Website-Icon News4teachers

Montessori: Die ersten drei Lebensjahre – für die Sprachentwicklung so wichtig

Anzeige

DORTMUND. Wie lernen Kinder eigentlich sprechen – und welche Rolle spielen Pädagog:innen dabei? Die Montessori-Expertin Vanessa Fichtl, die in Dortmund ein bilinguales Montessori-Kinderhaus aufgebaut hat, arbeitet seit Jahren mit den jüngsten Kindern und erklärt im Interview, warum Kommunikation weit mehr ist als gesprochene Sprache, wie schon Einjährige mithilfe einer vorbereiteten Umgebung in den Dialog treten und weshalb sensorische Erfahrungen für die Sprachentwicklung so bedeutsam sind. 

Kommunikation – von Anfang an. (Symbolbild.) Foto: Shutterstock

News4teachers: Frau Fichtl, Sie haben kürzlich auf dem Fachtag „Montessori Move 3.0“ einen Vortrag mit dem Titel „Sprache verstehen – Kommunikation leben“ gehalten. Was war die Kernbotschaft dieses Vortrags für die Arbeit mit den jüngsten Kindern?

Vanessa Fichtl: Im Alter von null bis drei Jahren ist Kommunikation sehr vielfältig, weil nur wenig gesprochene Sprache vorhanden ist. Gleichzeitig brauchen die Kinder unheimlich viele sprachliche Vorbilder – Erwachsene oder andere Kinder –, damit sie sich einen großen passiven Wortschatz aufbauen können und ein grundlegendes Verständnis dafür entwickeln, wie Begriffe mit Gegenständen oder Bildern zusammenhängen.

Anzeige

Ich wollte deutlich machen, dass wir als Pädagoginnen und Pädagogen das wichtigste „Sprachmaterial“ in der Umgebung der Kleinsten sind. Deshalb müssen wir ihnen ein möglichst reichhaltiges sprachliches Angebot bereitstellen. Im Vortrag habe ich verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt: Klassische Montessori-Sprachmaterialien, aber auch Poesie, Lieder, Sing- und Rhythmusspiele, Kunst an den Wänden sowie die vielen Alltagsgespräche, die wir in unterschiedlichen Situationen mit den Kindern führen.

Frühe Kommunikation ohne Worte: Signale verstehen

News4teachers: In Ihrem Vortrag ging es auch darum, wie schon die Kleinsten Sprache lernen und wie Erwachsene durch ihr eigenes bewusstes Vorbild echte Kommunikation fördern können. Was bedeutet es konkret, „Kommunikation zu leben“ – wie kann das im Alltag mit Kindern unter drei Jahren aussehen?

Grundfertigkeiten fördern - Materialien für Kita und Grundschule

Speziell für die spielerische Entwicklung der Grundfertigkeiten im Bereich Sprache entfaltet das klassische Montessori-Material viel Potenzial für die Altersgruppe 0 bis 10. Von der Schulung der Feinmotorik und der Sinneswahrnehmung über die Vorbereitung des Lesens und Schreibens bis hin zum Begreifen der Grammatik auf Deutsch und auf Englisch: Das Traditionsunternehmen Nienhuis bietet das gesamte Repertoire klassischer und weiterentwickelter Montessori-Materialien für Kleinkindgruppen, Kitas und Kinderhäuser sowie Grundschulen.

Suchen Sie die passenden Lernmittel für Ihre Kita- oder Lerngruppe? Wir beraten Sie gerne. Weitere Infos finden Sie auch auf unserer Homepage.

Nienhuis – im Einsatz für ganzheitliche und nachhaltige Bildung seit 1929.

Vanessa Fichtl: Zum einen bedeutet es, dass man sich auf Augenhöhe mit den Kindern begibt, um ihre Körpersprache, Geräusche oder ihr Lallen überhaupt richtig wahrnehmen zu können. Man muss sehr aufmerksam beobachten, um zu erkennen, welches Bedürfnis ein Kind gerade hat, denn darüber kommuniziert es.

Wichtig ist außerdem, sich bewusst zu machen, welche Form der Sprache man nutzt. Bei sehr kleinen, noch nicht sprechenden Kindern kann zum Beispiel auch Babyzeichensprache eingesetzt werden. Manche Familien leben das, und es gibt auch Einrichtungen, die damit arbeiten. Diese Form unterscheidet sich von der Gebärdensprache für Gehörlose, und es gibt spezielle Baby-Talk-Bücher, die dabei unterstützen können. Für diese Zeichensprache braucht es keine Vorkenntnisse, da die Gesten intuitiv sind und sie es den Babys erleichtern, sich auszudrücken.

