vier bevölkerungsreichsten Bundesländer kein Mitglied sind und damit ca. zwei Drittel der Eltern von Schulkindern nicht vom Bundeselternrat vertreten werden wollen, sollte man sich sowohl als Medienschaffende als auch als Öffentlichkeit fragen, ob man diesen Verlautbarungen Gewicht beimisst.

Ein wenig mehr Nachforschung oder Einordnung hätte diesem Artikel gut getan.

Aline
6 Stunden zuvor
Antwortet  Michael

Das ist eine widersprüchliche Sichtweise. Die BMK hat auch nur eine Stimme pro Land. Es geht hier nicht um die Anzahl der zu vertretenden Eltern. Es geht darum, dass die Schnittpunkte zum Thema Bildungsproblematik bei allen Ländern gleich sind. Ob es das Saarland ist oder NRW spielt hierbei keine Rolle. Wenn man so denken würde, müssten man auch die Stimmgewichtung in der BMK hinterfragen und oder der Bundesschülerkonferenz.