BUTZBACH. Der erste schert aus: Während Lehrkräfte-Verbände bundesweit seit Jahren eine verlässliche Arbeitszeit-Erfassung fordern – gestützt auf Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts –, lehnt der Verband der Lehrer Hessen (vdl) eine solche plötzlich ab. Der Anlass: eine aktuelle Arbeitszeit-Untersuchung aus Sachsen. Die legt nahe, dass Lehrkräfte im Schnitt womöglich gar nicht zu viel arbeiten. Nach Rechnung der Kultusministerien jedenfalls nicht.

Überraschende Worte aus Butzbach: Der vdl Hessen hält nichts von Forderungen, die Arbeitszeit von Lehrkräften künftig systematisch zu erfassen. Die Maßnahme würde keinen Fortschritt, sondern neue Bürokratie bringen, heißt es nach der Klausurtagung des Verbands im Städtchen am Rande des Taunus. Schon vor rund zwanzig Jahren habe es in Hessen eine Untersuchung der Arbeitszeit von Lehrkräften gegeben – ohne dass diese greifbare Verbesserungen für die Kollegien gebracht hätte.
Der Alltag an Schulen lasse sich ohnehin nicht in Tabellen erfassen: Lautstärke, Heterogenität, soziale Probleme, gestiegene Verwaltungsaufgaben – all das präge die Realität weit stärker als jede rechnerische Sollzeit. „Eine Statistik kann die Individualität des Lehrerberufs nicht abbilden“, meint Landesvorsitzender Jörg Leinberger. Stattdessen sollten Politik und Verwaltung endlich die tatsächliche Belastung der Lehrkräfte in den Blick nehmen – und nicht die bloße Stundenzahl.
Auch der stellvertretende Landesvorsitzende Claus Eschenauer hält die Debatte für verfehlt: „Wer den Beruf wirklich verstehen will, muss sich mit der Arbeitsbelastung befassen – nicht mit Stoppuhren. Eine Stunde Unterricht mit einer lebhaften Klasse ist körperlich und mental anstrengender als eine Stunde am Schreibtisch. Das lässt sich nicht in Minuten erfassen.“
Bezug auf Sachsen – mit fragwürdiger Schlussfolgerung
In einer Pressemitteilung verweist der vdl Hessen auf die jüngste Arbeitszeitstudie aus Sachsen und behauptet, die dortige Erhebung habe gezeigt, dass Lehrkräfte ohnehin weit über 40 Stunden pro Woche arbeiten würden – und dass eine Untersuchung der Arbeitszeit keine neuen Erkenntnisse bringe.
Diese Darstellung verzerrt das Ergebnis der Studie allerdings. Zwar arbeiten einzelne Lehrkräfte in Spitzenzeiten durchaus mehr als 40 Stunden pro Woche. Im Durchschnitt kommt die von Sachsens Kultusministerium beauftragte Untersuchung des Beratungsunternehmens Prognos allerdings sogar zu einem gegenteiligen Befund: Vollzeitkräfte arbeiten demnach im Jahresdurchschnitt nicht über-, sondern sogar leicht unter ihrer Sollarbeitszeit.
Zwar leisteten Lehrkräfte den Angaben zufolge in Unterrichtswochen Mehrarbeit – im Schnitt rund 2,5 Stunden pro Woche –, diese werde jedoch in den Ferien weitgehend ausgeglichen. Im Mittel arbeiten Vollzeitkräfte demnach 33,1 Stunden pro Woche (einschließlich Urlaubszeiten) – rund eine Viertelstunde weniger als vorgesehen. Lediglich Teilzeitkräfte und Schulleitungen weisen laut Studie eine nennenswerte Mehrarbeit auf.
Auffällig ist zudem die große Spannweite innerhalb der Kollegien: Laut Prognos variiert die tatsächliche Wochenarbeitszeit unter den Vollzeitkräften erheblich – zwischen rund 25 und über 50 Stunden. Zwischen dem unteren und oberen Viertel der Lehrkräfte liegt ein Unterschied von fast acht Stunden pro Woche. Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU) sprach dennoch von einer „ausgeglichenen Bilanz“ und kündigte an, künftig freiwillige Arbeitszeitkonten einzuführen, um flexible Deputate zu ermöglichen – keine Rede von einer Senkung der Unterrichtsverpflichtung.