Wenn ich eine Frage stelle und ein Lallwort zurückkommt, sollte der Erwachsene das passende Wort noch einmal korrekt aussprechen. Durch solche Wiederholungen verknüpfen die Kinder Wörter immer wieder neu mit dem zugehörigen Gegenstand oder Bild und festigen ihre Sprachkonzepte.

News4teachers: Nun zu Ihrer pädagogischen Praxis: Sie sind Montessori-Pädagogin für Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren. Wie sieht ein typischer Tag in Ihrer Montessori-Einrichtung aus, Und welche Prinzipien der Montessori-Pädagogik prägen dort den Alltag der Kleinsten?

Vanessa Fichtl: Wir arbeiten tatsächlich authentisch nach den Vorgaben der AMI, der Association Montessori Internationale. Diese Organisation wurde von Maria und Mario Montessori selbst gegründet, und bei uns wird sehr traditionell nach ihren Prinzipien gearbeitet. Das bedeutet: Wir haben nicht nur einzelne Elemente der Montessori-Pädagogik, sondern Montessori beginnt bei uns sprichwörtlich an der Eingangstür.

Im Mittelpunkt stehen ein respektvoller Umgang miteinander und ein konfliktlösendes Verhalten. Wir legen großen Wert darauf, dass Kinder lernen, auszudrücken, wenn ihnen etwas nicht gefällt, und Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Das beginnt schon morgens in der oft engen Garderobe, wo die Kinder Rücksicht aufeinander nehmen müssen.

Die Kleinsten ziehen sich selbstständig für den Gruppenalltag um: Hausschuhe anziehen, Jacke und Mütze ausziehen. Pädagoginnen und Pädagogen begleiten das, aber sie nehmen den Kindern die Aufgaben nicht ab. Wir schauen zunächst, wie weit das Kind allein kommt, und unterstützen nur dort, wo es nötig ist. Gleichzeitig fordern wir die Kinder auf, Hilfe einzufordern, wenn sie sie brauchen: Wenn ein Kind seine Hausschuhe nicht selbst anziehen kann, soll es lernen, sich bemerkbar zu machen – statt dass ein Erwachsener ungefragt eingreift.

In unseren Gruppenräumen befinden sich ausschließlich Montessori-Materialien oder Inhalte aus dem AMI-Curriculum. Wir haben weder klassische Kita-Verkleidungsecken noch Lego-Bauteppiche. Alle Materialien erfüllen einen konkreten Zweck im Montessori-Kontext und in der Entwicklungsbegleitung der Kinder.

Wir lesen Bücher, arbeiten mit Sprachmaterialien, Sprachkarten und Sprachobjekten. Dazu kommen sensorische Materialien und viele Übungen, die Bewegung fördern. Schließlich befinden sich U3-Kinder in einer sensiblen Phase der Bewegungsentwicklung.

Ein großer Bereich sind außerdem die Übungen des praktischen Lebens. Sie sollen die Eigenständigkeit fördern und den Kindern einen Bezug zu ihrer Kultur vermitteln. Dazu gehören Tätigkeiten wie Lebensmittelzubereitung: Es werden Gurken geschnitten, Tee gekocht oder täglich Brot gebacken – auch von den Allerkleinsten. Währenddessen beobachten wir, wie gut ein Kind Abfolgen behält, wie sein kognitives Verständnis ist, wie lange es sich konzentrieren kann, wie die Hand-Auge-Koordination funktioniert und wie weit seine feinmotorische Entwicklung ist.

News4teachers: Wie fördern Sie ganz konkret die sprachliche Entwicklung der Kleinkinder im Alltag? Gibt es bestimmte Rituale oder Materialien, mit denen Sie die Kinder zum Sprechen und Kommunizieren ermuntern?

Vanessa Fichtl: Im Grunde zeigen wir über den Tag verteilt immer wieder ehrliches Interesse an dem, was die Kinder uns mitteilen möchten. Bei den etwas älteren U3-Kindern geschieht das oft schon verbal, bei anderen über Ein-Wort-Äußerungen oder Gesten. Wir nehmen diese Kommunikationsversuche ernst und gehen darauf ein.

