Mogelpackung Sondervermögen: Werden damit Hauhaltslöcher gestopft – statt endlich genug in Schulgebäude zu investieren?

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BERLIN. Mit 500 Milliarden Euro wollte die Bundesregierung eigentlich den Investitionsstau in Deutschland angreifen – marode Schulen, bröckelnde Brücken, veraltete Schienennetze: All das sollte mit dem „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität“ endlich saniert oder modernisiert werden. Doch was als großer Aufbruch verkauft wurde, entpuppt sich nach neuen Berechnungen von Wirtschaftsforscher*innen zunehmend als gigantischer Etikettenschwindel. Denn: Rund die Hälfte des Geldes landet offenbar gar nicht in Infrastrukturprojekten – und damit auch nicht in den dringend benötigten Sanierungsprogrammen für Schulen.

Nichts drin? (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

Nach einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird bis 2029 nahezu jeder zweite Euro zweckentfremdet. Von den 271 Milliarden Euro an neuen Krediten, die bis dahin aus dem Sondervermögen fließen sollen, würden bis zu 133 Milliarden nicht für zusätzliche Projekte eingesetzt – sondern zum Stopfen von Haushaltslöchern, so die Kritik.

Dabei sei der ursprüngliche Anspruch klar gewesen: Das Sondervermögen sollte zusätzlich investieren – nicht bestehende Mittel ersetzen. Doch Union und SPD nutzten „eine ganze Reihe von Tricks“, wie das IW schreibt. Schon die gesetzliche Definition der „Zusätzlichkeit“ sei lax ausgestaltet, die Bundesregierung rechne sich die Quote schön und beziehe etwa Verteidigungsinvestitionen ein, obwohl diese vom engen Korsett der Schuldenbremse ohnehin ausgenommen sind.

Noch schwerer wiegt laut IW, dass bereits geplante Ausgaben schlicht ins Sondervermögen verschoben würden – darunter Mittel für Brücken, Krankenhäuser oder eben auch Schulen. Beispiel 2026: Sechs Milliarden Euro für Krankenhäuser, die ursprünglich Länder und Krankenkassen finanzieren sollten, bucht der Bund nun über das Sondervermögen.

IW-Ökonom Tobias Hentze warnt eindringlich: „Mit diesem Verschiebebahnhof gefährden Bund und Länder die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.“ Es sei „grundsätzlich richtig“, mit einem Sondervermögen marode Infrastruktur zu modernisieren. Tatsächlich würden damit jedoch zum Teil Haushaltslöcher gestopft und Wunschprojekte der Regierung wie die Mütterrente finanziert. Die Politik müsse das Versprechen einlösen, zusätzliche Investitionen auf den Weg zu bringen – „sonst vergibt sie die Chance auf langfristiges Wachstum“.

Ifo-Institut: „Mogelpackungen“ statt echter Investitionen

Auch das Ifo-Institut schlägt Alarm – mit Blick auf den Bundeshaushalt 2026. Dort werden zwar 56 Milliarden Euro als Investitionen ausgewiesen. Doch der investive Charakter vieler Posten sei „zweifelhaft“. Ifo-Forscherin Emilie Höslinger spricht von „verdeckten Zuschüssen“, die lediglich als Investitionen etikettiert würden.

Gerade Maßnahmen, die aus Sicht der Wirtschaft echte Investitionen darstellen – also Ausgaben, die langfristig Wachstum und Produktivität steigern, etwa Sanierungen von Schulgebäuden –, seien massiv unterrepräsentiert. Der Anteil klassischer Bauinvestitionen sei von 20 Prozent vor der Pandemie auf nur noch etwa 10 Prozent gefallen. Die Folgen seien fatal: „Die vielen und zum großen Teil nicht eindeutig benannten Positionen verzerren das Bild staatlicher Investitionstätigkeit und erschweren eine ehrliche Diskussion über die Zukunftsfähigkeit der öffentlichen Finanzen“, so Höslinger.

Kommunale Realität: Schulgebäude in dramatischem Zustand

Unterdessen verschärft sich die Lage in den Kommunen weiter – besonders im Bildungsbereich. Das KfW-Kommunalpanel hat erst im Juli einen neuen Rekord-Investitionsstau bei Schulgebäuden festgestellt: 67,8 Milliarden Euro.