Heftige Kritik an Methode und Interpretation
Die Ergebnisse sind zwar hochumstritten – deuten aber darauf hin, dass die Rechnung der Kultusministerien im Rahmen einer durchgängigen Arbeitszeiterfassung je nach Methodik und Zählweise anders ausfallen könnte als von den meisten Lehrkräften erwartet. Vertreter des Sächsischen Lehrerverbandes (SLV), der GEW und des Philologenverbands Sachsen zweifeln an der Aussagekraft der Prognos-Daten. Der SLV-Vize René Michel kritisierte: „Der sehr fein ausdifferenzierte Aufgabenkatalog hat sicher zu Verwirrungen geführt und Eintragungsfehlern beigetragen. Diese Zahlen dürfen nicht missbraucht werden, um die Arbeitsbelastung kleinzureden.“
Auch die GEW Sachsen warnte vor einer Untererfassung: „Gerade in den stressigsten Phasen des Schuljahres war die Studie das Letzte, was Lehrkräften wichtig war.“ Zudem habe das Ministerium bei Eintragungsfehlern Konsequenzen angedroht – was viele davon abgehalten habe, alle Zeiten vollständig einzutragen.
Studien aus anderen Bundesländern waren zu ganz anderen Ergebnissen gekommen. In Berlin etwa dokumentierte eine Untersuchung der Universität Göttingen 2025 rund 100 Stunden Mehrarbeit pro Jahr für Lehrkräfte, ein Drittel überschritt regelmäßig die gesetzliche 48-Stunden-Grenze. In Hamburg wurde im selben Jahr eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von fast 42 Stunden festgestellt – mit einem alarmierend hohen Burnout-Risiko. Ob das in der Praxis dann von den Kultusministerien aber auch so erfasst würde?
„Diese Statistik ist teuer – und nutzlos“
Der Zweifel erklärt womöglich die Linie des vdl Hessen: Der Verband will offensichtlich keine Arbeitszeiterfassung, der er ohnehin nicht traut. „Wir sehen in solchen Erhebungen keinen Fortschritt, sondern eine Verschwendung von Zeit und Geld“, so Leinberger.
Der Aufwand sei immens, die Aussagekraft gering. Zudem fürchtet der Verband, dass eine verpflichtende Zeiterfassung die ohnehin knappe Flexibilität im Lehrerberuf weiter einschränken würde. „Gerade die flexible Gestaltung der Arbeitszeit ist eine der wenigen verbleibenden Entlastungen. Diese jetzt zu gefährden, wäre der falsche Weg“, warnt der zweite stellvertretende Vorsitzende Timo Marx.
Anstatt in Stoppuhren und Datenbanken zu investieren, fordert der vdl politische Taten: mehr Personal, kleinere Klassen, multiprofessionelle Teams und eine echte Entlastung im Schulalltag. „Wir nehmen dieses Geld lieber für unsere Schülerinnen und Schüler!“, betont Leinberger. „Eine Arbeitszeiterfassung schafft keinen Mehrwert für die pädagogische Arbeit, sondern bindet Ressourcen, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden – etwa für bessere Lernbedingungen oder eine Entlastung im Schulalltag.“ News4teachers









Willkommen beim Bullshit-Bingo.
Komplexität – Check!
Vielfältige Herausforderungen – Check!
Stoppuhr – Check!
Bürokratie – Check!
BINGO!
“Der Aufwand sei immens, die Aussagekraft gering.”
Dann schaut nach anderen Ansätzen oder Beispielen aus dem EU-Ausland, anstatt die ganze Idee abzuschreiben!
Stattdessen “einfach” mehr Lehrkräfte? Gute Idee, das Schulamt sagte bereits einer Bekannten bescheid, dass Sie zu 100% versorgt wäre, obwohl es aus allen nähten platzt… Hm… Vielleicht sollte man die Arbeitszeit erfassen … (augenroll)
Nur geht es eben nicht nach: „ Will ich nicht, brauch ich nicht“, sondern um geltendes Recht, welches umzusetzen ist. Da kann der VdL wollen, was er will!
Mich würde mal interessieren, ob diese Aussage tatsächlich unter den Mitgliedern des VdL Hessen abgestimmt wurde…
Mich würde interessieren, ob die Forderung nach einer Arbeitszeiterfassung unter den Lehrern abgestimmt wurde.
Mich würde interessieren, ob Ihnen Gesetze egal sind.
Bzw: Offensichtlich schon.
Legal, illegal, scheißegal – Steigerungsform
Nee, nur unter Lehrer*innen und das nicht seit gestern .
Das muss sie gar nicht, weil die Erfassung der Arbeitszeit nach geltendem Recht vorgeschrieben ist.
Lehrkräfte mit zwei Korrekturfächern bedanken sich für diesen Vorstoß!
Genau diese Lehrer müssen sich immer wieder von Kollegen nahezu ohne Korrekturen anhören, dass diese so belastet seie , weil es zu laut im Unterricht wäre… Oder dass sie ja selbst schuld seien, so arbeitsintensive Fächer studiert zu haben.
Wäre ich Mitglied in dem Verband, ginge die Kündigung sofort raus.
Ich träte nun sofort ein, würde ich dort leben.
4 Tage Woche muss es geben
besonders für die Kollegen
Der vdl schafft keinen Mehrwert. Kann man also offensichtlich abschaffen.