Wenn Kinder uns etwas zeigen oder sagen, wiederholen wir das Gesagte anschließend in einem vollständigen, grammatikalisch korrekten Satz. Zeigt ein Kind zum Beispiel auf seine Schuhe, dann sagen wir: „Das sind deine Schuhe.“ Auf diese Weise hören sie immer wieder vollständige Sprachstrukturen und können sich daran orientieren.

Wir regen die Kinder außerdem dazu an, miteinander zu sprechen. Wenn ein Kind etwa sagt: „Ich möchte das haben, was Konstantin gerade hat“, dann ermutigen wir es, direkt zu Konstantin zu gehen und selbst mit ihm zu sprechen. Wir begleiten diesen Prozess, aber wir übernehmen ihn nicht stellvertretend.

Sprachmaterialien in der Montessori-Pädagogik

Ein weiterer wichtiger Teil sind unsere Sprachmaterialien. Dazu gehören:

Die Kinder lernen dabei, dass ein Begriff sowohl zu einem echten Objekt als auch zu einem Bild gehört und entwickeln ein immer klareres Wortkonzept.

News4teachers: Wir haben vorhin schon kurz darüber gesprochen: Kommunikation beginnt ja lange vor dem ersten gesprochenen Wort. Wie können Erzieher:innen und Eltern die Signale von Babys verstehen und darauf eingehen – also gewissermaßen schon ohne Worte mit den Kleinsten in Dialog treten?

Vanessa Fichtl: In unserer Einrichtung starten die Kinder meist mit etwa eineinhalb Jahren. Das bedeutet, sie bringen bereits ein gewisses Sprachverständnis und oft auch einzelne Wörter aus dem Elternhaus mit. Wir haben also nicht mehr die ganz kleinen Babys, die am Anfang ihrer sprachlichen Entwicklung stehen. Dennoch gilt: Egal ob in der Kita oder zu Hause – man muss die Kinder gut kennen, sie aufmerksam beobachten und sie ernst nehmen. Dann erschließt sich im Alltag sehr schnell, welche Bedürfnisse sie haben. Unsere Pädagoginnen und Pädagogen erkennen zügig, wer gleich eine neue Windel braucht, wer Hunger hat, wer müde wird oder ein anderes Anliegen hat.

Sehr wichtig ist außerdem, aktiv die Kommunikation mit den Kindern zu suchen. Leider begegnen mir im Alltag zunehmend Dinge wie Kinderwagen mit iPad-Halterungen oder anderen digitalen Geräten. Das ist schade, denn Kinder lernen in erster Linie durch die Mimik und das Verhalten echter Menschen – nicht durch digitale Medien. Auch das Erkennen und Einordnen von Gefühlen braucht den direkten Kontakt zum Gesicht und zur Stimme eines Gegenübers.

Warum die ersten drei Jahre entscheidend sind

News4teachers: Die ersten drei Lebensjahre gelten als besonders entscheidend für die Sprachentwicklung. Was macht diese Phase so wichtig? Und wie unterstützt der Montessori-Ansatz speziell in dieser frühen Zeit die natürliche Sprachentwicklung der Kinder?

Vanessa Fichtl: Im Gegensatz zu anderen Säugetieren – ein Fohlen kann beispielsweise sofort wiehern – entwickeln wir Menschen viele Fähigkeiten erst deutlich später. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien, die zeigen: Kinder, die in einem sprachlich deprivierten Umfeld aufwachsen, also in Umgebungen, in denen kaum oder keine Sprache gesprochen wird, haben es später extrem schwer, Sprache zu erlernen. In besonders tragischen Fällen, in denen Kinder jahrelang isoliert waren und erst im Jugendalter befreit wurden, weiß man heute: Wird ein bestimmtes Zeitfenster verpasst, lässt sich Sprache kaum noch vollständig erwerben.

Maria Montessori beschreibt, dass die sensible Phase für Sprache in den ersten sechs Lebensjahren besonders ausgeprägt ist. Wichtig sind dabei vor allem die ersten drei Jahre. In dieser Zeit legen Kinder ihren gesamten Sprachschatz und ihr grundlegendes Weltverständnis an.

Heute wissen wir, dass bereits ungeborene Kinder im Mutterleib viel aufnehmen: Intonation, Sprachrhythmus, Geräusche. Nach der Geburt ist es ebenso wichtig, weiter mit dem Kind zu kommunizieren.

