DSLK-Umfrage: Schulleitungen fehlt Zeit, Schule (entsprechend der Ansprüche) zu leiten

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DÜSSELDORF. Die Lage an Deutschlands Schulen bleibt angespannt – das bestätigt eine neue repräsentative forsa-Befragung unter mehr als 1.300 Schulleitungen, die der Verband Bildung und Erziehung anlässlich des Deutschen Schulleitungskongresses (DSLK) vorgestellt hat. Zeitnot, wachsende Arbeitsbelastung und weiterhin unbesetzte Lehrerstellen prägen das Bild. Nur an 47 Prozent der Schulen waren zum Start des Schuljahres 2025/26 alle Stellen besetzt. Im Durchschnitt fehlen bundesweit 1,4 Lehrkräfte pro Schule, an Förderschulen sogar 4,1. VBE-Vize Tomi Neckov fasst die Lage zusammen: „Diese Situation gefährdet die Bildungsrepublik.“

Atemlos. Illustration: Shutterstock

 

Alljährlich kommen in Düsseldorf rund 3.000 Schulleitungen aus ganz Deutschland zum DSLK zusammen – und seit 2018 führt der mitveranstaltende VBE aus diesem Anlass stets eine forsa-Umfrage in der Zielgruppe durch, um ein präzises Stimmungsbild aus der Praxis zu bekommen. Und das verdüstert sich, so der stellvertretende VBE-Bundesvorsitzende Tomi Neckov einleitend, bei den Rahmenbedingungen von Jahr zu Jahr.

Ein Schwerpunkt der diesjährigen Umfrage war die erstmals gestellte Frage, ob die Schulleitungen über genügend Leitungszeit verfügen, um ihre Schulen professionell führen und weiterentwickeln zu können. Das Ergebnis fällt eindeutig aus: Lediglich ein Prozent der Befragten hält die Leitungszeit für ausreichend. Neckov formuliert das grundsätzliche Problem so: „So kann Schule den Anforderungen, die an sie gestellt wird, nicht gerecht werden.“ Man fordere „keinen Luxus, sondern die Grundlage für gute Bildung“. Schulleitungen bräuchten Entlastung, Förderung und Unterstützung, damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden könnten. „Hinter all diesen Forderungen steckt der Wunsch nach mehr Zeit“, sagt er.

Dass diese Zeit fehlt, zeigt sich in der Beschreibung der Belastungsfaktoren. Viele Schulleitungen berichten von einem stetig wachsenden Aufgabenspektrum und zunehmenden Verwaltungsarbeiten. Fehlende Zeitressourcen, ein hoher Erwartungsdruck und die Vorstellung, Schulen müssten gesellschaftliche Probleme lösen, für die ihnen weder Mittel noch Zuständigkeiten bereitstehen, belasten die Betroffenen massiv. Neckov findet klare Worte: „Leider können wir keine Verbesserungen erkennen. Schulleitungen leiden seit Jahren unter den gleichen Missständen und eine Verbesserung lässt weiter auf sich warten.“ Angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen sei das fatal: „In Zeiten der Krise ist Stagnation kein Fort-, sondern ein Rückschritt.“

Der Lehrkräftemangel bleibt aus Sicht der Schulleitungen der Kern des Problems – und er trifft viele Schulen unverändert hart. Besonders die Förderschulen melden alarmierende Personalengpässe. Ein Viertel aller Schulleitungen rechnet damit, künftig „sehr stark“ vom Mangel betroffen zu sein, an Förderschulen sind es 43 Prozent. Neckov mahnt, die Politik dürfe sich nicht darauf verlassen, „dass es in ein paar Jahren möglicherweise besser werden soll“. Er fordert konkrete Schritte im Hier und Jetzt: „Wir brauchen die Entlastung jetzt und nicht später.“

Eine nachhaltige Verbesserung sei nur möglich mit besseren Arbeitsbedingungen, mehr Gestaltungsspielraum, einer zeitgemäßen Ausbildung für Lehrkräfte, angemessener Bezahlung und einem flächendeckenden Einsatz multiprofessioneller Teams. Für Förderschulen sei eine besondere Aufmerksamkeit erforderlich. Das Startchancenprogramm sei „ein sehr guter Ansatz – die Bürokratie, die dahintersteckt, leider nicht“.

„Die Bildungsministerien können froh und dankbar sein, dass Schulleitungen nicht das Handtuch werfen“

Zum ersten Mal wurde auch erfasst, warum Schulleitungen trotz schwieriger Bedingungen im Amt bleiben – selbst dann, wenn sie ihren Beruf nicht mehr aktiv empfehlen würden. Für viele stehen die Schülerinnen und Schüler im Mittelpunkt, andere nennen das Kollegium oder ihren eigenen Gestaltungswillen. Neckov kommentiert das mit Schärfe: „Die Bildungsministerien können froh und dankbar sein, dass Schulleitungen trotz all der Herausforderungen und Krisen nicht das Handtuch werfen. Sie machen weiter: Im Sinne der Schülerinnen und Schüler, aufgrund des starken Teams, das sie leiten, oder aufgrund ihres unbedingten Willens, Schule doch noch positiv gestalten zu können.“

Ein weiterer neuer Bereich der Befragung betrifft die staatlichen Fortbildungsangebote. Viele Schulleitungen wünschen sich feste Zeitfenster, verlässlichere Strukturen und inhaltlich besser ausgerichtete Angebote. Die Qualität der bestehenden Formate sowie ein zu knappes Budget werden häufig kritisiert. Auch hier wird deutlich, wie sehr die Schulleitungen auf verlässliche Rahmenbedingungen angewiesen sind, um ihre Aufgaben nachhaltig erfüllen zu können.

Die Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik ist entsprechend hoch. Mehr als acht von zehn Schulleitungen sind „eher oder sehr unzufrieden“. Besonders schwer wiegt aus Sicht der Betroffenen, dass politische Entscheidungen die Lebenswirklichkeit in den Schulen nicht ausreichend berücksichtigen. Fehlende finanzielle und personelle Ausstattung, unzureichender Rückhalt und zu viel Bürokratie prägen die Kritik.

Neckov formuliert einen umfassenden Appell: „Wir brauchen eine nachhaltige Bildungspolitik, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Schulen deutlich verbessert.“ Dazu gehörten mehr Leitungszeit und Anrechnungsstunden, gezielte Fortbildungen, multiprofessionelle Teams und ein entschlossener Bürokratieabbau. Die Politik müsse die Stimme der Schulleitungen ernst nehmen und „echte Handlungsspielräume schaffen“. News4teachers 

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