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COPSY-Studie: Krisen setzen Schülern massiv zu – die Folgen: Leistungsabfälle und mehr Konflikte in der Schule

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HAMBURG. Krieg, Terror, wirtschaftliche Instabilität, Klimakrise – aber auch die Spaltung der Gesellschaft und die migrationspolitischen Debatten: All diese Themen lasten auf Schülerinnen und Schülern, beeinflussen ihr Wohlbefinden und erschweren vielen den Alltag in der Schule. Besonders besorgniserregend: Die psychische Gesundheit der jungen Menschen hat sich – rund fünf Jahre nach Beginn der Pandemie – immer noch nicht wieder erholt. Das sind Ergebnisse der achten Befragungsrunde der COPSY-Studie.

Rückzug. (Symbolbild.) Illustration: Shutterstock

Die junge Generation in Deutschland blickt so sorgenvoll in die Zukunft wie seit Jahren nicht mehr – und dieser Zustand macht sich längst im Schulalltag bemerkbar. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) legt mit der achten Befragungsrunde der COPSY-Studie neue Zahlen vor, die zeigen, wie tief globale Krisen, gesellschaftliche Konflikte und persönliche Unsicherheiten in das Leben von Kindern und Jugendlichen hineingreifen.

Die Daten sprechen eine klare Sprache. 22 Prozent der Kinder und Jugendlichen geben an, eine geminderte Lebensqualität zu haben. Damit bleibt der Wert deutlich höher als vor der Pandemie, als die BELLA-Studie im Zeitraum 2014 bis 2017 wesentlich stabilere psychische Gesundheit dokumentierte. Die Lebensqualität war im ersten Pandemie-Jahr 2020 drastisch eingebrochen, hatte sich 2022 und 2023 langsam erholt – und stagniert nun seit zwei Jahren auf einem Niveau, das messbar schlechter ist als zuvor.

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Auch die Einsamkeit, eines der zentralen Probleme der Pandemiezeit, ist zwar zurückgegangen, aber weiterhin spürbar: Während sich 2020 noch 39 Prozent der jungen Menschen einsam fühlten, liegt der Wert aktuell bei 18 Prozent – ein Fortschritt, jedoch noch deutlich vom präpandemischen Niveau von 14 Prozent entfernt.

„Unsere COPSY-Studie zeigt immer noch eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu den präpandemischen Daten“

Gleichzeitig verstärken sich die psychischen Belastungen: Mädchen und junge Frauen ab 14 Jahren sind besonders stark betroffen. Nach dem vergleichsweise ruhigeren Vorjahr zeigt die Studie jetzt wieder eine deutliche Zunahme. Der Anteil von Betroffenen mit depressiven Beschwerden ist von 11 auf 17 Prozent gestiegen, und der Anteil derjenigen mit Angstsymptomen von 20 auf 31 Prozent. Diese Entwicklung, so die Forscherinnen und Forscher, manifestiert sich zunehmend im schulischen Kontext – etwa in Leistungsabfällen, Rückzugstendenzen oder Konflikten im sozialen Miteinander.

„Unsere COPSY-Studie zeigt immer noch eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu den präpandemischen Daten“, sagt Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der Studie und der Forschungssektion Child Public Health am UKE. Sie betont, dass die psychischen Belastungen bei einem beachtlichen Teil der Schülerinnen und Schüler zwar sichtbar sind, jedoch nicht automatisch eine klinische Behandlung notwendig machen. Doch die Warnung ist deutlich: Die Belastungen bleiben hoch und treffen zunehmend große Gruppen von jungen Menschen – und damit zwangsläufig auch die Schulen.

Neu an dieser Befragung ist der Blick auf gesellschaftliche Diskurse, die Kinder und Jugendliche gegenwärtig stark beschäftigen. Während die Pandemie selbst kaum noch eine Rolle spielt, greifen nun politische Konflikte und globale Ereignisse in die Gefühlswelt der jungen Menschen ein. 70 Prozent sorgen sich wegen der vielen Kriege, 62 Prozent wegen Terrorismus, 57 Prozent wegen wirtschaftlicher Unsicherheit und 49 Prozent wegen der Klimakrise. Zusätzlich zeigt die Studie erstmals, wie stark gesellschaftliche Spannungen wirken: 56 Prozent der Befragten geben an, sich wegen einer möglichen Spaltung der Gesellschaft Sorgen zu machen, 51 Prozent nennen Zuwanderung als belastendes Thema.

