Kopftuch für Schülerinnen verbieten? Kultusminister: Kein drängendes Problem in Schulen

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WIEN. Nach dem Beschluss des österreichischen Parlaments, ein Kopftuchverbot für Schülerinnen unter 14 Jahren einzuführen, fielen Reaktionen in Deutschland darauf auffallend leise aus. Das Schweigen hat einen handfesten verfassungsrechtlichen Grund – das Grundgesetz steht einem Verbot entgegen. Allerdings lässt sich der Verzicht darauf auch praktisch begründen: Das Kopftuch ist in Schulen schlicht kein ernsthaftes Problem, wie Hessens Kultusminister unlängst erst feststellte.

Mädchen vor Unterdrückung bewahren – indem man ihnen ein Kleidungsstück verbietet? (Symbolfoto.) Foto: Shutterstock

Kopftuchverbot für Schülerinnen? Die Debatte ploppt immer wieder auch in Deutschland hoch. Bereits vor acht Jahren kam der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages in einer ausführlichen Ausarbeitung allerdings zu dem Ergebnis, dass ein solches Verbot wohl am Bundesverfassungsgericht scheitern dürfte – zu deutlich seien die Hinweise, die in früheren Urteilen aus Karlsruhe zu finden sind.

Der Wissenschaftliche Dienst stellt in dem Papier zunächst klar, dass das Tragen eines Kopftuchs grundsätzlich vom Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst ist. Das Grundgesetz schütze nicht nur den inneren Glauben, sondern auch dessen äußere Bekundung. Wörtlich heißt es: „Auch das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten, gehört dazu. Gleichfalls wird das Tragen bestimmter, den Grundsätzen einer Religionsgemeinschaft entsprechender Kleidung von Art. 4 GG geschützt.“ Das Tragen eines in typischer Weise gebundenen Kopftuchs lasse sich „als islamisch-religiös begründete Glaubensregel dem Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG hinreichend plausibel zuordnen“.

„Dem Staat ist es verwehrt, die Glaubensüberzeugungen der Bürger zu bewerten oder als ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ zu beurteilen“

Dabei sei unerheblich, dass es innerhalb des Islams unterschiedliche Auffassungen über die Verbindlichkeit des Kopftuchs gebe. Entscheidend sei vielmehr, dass diese Auffassung „unter den verschiedenen Richtungen des Islams verbreitet“ sei. Der Staat dürfe Glaubensüberzeugungen nicht bewerten oder als richtig oder falsch einordnen. Wörtlich heißt es: „Dem Staat ist es dabei aber verwehrt, die Glaubensüberzeugungen der Bürger zu bewerten oder als ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ zu beurteilen.“

Zugleich setzt das Papier klare Grenzen für staatliche Eingriffe. Da die Religionsfreiheit vorbehaltlos gewährleistet ist, seien Einschränkungen nur zulässig, wenn kollidierende Grundrechte oder Verfassungsgüter von gleichem Rang vorlägen. Wörtlich heißt es: „Die Einschränkungen eines vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts dürfen nicht formelhaft mit allgemeinen Zielen wie etwa dem ‚Schutz der Verfassung‘ oder der ‚Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege‘ gerechtfertigt werden.“ Das gelte auch bei Kindern. Zwar würden sie bis zur Religionsmündigkeit im Rahmen der elterlichen Sorge vertreten, doch auch das religiöse Erziehungsrecht der Eltern sei grundrechtlich geschützt.

Ein Kopftuch, das das Gesicht frei lässt, behindere weder Kommunikation in der Schule noch die Unterrichtsteilnahme. Deshalb kommt der Wissenschaftliche Dienst zu dem Schluss: „Folglich ließe sich ein generelles Kopftuchverbot für Schülerinnen wohl nicht mit dem staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag gemäß Art. 7 Abs. 1 GG rechtfertigen.“ Das gelte unabhängig vom Alter der Schülerin oder davon, ob sie eine Grund- oder weiterführende Schule besuche. Auch das Neutralitätsgebot des Staates rechtfertige kein pauschales Verbot. Der Staat verstoße nicht gegen seine Neutralität, wenn er das Tragen eines Kopftuchs durch Schülerinnen hinnehme.