Und ob der vdl nun für oder gegen die Zeiterfassung ist, spielt keine Rolle. Es gibt die gesetzliche Pflicht zur Ze iterfassung.
Da bleibt die Frage, ob das eine persönliche Meinung ist, einer des VDL Hessen oder gegenbenenfalls auch des DBB, dessen Mitglied der VDL ja ist.
https://vdl-hessen.info/wir-ueber-uns/landesvorstand/
VERBAND DER LEHRER HESSEN
im Deutschen Lehrerverband Hessen dlh
im Deutschen Beamtenbund dbb
Die Beamten halt. Aber für angestellte Lehrkräfte ist es an der Zeit, dass die AZE umgesetzt und der 44er im TV-L abgeschafft wird. Ganz einfach mal die basalen Arbeitnehmerrechte für angestellte Lehrkräfte berücksichtigen.
Die Mitglieder des VdL können sich doch dann von der AZE ausnehmen. Es ist dann an der Dienststelle, ob sie den Verstoß gegen die Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit ahndet.
“Laut Prognos variiert die tatsächliche Wochenarbeitszeit unter den Vollzeitkräften erheblich…” – auch keine total neue Erkenntnis. Jetzt müsste man nur noch herausfinden, welche Schularten und welche Unterrichtsfächer besonders von Mehrarbeit betroffen sind. Das ist sicher einfacher herauszufinden, als die individuelle Arbeitszeit jedes einzelnen Lehrers zu erfassen.
Und jetzt meine ganz verrückte Idee. Wenn man das dann weiß, könnte man ja das Deputat der Lehrer in den entsprechenden Fächern und an den entsprechenden Schulformen anpassen, d. h. senken. Das hätte dann auch gleich den Vorteil, dass man wieder mehr Personal und Nachwuchs dafür bekommen würde. Oder sehe ich da was falsch?
Okay, im Moment haben wir Lehrermangel, aber die Schülerzahlen sinken doch (angeblich?) auch in naher Zukunft. Und mancher TZ-Lehrer der besonders belasteten Gruppen, würde vielleicht 2-3 Stunden drauflegen, wenn er dann auch Vollzeit bezahlt wird.
Stundendeputat nach Fächern und Schulart fände ich gut. Gibt es das in Ansätzen nicht schon? Das Stundendeputat an weiterführenden Schulen ist geringer. Irgendwo auch bei korrekturintensiven Fächern.
Problem wäre, das kann sich ja jedes Schuljahr ändern. Manchmal auch mittendrin.
Genau, an der Grundschule ist das Unterrichten viel angenehmer als in der SEK 2, das weiß doch jeder.
Wie Sie ja selbst schreiben, ändern sich dauernd tausend Dinge, was also soll man da festlegen?
Grüße von der entspannten Basis (28 Stunden Deputat, richtig so!!)
Okay, wie regeln Sie dann den unterschiedlichen Aufwand bei unterschiedlichen Kursgrößen? Meine Kollegin hat einen LK mit 5 SuS, ich einen GK mit 28 SuS im Korrekturfach. Na, wer sitzt wohl deutlich länger an den Korrekturen?
So ist es ja auch. Sachsen zeigt, auch wenn man das Ergebnis dann schlechtredet, das Ganze kann auch nach hinten losgehen. Die tatsächliche Arbeitszeit ist einfach soooo individuell, wir sind mit der pauschalen Anrechnung im Normalfall gut bedient und auch bei den anderen kommt das noch mit den Jahren!!!
Hat da jemand Angst, dass seine individuelle Minderleistung auffällt?
Klingt so.
“…gestützt auf Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts…”
Damit ist die Diskussion doch überflüssig. Wenn es wirklich so weit kommen sollte, dass bestimmte Tätigkeiten nicht erfasst werden dürfen, dann werden die eben auch nicht gemacht. Und bei Klassenfahrten und Co. werden dann eben die Arbeitsgerichte entscheiden.
Klar gibt es einige Kollegen, die weniger arbeiten, aber das geht doch auf die Knochen der anderen und muss erfasst werden. Wo liegt das Problem?
Ich will‘s auch wie mein Haseputz!!!
Gemeinsam gestartet, durch dick und dünn gegangen, Ref & Co
Jetzt verdient er doppelt, hat 3 Tage Homeoffice, Prämie und kann früher in Rente.
Warum hat sich im Lehrberuf nie etwas verändert?
Warum haben wir immer noch diese 41 Stunden???
Warum gehen wir mit 67 in den Ruhestand und woanders mit 60?
Warum haben wir eine Nullrunde gehabt und andere ganze 12 % rauf Pilot, Autos, Maschbau etc?
Wir brauchen dringend die 4 Tage Woche und den Ausbau von Hybridunterricht
🙂