„Diese globalen Sorgen und gesellschaftlichen Diskussionen führen bei vielen jungen Menschen zu mehr Ängsten und Belastungen“

Diese Belastungen haben erhebliche Folgen. Dr. Anne Kaman, Erstautorin der Studie und stellvertretende Leiterin der Forschungssektion Child Public Health, weist darauf hin, dass gesellschaftliche Themen nicht nur abstrakt erlebt werden, sondern konkrete emotionale Reaktionen auslösen. „Diese globalen Sorgen und gesellschaftlichen Diskussionen führen bei vielen jungen Menschen zu mehr Ängsten und Belastungen“, sagt sie.

Besonders deutlich sei der Zusammenhang zwischen krisenbezogenen Zukunftsängsten und psychischer Gesundheit: „Kinder und Jugendliche, die unter krisenbezogenen Zukunftsängsten leiden, haben ein 3,4 mal höheres Risiko für psychische Auffälligkeiten, Ängste, depressive Symptome und Einsamkeit.“

Kaman macht zudem auf ein Phänomen aufmerksam, das Schulen seit Jahren beschäftigt: die übermäßige Exposition durch digitale Medien. Schülerinnen und Schüler „sind über soziale Medien häufig mit ungefilterten oder belastenden Inhalten konfrontiert, was diese Entwicklungen weiter verstärken. Kinder und Jugendliche brauchen eine gute Medienkompetenz, um Inhalte einzuordnen und ihre Nutzung regulieren zu können.“ Dieses Problem reiche weit in den Unterricht hinein – etwa wenn Fehl- oder Desinformationen die Klassenzimmer erreichen oder emotionale Überforderung in Gruppen spürbar wird.

Ein weiteres Thema, das für die Schulpraxis zunehmend relevant wird, ist der Umgang junger Menschen mit künstlicher Intelligenz. Die COPSY-Ergebnisse zeigen: KI ist längst ein fester Bestandteil des Alltags. 77 Prozent nutzen sie zur Unterstützung beim Lernen oder den Hausaufgaben – ein stark schulbezogener Befund, der zeigt, dass digitale Hilfsmittel die Unterrichtskultur der kommenden Jahre maßgeblich prägen werden. Daneben steht der spielerische Einsatz: 66 Prozent nutzen KI aus Spaß, 56 Prozent aus Neugier, 26 Prozent erstellen Bilder oder Videos damit. Der emotionale Gebrauch ist hingegen minimal ausgeprägt. „Wir haben mit Erleichterung festgestellt, dass nur ein sehr kleiner Teil von sieben Prozent der Kinder und Jugendlichen KI nutzt, um über persönliche Sorgen zu sprechen“, sagt Dr. Kaman. Das deute darauf hin, dass KI – zumindest bislang – keine Rolle als emotionaler Ansprechpartner für junge Menschen spiele.

Die COPSY-Daten beleuchten auch die sozialen Bedingungen, die psychische Gesundheit stärken oder schwächen. Kinder, die Selbstwirksamkeit erleben, in stabilen sozialen Verhältnissen leben und auf unterstützende familiäre Strukturen zurückgreifen können, zeigen deutlich robustere psychische Gesundheit. Sie berichten seltener von Angst oder Depression.

„Diese Stärken müssen wir gezielt fördern, idealerweise schon in der Schule, um ihre mentale Gesundheit nachhaltig zu verbessern“

Das Gegenteil gilt für Kinder aus belasteten oder bildungsfernen Haushalten – Gruppen, die Schulen besonders häufig begleiten. „Unsere Daten zeigen, dass diese Kinder häufiger Ängste, depressive Symptome und eine geringere Lebensqualität haben“, so Ravens-Sieberer. Für sie brauche es „niedrigschwellige Angebote in Schulen und im sozialen Umfeld“, um soziale und gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern. Damit richtet sich der Blick erneut auf das Bildungssystem – als Ort, an dem Schutzfaktoren gestärkt und Belastungen früh erkannt werden können.

Am Ende zeigt die COPSY-Studie jedoch auch einen Aspekt, der in der dramatischen Gesamtlage möglicherweise einen Hoffnungsschimmer bringt: Viele Kinder und Jugendliche verfügen über starke Bewältigungsstrategien. Trotz der Belastungen entwickeln sie Ressourcen, die ihnen helfen, Krisen zu meistern. Prof. Ravens-Sieberer schlussfolgert mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler daraus: „Diese Stärken müssen wir gezielt fördern, idealerweise schon in der Schule, um ihre mentale Gesundheit nachhaltig zu verbessern.“ News4teachers 

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