Am Ende fasst der Wissenschaftliche Dienst unmissverständlich zusammen: „Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass ein generelles landesweites Verbot für Schülerinnen, ein Kopftuch zu tragen, das das Gesicht frei lässt, verfassungsrechtlich wohl nicht zulässig wäre.“

„Erster Minister will Kopftuchverbot in Schulen auch bei uns!“ – „Das ist überhaupt kein Thema derzeit für uns“

Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum die Debatte um ein Kopftuchverbot für Schülerinnen in Hessen so schnell wieder verstummte, als sie im September aufkam. Ausgelöst worden war sie durch den hessischen Europaminister Manfred Pentz (CDU), der sich in der Bild-Zeitung für eine Übernahme der seinerzeit beratenen österreichischen Regelung ausgesprochen hatte. „In Deutschland sollte man ernsthaft die Übernahme der Regelung prüfen“, wurde Pentz zitiert. Die Schlagzeile lautete: „Erster Minister will Kopftuchverbot in Schulen auch bei uns.“

Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) reagierte ungewöhnlich scharf und nahm den Vorstoß umgehend von der Tagesordnung. „Das ist überhaupt kein Thema derzeit für uns“, sagte Rhein auf Nachfrage des Hessischen Rundfunks – und stellte klar: „Die Richtlinien der hessischen Politik bestimmt immer noch der hessische Ministerpräsident.“ Auch Kultusminister Armin Schwarz (CDU) machte deutlich, dass er keinen Handlungsbedarf sieht. Das Kopftuch werde in den Schulen nicht als Problem wahrgenommen, „das in irgendeiner Form drängend wäre“.

Pentz selbst ruderte daraufhin zurück. Während er in der Boulevardzeitung noch von der „freien Entfaltung junger Mädchen“ gesprochen hatte, beschränkte er sich später auf den Hinweis, er halte das Thema lediglich „grundsätzlich für nachdenkenswert“. Mehr wollte er nicht mehr sagen.

In Wien beschloss das österreichische Parlament gestern dann die Gesetzesänderung, die vorsieht, dass muslimische Mädchen unter 14 Jahren künftig kein Kopftuch mehr in der Schule tragen dürfen. Das Gesetz soll zu Beginn des Schuljahres 2026/2027 in Kraft treten. Bereits ab Februar ist eine vorbereitende Aufklärungsphase an den Schulen geplant.

Das Verbot richtet sich ausdrücklich gegen ein „Kopftuch, welches das Haupt nach islamischen Traditionen verhüllt“. Bei Verstößen sind zunächst Gespräche vorgesehen, später kann die Schulbehörde eingeschaltet werden. Als letzte Konsequenz drohen Geldstrafen zwischen 150 und 800 Euro für die Eltern. Familien- und Integrationsministerin Claudia Plakolm sprach im Parlament von einem „historischen Schritt zum Schutz von Mädchen“. Das Kopftuch sei „kein harmloses Stück Stoff“, sondern „ein Zeichen der Unterdrückung“.

Ob das Verbot allerdings vor dem Verfassungsgerichtshof Bestand haben wird, ist fraglich. Islamverbände kündigten umgehend eine Klage an. Tatsächlich war eine frühere Regelung aus dem Jahr 2019 vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden, weil sie ausschließlich muslimische Kinder betraf. Jetzt wird das Gesetz mit dem Schutz der Mädchen begründet – ob das einen Unterschied macht? News4teachers 

Österreich verbietet Kopftuch für Schülerinnen unter 14 (“Zeichen der Unterdrückung”)

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OMG
2 Tage zuvor

Es ist erstaunlch, wioe zielsicher Armin Schwarz Probleme in den Schulen in Hessen nicht erkennt. Respekt dafür

dickebank
1 Tag zuvor
Antwortet  OMG

Wäre es anders, ihm würde Schwarzmalerei vorgeworfen

Rainer Zufall
2 Tage zuvor

Ja… die große “Sorge”, dass Kinder mit einem Kopftuch vormittags unterdrückt werden, nachmittags natürlich egal…
Bleibt abzuwarten, was das Verfassungsgericht in Österreich (wieder?) dazu sagen wird.

