Damit der Lärmpegel Lernen nicht unmöglich macht: Leitlinien zur Akustik

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BERLIN. Offene Lernlandschaften und moderne Schulcluster liegen im Trend – doch ohne durchdachte Akustik wird der Unterricht schnell zum akustischen Chaos. Eine Studie zeigt, wie Schallschutz und Raumakustik gezielt verbessert werden können, um Lernen wirklich zu fördern.

Aua. (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

An der Beruflichen Schule im hessischen Witzenhausen wurde eine Asbest-Sanierung dafür genutzt, das Gebäude von Innen komplett umzubauen – und offene Lernbereiche zu schaffen. So wurde der ehemalige Flur als Lern- und Aufenthaltsbereich umgestaltet, der in offener Verbindung zu den Lernorten steht. Anstelle von durchgehenden Wänden mit Türen wurden versetzt angeordnete raumhohe Wandscheiben als Möbel- oder Glaselemente eingebaut, welche offene Raumnischen für Rückzug und konzentriertes Arbeiten bilden.

Das Problem: In offenen Räumen können Gespräche von allen Seiten dröhnen. Lehrkräfte müssen dann ihre Stimmen heben, und die Konzentration der Schülerinnen und Schüler sinkt rapide – wenn die Akustik nicht mitgedacht wird. Anders in Witzenhausen: Dort wurde der mögliche Geräuschpegel von Anfang an berücksichtigt – und mittels Schallschutzdecken, mobilen Trennwänden und einer durchdachten Raumgestaltung eingedämmt. So stellte sich von Anfang an die gewünschte Lernatmosphäre ein. Das Beispiel zeigt: Gute Pädagogik braucht gute Akustik. Und: Gute Akustik ist auch in zeitgemäßen Schulgebäuden möglich.

Genau hier setzt eine praxisnahe Studie an, die der Verband Bildung und Erziehung (VBE) gemeinsam mit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft sowie dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) vorgelegt hat. Unter dem Titel „Akustik im Schulbau – Neue Konzepte und Empfehlungen“ beleuchtet sie, wie sich Schallschutz und Raumakustik so planen lassen, dass moderne Schulkonzepte tatsächlich funktionieren.

Wie beeinflusst Akustik die Lernlandschaften von heute?

Die Autor*innen machen deutlich: Offene Lernlandschaften und Schulcluster sind inzwischen ein fester Bestandteil zeitgemäßer Architektur. Sie sollen unterschiedliche Lernformen ermöglichen – von konzentrierter Einzelarbeit bis hin zu lebendiger Gruppenarbeit. Doch genau diese räumliche Offenheit bringt enorme akustische Herausforderungen mit sich. Die Handreichung hält fest: Eine differenzierte Raum- und Bauakustik ist die Grundvoraussetzung für das Gelingen pädagogischer Konzepte. Hintergrund ist, dass Geräusche in offenen Strukturen nicht wie in klassischen Klassenzimmern durch Wände und Türen gedämpft werden. Stimmen überlagern sich, Nachhallzeiten verlängern sich, und die Belastung für alle steigt.

„Der Raum als dritter Pädagoge ist keine Floskel“, betont VBE-Bundesvorsitzender Gerhard Brand. „Wir wissen um die immense Bedeutung einer lernförderlichen Umgebung. Unsere Leitlinien sollen insbesondere Schulträgern und Schulleitungen wertvolle Hinweise geben.“

Welche Anforderungen gelten für zeitgemäße Schulen?

Die Broschüre verweist auf zentrale Parameter, die bei Neubau und Sanierung zu beachten sind. Klassische Standards reichen für offene Lernumgebungen nicht aus. Hier müssen deutlich kürzere Nachhallzeiten eingehalten werden, um Sprachverständlichkeit zu sichern. Auch die maximale Lautstärke im Raum muss reduziert werden – nicht nur durch Materialien, sondern auch durch bauliche Strukturen, die Geräusche absorbieren. Zudem braucht es eine akustische Zonierung, damit unterschiedliche Lernaktivitäten parallel stattfinden können. Offene Flächen benötigen Rückzugsbereiche, die lärmsensibel gestaltet sind. Und schließlich ist Flexibilität entscheidend: Mobile Elemente wie Trennwände oder Akustikmöbel ermöglichen es, Räume je nach Unterrichtsform anzupassen.

Welche Empfehlungen gibt die neue Handreichung?

Die Leitlinien richten sich explizit an alle Akteure im Schulbau – von Architekt*innen über Schulträger bis hin zu Schulleitungen. Sie bündeln nationale wie internationale Normen und geben praxisnahe Empfehlungen. Akustik, so heißt es, dürfe nicht nachträglich „hinzugefügt“ werden, sondern müsse von Anfang an Teil der architektonischen Konzeption sein. Ebenso sei eine enge Zusammenarbeit von Pädagogik und Architektur erforderlich, damit Räume entstehen, die didaktische Ziele stützen. Dabei verweisen die Autoren auf wissenschaftlich fundierte Standards und internationale Best-Practice-Beispiele, die in Deutschland adaptierbar sind. Und nicht zuletzt betonen sie die Kosteneffizienz: Investitionen in Akustik zahlen sich langfristig aus – durch geringere Krankheitsausfälle von Lehrkräften, bessere Konzentrationsfähigkeit und höhere Lernerfolge.

Die Botschaft ist eindeutig: Das Ohr lernt mit. News4teachers

Hier lässt sich die Broschüre kostenlos herunterladen. 

Hier geht es zu allen Beiträgen des Themenmonats “Schulbau & Schulausstattung”. 

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