LUDWIGSHAFEN. Rheinland-Pfalz’ Bildungsminister Sven Teuber (SPD) hat im Fall der Karolina-Burger-Realschule plus in Ludwigshafen Fehler eingeräumt – und Konsequenzen gezogen: Der in der Aufsicht zuständige Schulrat wurde abgelöst. Die CDU mutmaßt, dass es weitere Schulen im Land gibt, an denen die Gewalt überhandnimmt. Sie hat dafür ein Meldeportal eingerichtet, auf dem Missstände anonym gemeldet werden sollen. Auch Beschwerden über Lehrkräfte und Schulleitungen können dort nun abgegeben werden.

„Immer mehr Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler berichten von Angst, Respektlosigkeit und einem Klima, das mit dem, was Schule sein sollte, kaum noch etwas zu tun hat. Lehrkräfte trauen sich nicht, offen über Probleme zu sprechen – aus Sorge vor Konsequenzen. Eltern verzweifeln, weil sie das Gefühl haben, niemand hört ihnen zu. Und Kinder erleben, dass Konflikte und Gewalt zum Alltag geworden sind.“
Mit diesem Statement reagiert die CDU Rheinland-Pfalz auf die Vorfälle an der Karolina-Burger-Realschule plus in Ludwigshafen – genauer: auf Berichte von Lehrkräften über zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit in der Schülerschaft. Die Reaktion der Christdemokraten: Sie haben ein Meldeportal eingerichtet, das sich an Lehrkräfte, Eltern sowie Schülerinnen und Schüler richtet und über das Missstände an weiteren Schulen im Land anonym gemeldet werden sollen. „Mit diesem Meldeportal geben wir all jenen eine Stimme, die bisher keine hatten“, heißt es.
Das Problem: Die CDU ruft darin auch ausdrücklich dazu auf, vermeintliches Fehlverhalten von Lehrkräften und Schulleitungen anonym zu melden. Angekreuzt werden kann: „mangelnde Unterstützung durch Schulpersonal oder Behörden“. Ein Freitextfeld eröffnet die Möglichkeit, namentlich benannte Personen anonym zu benennen. Das Modell ist bekannt – von der AfD.
Vor einigen Jahren bereits schalteten Landtagsfraktionen der Rechtsaußen-Partei „Meldeportale“, über die Schüler und Eltern anonym parteikritische Lehrkräfte melden sollten. 2024 startete die AfD-Fraktion in Niedersachsen einen neuen Versuch – diesmal mit einer eigenen E-Mail-Adresse statt eines Online-Formulars. Kürzlich gab es laut GEW einen Vorstoß zu einem Meldeportal in Sachsen, zudem versuche die AfD in Thüringen, mit einem Meldeportal „Gewalt an Schulen“ Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Unterdessen hat der rheinland-pfälzische Bildungsminister Sven Teuber (SPD) Fehler bei der Schulaufsicht eingeräumt. Wie der SWR berichtet, sagte Teuber nach Beratungen im Bildungsausschuss, dass „jahrelang zu wenig reagiert“ worden sei. Wörtlich erklärte er: „In dem Fall ist tatsächlich für diese Schule jahrelang zu wenig reagiert worden und nicht so gewürdigt worden, wie es hätte der Fall sein sollen.“ Laut Welt hatte er im Ausschuss erklärt, dass es in der zuständigen Schulaufsicht bereits eine personelle Konsequenz gegeben habe: Ein für die Region verantwortlicher Schulrat sei abgelöst worden.
Teuber ordnete die Vorgänge zugleich in einen größeren Zusammenhang ein. Laut SWR sagte er, die Vorfälle seien Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung: „Diese gesellschaftliche Verrohung und tatsächlich auch Entgrenzung von Regeln macht in so einem Fall auch bei einem Lehrer oder einer Lehrerin nicht Halt. Das ist schrecklich und da müssen wir auch als Staat null Toleranz walten lassen – und ordnungsrechtlich und strafrechtlich alles verfolgen.“ Außerdem wird er mit der Aussage zitiert: „Jeder Angriff ist einer zu viel.“
„Die schwierige Situation an der Schule kann nicht kurzfristig aufgelöst werden. Die Probleme haben sich über Jahre hinweg aufgebaut“
Teuber wies auf besondere soziale Herausforderungen in Ludwigshafen hin. Unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Sozialisationen träfen dort aufeinander. „Dort, wo wir solche Herausforderungen haben, wird es auch in der Schule herausfordernder, damit umzugehen“, sagte er laut SWR.
Teuber kündigte an, die Karolina-Burger-Realschule personell zu stärken. Das Land steuere so um, dass Schulen mit besonderen Herausforderungen zusätzliche Unterstützung erhielten. Zugleich erklärte er laut SWR, dass die Strukturen im eigenen Verantwortungsbereich überprüft würden, um künftig schneller reagieren und Kommunikationswege sicher gestalten zu können. Teuber sagte: „Wir brauchen auch gleichzeitig die Sicherheit, dass dort, wo uns diese Hinweise erreichen, es gar nicht erst eskalieren muss.“ Teuber kündigte an, das Kollegium solle im Umgang mit herausfordernden Schülern auch besser geschult werden.
Laut Welt erklärte Teuber im Bildungsausschuss des Landtags, nach der Messerattacke auf eine Lehrerin im Mai hätten „alle Behörden vom ersten Tag an sofort die nötigen Maßnahmen ergriffen“. Die mutmaßliche Täterin befinde sich seitdem in stationärer Therapie, die Schulgemeinschaft werde psychologisch begleitet. Bereits jetzt, so die Zeitung, gebe es sieben Vollzeitkräfte, die an der Schule mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen arbeiten. Auf der anderen Seite fehlt es offenbar an personeller Kontinuität: in den vergangenen acht Jahren gab es dem Bericht zufolge drei Wechsel in der Schulleitung.
Nach Angaben der Zeitung wies Teuber darauf hin, dass auch die bauliche Situation der Schule schwierig sei. Es gebe zahlreiche bislang unkontrollierte Ein- und Ausgänge, und der Schulträger – die Stadt Ludwigshafen – habe hierfür „einige Hausaufgaben aufgeschrieben bekommen“. Gleichzeitig wolle Teuber die Vorfälle nicht verallgemeinert sehen. Die Welt zitiert ihn mit den Worten: „Die Probleme an dieser konkreten Schule dürfen nicht in eine allgemeine Debatte über Ludwigshafen oder über die Realschulen plus ausufern.“
Hoffnung auf eine schnelle Lösung machte der Bildungsminister laut Bericht indessen nicht. Teuber: „Die schwierige Situation an der Schule kann nicht kurzfristig aufgelöst werden. Die Probleme haben sich über Jahre hinweg aufgebaut.“ News4teachers
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