Aber es freut mich, dass Herr Rhein Tacheles spricht, dass es größere ECHTE Probleme gibt, als populistischem Unsinn hinterher zu rennen. Go, CDU Hessen! 😀

Bla
1 Tag zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Ich mache mal auf “Rainer”:
“Ja… die große “Sorge”, dass Kinder mit einem Kopftuch vormittags unterdrückt werden, nachmittags natürlich egal…”

Also sind Sie für eine vollumfängliche Unterdrückung lieber?

dickebank
1 Tag zuvor
Antwortet  Bla

Archimedisches Prinzip
Je größer die Gewichtskraft desto größer der Auftriebskraft. Ist also gar nicht so einfach mit der vollumfänglich Unterdrückung.

Rainer Zufall
1 Tag zuvor
Antwortet  Bla

Ich hoffe doch eindrücklich, dass wenn Sie eine Form von Unterdrückung bei Ihren Schüler:innen wahrnehmen, entsprechend reagieren und dies nicht als Privatsache abtun.

Wenn ich mich hier irre, würde dies Ihre Einstellung erklären, dass Probleme automatisch ignoriert würden…

Rainer Zufall
23 Stunden zuvor
Antwortet  Bla

Achja, bei angeblich “vollumfänglicher Unterdrückung” könnte es ja auch einfach ein generelles Kopftuchverbot geben.

Das Kultusministerium sieht laut Artikel “kein drängendes Problem”. Vielleicht wollen Sie Ihren Impuls, anderen Menschen den Glauben vorzuschreiben, wieder wegpacken 😉

Hans Malz
19 Stunden zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Die kleinen Mädchen werden für Ihre Toleranz sicher dankbar sein.

unfassbar
2 Tage zuvor

An den Schulen wird in der Tat kein einziges Problem gelöst, wenn man Kopftücher verbietet. Möglicherweise bekommt man abseits von der Juristerei dadurch ein weiteres Problem in den Schulen dazu, wenn eine nennenswerte Anzahl Schülerinnen und Schüler auf das Kopftuch trotzdem bestehen.

HerrLampe
22 Stunden zuvor
Antwortet  unfassbar

Dann man muss man Gesetze halt mal durchsetzen. Bei gewisser Kleidung mit politischer Ausrichtung bei Almankindern geht das komischerweise ja auch.

Christa Röber
1 Tag zuvor

Einen herzlichen Dank für diese profunde Darstellung der rechtlichen Situation in Deutschland zu diesem Thema. Die Rechtslage ist aufgrund ihrer Begründung absolut überzeugend.
Und ein weiteres wird an der Darstellung deutlich: wie wohltuend es für ALLE Bürger ist (insbesondere in dieser Zeit), eine Judikative zu haben, die frei von allem Populismus ist..

Gelbe Tulpe
1 Tag zuvor

Ich mag keine frauenfeindlichen Symbole, allerdings gehören die auch zur Meinungsfreiheit.

dickebank
1 Tag zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Was haben Sie denn gegen lila Latzhosen?

Gelbe Tulpe
1 Tag zuvor
Antwortet  dickebank

Allgemeinbildung ungenügend. Setzen Sechs.

Rainer Zufall
23 Stunden zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Aber Ihre Privatmeinung, was frauenfeindlich ist, hat hier ja nichts mit dem gängigen Gesetz in Deutschland zu tun.

Aber wenn Sie Frauen und andere sichtbar machen wollen, anstatt sie zu bevormunden, können Sie ja (nur) für sich überlegen, ob Sie in Sprache und/ oder Schrift gendern wollen 😉

PatOber
22 Stunden zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Das Problem ist: spricht man diese Jugendlichen an, sagen Ihnen 50 Prozent, dass sie es so wollen. Die anderen sind hin- und hergerissen oder sie sehen es nicht als Problem. Das Kopftuch damit pauschal als ,,frauenfeindlich‘‘ zu titulieren ist eher das Problem, weil es der Sache nicht gerecht wird.
Viele dieser Mädchen sind auch ziemlich clever und plappern nicht nur hinterher, sind tief integriert. Aktuell habe ich eine sehe clevere Schülerin mit Kopftuch, Lederjacke, Motorrad und extrem modischer Kleidung, die bevorzugt englischen Rock hört. Passt alles nicht so richtig zur Idee des unterdrückten Muslimenmädchens. Oft ist es nicht das Kopftuch das ausgrenzt, sondern jene, die keines Tragen.