56 Prozent der Kommunen melden einen „nennenswerten oder gravierenden“ Rückstand bei ihren Schulen, in Großstädten sind es sogar fast 90 Prozent. Besonders alarmierend: Immer mehr Kommunen können sich nicht einmal mehr den regulären Unterhalt ihrer Schulgebäude leisten. Der Anteil der Städte und Gemeinden, die hierfür kaum noch Mittel haben, ist innerhalb eines Jahres von elf auf 17 Prozent gestiegen. Mit Blick auf kommende Jahre zeigt sich ein düsteres Bild: Mehr als 90 Prozent der Kommunen erwarten eine Verschlechterung ihrer Haushaltslage – und damit eine weiter wachsende Sanierungslücke.

Und was bedeutet das für die Schulen? Nichts Gutes

Dabei werden genau sie eigentlich als Gewinner des Sondervermögens gehandelt. KfW-Chefvolkswirt Dirk Schumacher hatte noch im Sommer gesagt, das Sondervermögen könne eine „Chance“ sein, die Schulträger bei den kommenden Herausforderungen – etwa dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung ab 2026 – zu stützen. Doch wenn – wie IW und Ifo zeigen – Milliarden aus dem Infrastrukturtopf in andere politische Projekte verschoben werden, schrumpft der Spielraum für echte Bildungsinvestitionen. News4teachers 

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Mr X
4 Stunden zuvor

Wer konnte das nur ahnen.
Es ist einfach nur katastrophal wie die aktuellen Politiker das Vertrauen in den deutschen Staat erschüttern.
Und das hier ist leider nur ein Beispiel.

Opossum
3 Stunden zuvor
Antwortet  Mr X

Bei Steuererhöhungen wird es immer über Schulen, Straßen, Krankenhäusern geredet, bei Geldausgabe wird das alles plötzlich am ender der Prioritäten Kette

Realist
3 Stunden zuvor
Antwortet  Opossum

“Bildungsrepublik Deutschland”. Kann mich noch genau daran erinnern: Hing beim Bundestagswahlkampf an jeder zweiten Straßeneecke:
https://www.ardmediathek.de/video/phoenix-review/bildungsrepublik-deutschland/phoenix/Y3JpZDovL3Bob2VuaXguZGUvNDg5MDg3Nw

Das war 2008. Die Zeiten ändern sich in dieser Hinsicht scheinbar nie…

ed840
2 Stunden zuvor
Antwortet  Opossum

Zumindest wer Sachaufwandsträger für die Schulen ist, dürfte den Lehrkräften hier vermutlich bekannt sein.

Realistin
3 Stunden zuvor

Man mogelt sich jetzt eher an der rechtmäßigen Bezahlung für Lehrkräfte herum.
Die Tarife erst nach über einem halben Jahr an Beamte zu übertragen, wird zwar einsparen, aber auch viele neue junge Mathe, Chemie und Deutschlehrer in andere Berufe treiben.
Dann bleibt der Lehrermangel eklatant.
Warum?
Schlechte Bezahlung
noch keine 4-Tage Woche
kein Homeoffice, deshalb 30 % Homeschooling ausbauen, Digitalunterricht
und endlich die DB & GK online anbieten!


Petra OWL
2 Stunden zuvor

dann lieber ab ins Homeoffice, wenn die Gebäude marode, einsturzgefährdet oder im Winter zu kalt sind. Dazu kommt die Virenlast im Winter bei 30 Leuten im Raum.
Gut, Lehrer verdienen auch nichts mehr wirklich, aber mit 4 Tage Woche und etwas Homeoffice ist geholfen, Freunde
Eure Petra aus dem nebligen Lipperland

AvL
39 Minuten zuvor
Antwortet  Petra OWL

Ihre Äußerungen über Homeschooling vermitteln immer wieder im öffentliche Raum einen falschen Eindruck von der Arbeitseinstellung von Lehrpersonen.

Andreas Schwichtenberg
36 Minuten zuvor