Nach 17 Jahren (!) Post vom Besoldungsamt: Schulleiter-Einspruch abgelehnt

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DÜSSELDORF. Lehrkräfte warten – und warten: In Nordrhein-Westfalen ergingen jetzt Bescheide über Widersprüche gegen die Familienzuschläge für kinderreiche Beamte – nach 17 Jahren. In Schleswig-Holstein steht seit fast zwei Jahrzehnten ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Streichung des Weihnachtsgeldes aus. In beiden Fällen geht es um Grundsatzfragen der sogenannten „amtsangemessenen Alimentation“ – und um das Vertrauen von Beamtinnen und Beamten darauf, dass der Staat sie fair behandelt.

Warten auf Bescheid. Illustration: Shutterstock

Stephan Wippermann-Janda, ein heute pensionierter Leiter eines Gymnasiums in Düsseldorf, hat 17 Jahre auf ein amtliches Schreiben gewartet. 2008 legte er – auf Anregung der GEW – Widerspruch gegen die Höhe des Familienzuschlags für Beamte mit drei oder mehr Kindern ein. Erst jetzt erhielt er die Antwort vom Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV). Ein Vorgang, der stellvertretend steht für eine juristische und verwaltungstechnische Hängepartie, die tausende Lehrkräfte und andere Landesbeamte in Nordrhein-Westfalen betrifft.

„Ich weiß nicht, ob ich lachen oder den Kopf schütteln soll“, sagte Wippermann-Janda der Rheinischen Post. Der frühere Schulleiter des Konrad-Adenauer-Gymnasiums in Langenfeld hält den gelben Umschlag in der Hand, den ihm der Postbote kürzlich überbrachte. 17 Jahre zuvor hatte er – auf Anregung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) – Einspruch gegen die Höhe seines Familienzuschlags eingelegt.

Der Anlass: Aus Sicht der Gewerkschaft seien die Zuschläge für kinderreiche Familien nicht amtsangemessen. „Bei dem dritten Kind, um das es damals ging, handelte es sich um meine Tochter. Inzwischen hat sie mich schon zum zweifachen Opa gemacht“, sagt der Pädagoge schmunzelnd. Im Schreiben, das er nun erhielt, wird ihm mitgeteilt, dass keine Nachzahlung für seine damalige Besoldungsgruppe erfolgt. Wippermann-Janda nimmt’s mit Humor – und Resignation: „Würde ich Rechtsmittel dagegen einlegen, würde ich die nächste Antwort sicher nicht mehr lebend in Empfang nehmen können.“

Chronologie einer schier endlosen juristischen Prüfung

Der Hintergrund dieser jahrelangen Verzögerung ist komplex. Zahlreiche Widersprüche von Beamtinnen und Beamten zur sogenannten „amtsangemessenen Alimentation“ kinderreicher Familien wurden zwischen 2003 und 2010 beim LBV eingereicht. Diese Verfahren wurden ruhend gestellt – in Erwartung höchstrichterlicher Entscheidungen.

Erst 2020 konkretisierte das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 4. Mai 2020, Az. 2 BvL 6/17 u.a.) seine Maßgaben zur Mindest-Alimentation kinderreicher Familien. Auf dieser Grundlage verabschiedete der nordrhein-westfälische Landtag am 14. September 2021 das „Gesetz zur Anpassung der Alimentation kinderreicher Familien“ (GV. NRW. S. 1075). Damit wurden Nachzahlungen für die Zeit ab 2011 geregelt. Für die Jahre 2003 bis 2010 ließ die Umsetzung allerdings weitere drei Jahre auf sich warten.

Erst im Oktober 2024 erließ das Finanzministerium des Landes NRW den Runderlass „Bescheidung von Anträgen und Widersprüchen betreffend die amtsangemessene Alimentation kinderreicher Familien in den Jahren 2003 bis 2010“ (MBl. NRW. 2024 S. 1000). Darin wurde festgelegt, unter welchen Bedingungen Beamtinnen und Beamte mit drei oder mehr Kindern rückwirkend Anspruch auf Nachzahlungen haben.

