Knigge-Rat sieht Nachholbedarf: Schüler sollen Benimm-Regeln für das Netz erarbeiten

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WETZLAR. Knigge? Ein uralter Benimm-Ratgeber ohne Bedeutung für heute? Das sieht der Deutsche Knigge-Rat anders. Er hat Schülerinnen und Schüler eingeladen, Regeln für eine respektvolle Debattenkultur im Internet zu erarbeiten. Da sieht das ehrenamtliche Gremium wachsenden Handlungsbedarf. 

Netzdebatte. Illustration: Shutterstock

Die Umgangsformen in der Gesellschaft haben sich nach Einschätzung des Deutschen Knigge-Rates während seines 20-jährigen Bestehens deutlich geändert – nun feiert er sein Jubiläum mit einer Beratung durch Schüler. In der Goetheschule in Wetzlar, dem größten Oberstufengymnasiums Hessens, will der ehrenamtliche Knigge-Rat am Mittwoch (26. November 2025) mit Jugendlichen einen Leitfaden zu einer respektvollen Debattenkultur in den sozialen Medien erarbeiten. Das teilt der Vorsitzende Jonathan Lösel mit.

In den Umgangsformen zeige sich «eine deutliche Verschiebung von wertschätzender Höflichkeit hin zu gereizten Empfindsamkeit», sagt der Coach für Stil und Werte im bayerischen Bamberg. Die Menschen reagierten schneller verletzt und fühlten sich rascher angegriffen als noch zuzeiten der Gründung des Knigge-Rates vor zwei Jahrzehnten. «Gleichzeitig schwindet unsere Fähigkeit, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und souverän zu verarbeiten. Jeder möchte respektiert werden, doch immer weniger Menschen antworten selbst respektvoll», erklärt der 36-jährige Knigge-Rat-Vorsitzende Lösel.

«Digitales Mobbing, harsche Kommentare»

Die Kommunikation der Bürgerinnen und Bürger habe sich durch die Digitalisierung stark verändert: «Die Aufmerksamkeit und Achtsamkeit schrumpfen und die Geduld nimmt ab.» Gleichzeitig senke die Anonymität im Netz die Hemmschwelle. «Digitales Mobbing, harsche Kommentare und ein rauerer Umgangston sind zur Schattenseite unserer vernetzten Welt geworden», stellt Lösel fest.

«Während sich unsere Lebensrealität immer weiter in digitale Räume verlagert, steigt zugleich die Sehnsucht nach echter menschlicher Begegnung und der Schönheit des Analogen», ergänzt er. Entschleunigung und bewusste Unerreichbarkeit würden zum Luxusgut der Zukunft werden.

«Wie mache ich es richtig?»

Die vergangenen Jahrzehnte hätten viel Freiheit ins soziale Miteinander gebracht, mit weniger starren Regeln und einer größeren Vielfalt an Lebensstilen. Zugleich ist die Gesellschaft laut Lösel unsicherer geworden. Immer öfter werde die Frage gestellt: «Wie mache ich es richtig?»

Hier setze der Deutsche Knigge-Rat mit seinen Empfehlungen an. «Es geht nicht um Regeln um der Regeln willen, sondern um Werkzeuge, die das Miteinander erleichtern, Orientierung schaffen und Beziehungen stärken», erläutert der Experte.

Empfehlungen zum Umgang mit bettelnden Menschen

Der Knigge-Rat hat Empfehlungen zu verschiedenen Themen erarbeitet, beispielsweise zum Umgang mit bettelnden Menschen, zum modernen Small Talk und zum angemessenen Verhalten in Apotheken.

Während das Buch «Über den Umgang mit Menschen» von Adolph Freiherr Knigge (1752–1796) heute eher als Benimm-Ratgeber betrachtet werde, sei es diesem Schriftsteller der Aufklärung nicht um richtig oder falsch, sondern um eine zugewandte Herzenshaltung gegangen, erklärt der nach ihm benannte Deutsche Knigge-Rat, dem bundesweit Experten verschiedener Berufe angehören.

Diese Wertschätzung füreinander gelte es ebenso «im 21. Jahrhundert mit Leben zu füllen» – nun auch mit Hilfe von Schülerinnen und Schülern und ihrer Kompetenz im digitalen Raum. News4teachers / mit Material der dpa

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Rainer Zufall
3 Stunden zuvor

“Obdachlose Menschen haben in aller Re-
gel immense Schwierigkeiten, einen Job
zu finden. Die weit verbreitete Vorstellung,
dass sie einfach arbeiten könnten, igno-
riert das. Ein entscheidender Faktor ist der
Teufelskreis von “ohne Wohnung keinen
Job, und ohne Job keine Wohnung.””

Na da sollte jemand mal das n4t-Forum lesen, da wissen die Sozialarbeiter, dass der Staat bei den “Faulen” endlich “hart durchgreifen muss” (augenroll)

Auf der anderen Seite: 25 Seiten, ob man bettelnden Menschen Geld geben soll? Wird da jemand nach dem Wort bezahlt?