Sanierungsstau: “Die Kommunen können den Investitionsbedarf im Schulbau nicht decken”

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FRANKFURT/MAIN. Deutschlands Schulen leiden unter einem gewaltigen Investitionsstau – bundesweit beläuft sich der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf nach Berechnungen der KfW-Bankengruppe aktuell auf rund 68 Milliarden Euro. Das ist der höchste Rückstand in allen kommunalen Aufgabenfeldern. In Hessen eskaliert die Debatte: Dort wirft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) der schwarz-roten Landesregierung Untätigkeit vor und fordert ein milliardenschweres Investitionsprogramm.

Huch. Illustration: Shutterstock

„Aus unserer Sicht ist diese Entwicklung alarmierend. Wir schätzen vorsichtig, dass sich der Investitionsbedarf an den Schulen in Hessen auf mindestens sechs Milliarden Euro beläuft. Vielerorts müssen Lehrkräfte und Schüler:innen in maroden Schulgebäuden arbeiten und lernen“, sagt Thilo Hartmann, Vorsitzender der GEW Hessen. Seit Jahren verlange man, dass die Landesregierung eine genaue Erhebung des Investitionsstaus vornimmt. „Aber mit dieser Forderung stoßen wir leider auf taube Ohren.“

Hintergrund: Zwar sind die Bauinvestitionen in Hessen seit 2015 real leicht gestiegen, 2022 aber wieder gesunken und 2023 schließlich auf niedrigem Niveau stagniert. Die offiziellen Statistiken bilden die Lage dabei nur unvollständig ab – weil viele Bauprojekte in Ausgliederungen und Öffentlich-Private Partnerschaften verlagert wurden. Tatsächlich liegt der Rückstand nach den Berechnungen der GEW noch weit höher.

Besonders deutlich wird die Schieflage im regionalen Vergleich: Während der Hochtaunuskreis seit 1992 pro Schülerin und Schüler im Schnitt 1.503 Euro in Neubau und Unterhaltung von Schulen investierte, waren es in Kassel gerade einmal 323 Euro.

Dass eine präzise Bedarfserhebung möglich ist, demonstriert ausgerechnet ein hessischer Landkreis. „Wir sind als Landkreis Träger von 61 Schulen an 71 Standorten. Zum Bestand gehören 500 Schulgebäude, Turnhallen oder Sportanlagen. Da müssen wir genau hinschauen, um zukunftsfähig zu bleiben. Genau deshalb haben wir eine entsprechende Studie in Auftrag gegeben“, erklärt Jens Womelsdorf, Landrat von Marburg-Biedenkopf. „Wir machen hier also unsere Hausaufgaben bereits.“ Der Kreis setzt aktuell ein eigenes Investitionsprogramm in Höhe von 110 Millionen Euro bis 2026 um.

„Auch die Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität werden dafür nicht reichen“

Doch für eine nachhaltige Lösung brauche es die Unterstützung des Landes. „Die hessischen Kommunen sind nicht in der Lage, den bestehenden Investitionsbedarf im Schulbau zu decken. Auch die Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität werden dafür nicht reichen“, betont GEW-Chef Hartmann. Sein Vorschlag: Die landeseigene Förderbank WIBank soll den Kommunen Kredite für Sanierung und Neubau in Höhe von mindestens drei Milliarden Euro bereitstellen – Zins und Tilgung solle das Land übernehmen. „Hier handelt unser Nachbarland Thüringen vorbildlich, das ein allgemeines kommunales Investitionsprogramm in dieser Form auf den Weg gebracht hat.“

Auch Womelsdorf sieht Wiesbaden in der Pflicht: „Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Landkreise und Gemeinden derzeit ganz überwiegend, und in zum Teil hohem Maße, unterfinanziert sind. Aus eigener Kraft wird es nicht gelingen, das zu ändern.“ Man erwarte von kommunaler Seite, dass das Land die Kommunen angemessen beteilige – auch bei der Verteilung der Bundesmittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur. Nur so ließen sich die zusätzlichen Herausforderungen wie der Ganztagsausbau an Grundschulen oder die Modernisierung der kommunalen Infrastruktur schultern.

Die GEW verweist zudem auf ein Rechtsgutachten des Frankfurter Verfassungsrechtlers Prof. Georg Hermes: Demnach wäre ein WIBank-Programm trotz Schuldenbremse möglich, weil die Kommunen selbst nicht unmittelbar unter die Schuldenregel fallen. Der Blick nach Thüringen zeigt: Dort wurde im August das größte kommunale Investitionsprogramm des Landes gestartet – mit Milliardenkrediten für Städte und Kreise, die das Land trägt. Hessen dagegen diskutiert noch. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu allen Beiträgen des Themenmonats “Schulbau & Schulausstattung”. 

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