Für viele Betroffene – wie Wippermann-Janda – bedeutete das allerdings eine abschlägige Entscheidung. In bestimmten Besoldungsgruppen und Zeiträumen habe es nach Auffassung des Finanzministeriums keine Alimentationsdefizite gegeben. Zudem galt der Grundsatz der „haushaltsnahen Geltendmachung“: Nur wer die Ansprüche im jeweiligen Haushaltsjahr schriftlich angemeldet hatte, konnte überhaupt auf Nachzahlung hoffen.

Auch beim Weihnachtsgeld warten Lehrkräfte seit Jahren auf Bescheid

Nicht nur beim Familienzuschlag, auch in einem anderen Besoldungsverfahren warten Beamtinnen und Beamte – darunter viele Lehrkräfte – seit Jahren auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Im Mittelpunkt steht die Kürzung beziehungsweise Streichung des Weihnachtsgelds in Schleswig-Holstein im Jahr 2007. Wie in mehreren anderen Bundesländern wurde das 13. Monatsgehalt damals drastisch reduziert oder gestrichen – ab Besoldungsgruppe A 11 sogar vollständig.

Ob diese Kürzung rechtmäßig war, ist bis heute offen. Zwar wurde bereits 2008 Klage eingereicht, doch eine Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts steht immer noch aus. Der dbb Beamtenbund und Tarifunion Schleswig-Holstein hat nun eine Verzögerungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht – und droht, notfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen.

„Das ist eines Rechtsstaates zunehmend unwürdig und den Beamtinnen und Beamten so nicht mehr zuzumuten“, kritisierte der dbb-Landesvorsitzende Kai Tellkamp. Der Fall sei seit Jahren überfällig. Sollte das Bundesverfassungsgericht nicht bald handeln, wolle man den Druck auf europäischer Ebene erhöhen.

Hintergrund ist ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2021. Es stellte fest, dass die Besoldung mehrerer Lehrkräfte im Jahr 2007 gegen das Gebot der amtsangemessenen Alimentation verstoßen habe. „Das beklagte Land vermochte die damit gegebene Vermutung einer evident unzureichenden Besoldung nicht zu widerlegen“, heißt es in der Entscheidung. „Ganz im Gegenteil sei es nicht angängig, den Beamten des Landes allein aus haushalterischen Gründen ein derart einseitiges Sonderopfer aufzuerlegen.“

„Auch ich möchte Klarheit in dieser Frage und habe Verständnis, dass die Beamtinnen und Beamten eine baldige Entscheidung erwarten“

Das Finanzministerium in Kiel räumte ein, dass die Kosten einer möglichen Nachzahlung schwer zu beziffern seien. 2007 hatte die Streichung etwa 100 Millionen Euro pro Jahr eingespart; eine Rückkehr zur alten Regelung könnte heute bis zu 140 Millionen Euro jährlich kosten.

„Auch ich möchte Klarheit in dieser Frage und habe Verständnis, dass die Beamtinnen und Beamten eine baldige Entscheidung erwarten“, sagte Schleswig-Holsteins Finanzministerin Silke Schneider (Grüne). Doch bis Karlsruhe urteilt, bleibt alles offen – und damit für viele Lehrkräfte die Frage, ob ihnen nach fast zwei Jahrzehnten womöglich doch noch ein Weihnachtsgeld zusteht. News4teachers 

“Angriff auf das Fürsorgeverhältnis” – schon wieder: Jetzt sollen Lehrkräfte keine Beamten mehr sein

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Gewitter
25 Minuten zuvor

Die sind aufgeschreckt durch den Fall der Lehrerin, die 16 Jahre krankgeschrieben war bei vollem Gehalt (denn die ist/war ja Beamtin).