Manche Erwachsene sprechen mit Babys in einer sehr kindlichen Sprache, etwa indem sie „Wau Wau“ statt „Hund“ sagen. In der Montessori-Pädagogik achten wir von Anfang an auf korrekte Begriffe und vermeiden Fantasiesprache. Wissenschaftlich ist inzwischen jedoch klar: Entscheidend ist vor allem, dass überhaupt gesprochen wird. Ob das Wort anfangs „Wau Wau“ oder „Hund“ lautet, ist zweitrangig. Wichtig ist die Freude an Kommunikation und das gegenseitige Interesse. Nur wenn das Kind spürt, dass jemand mit ihm sprechen möchte, entwickelt es selbst den Antrieb, sprachlich aktiv zu werden.

Montessori vs. andere Ansätze: Häufige Missverständnisse

News4teachers: Viele unserer Leser:innen kennen Montessori vielleicht noch nicht so gut. Worin unterscheidet sich die Arbeit mit den Unter-Dreijährigen nach dem Montessori-Ansatz von anderen pädagogischen Ansätzen? Gibt es typische Missverständnisse über Montessori, die Sie gerne ausräumen würden?

Vanessa Fichtl: Es gab mal den Satz: „Montessori ist für jedes Kind, aber nicht für jede Familie.“ Diesen Satz würde ich nach all den Jahren genauso unterschreiben, denn unser Ansatz muss natürlich auch zu dem passen, was Familien sich in der Begleitung ihres Kindes wünschen, und das muss unterstützt werden.

Ein häufiges Missverständnis im Vergleich zu anderen Einrichtungen ist, dass wir zum Beispiel keine Hochstühle oder andere Dinge haben, bei denen die Kinder auf die Hilfe von Erwachsenen angewiesen sind. Schon unsere kleinsten Kinder dürfen sich sehr selbstständig in unserer Umgebung bewegen. Wir haben wirklich alles so niedrig eingerichtet, dass die Kinder die Möbel und Stühle selbst bedienen können, ohne auf die Hilfe Erwachsener angewiesen zu sein.

Viele Menschen, die nicht aus dem Montessori-Kontext kommen, empfinden es bei uns oft als sehr ruhig, was sie teilweise auch negativ sehen. Ich glaube, das liegt daran, dass kulturell Kinderbetreuung, gerade bei den Kleinsten, oft wie ein täglicher Kindergeburtstag wahrgenommen wird. Diese Ruhe entsteht bei uns, weil die Kinder konzentriert mit Aufgaben beschäftigt sind, sich darauf fokussieren und dabei täglich viel Neues erfahren.

Wir unterscheiden uns auch darin, dass wir als Guides, also Montessori-Lehrkräfte, nicht diejenigen sind, die den Ton angeben. Stattdessen bilden wir ein Beziehungsdreieck zwischen der Umgebung, dem Kind und dem Pädagogen. So lernen alle voneinander: Die Kinder geben vor, welche Interessensbereiche sie gerade verfolgen – dafür müssen wir viel beobachten und zuhören. Daraufhin gestaltet der Erwachsene die Umgebung und passt die Materialien an.

Mehrsprachigkeit von Anfang an: Chancen für U3-Kinder

News4teachers: Sie haben in Dortmund ein bilinguales Montessori-Kinderhaus aufgebaut. Wie erleben Sie es, wenn Kinder von klein auf zwei Sprachen lernen? Welche Vorteile – oder auch Herausforderungen – bringt eine zweisprachige Umgebung für Kinder unter drei Jahren mit sich?

Vanessa Fichtl: Herausforderungen sehe ich tatsächlich keine. Das Schöne an U3-Kindern ist, dass sie noch keine Hemmschwelle gegenüber anderen Sprachen haben. Wird von vornherein eine zweite Sprache gesprochen, haben die ganz jungen Kinder zunächst wenig Berührungsängste.

Je älter die Kinder sind, desto schwieriger kann die Anfangsphase werden, da siewahrnehmen, dass jemand anders spricht als in ihrer Muttersprache. In der Eingewöhnung kann es dann zu Berührungsproblemen kommen, aber nach der Eingewöhnung löst sich das schnell. Viele unserer Kinder bringen im Ruhrgebiet ohnehin bereits eine zweite Sprache mit – Russisch, Arabisch, Spanisch oder Griechisch. Manche lernen bei uns eine dritte Sprache oder Deutsch und Englisch zusätzlich.

Vanessa Fichtl leitet seit
2013 ein viergruppiges, bilinguales Kinderhaus in Dortmund für Kinder von 1,5 – 6 Jahren. Seit über 10 Jahren berät sie Fachschulen und Montessori-Kinderhäuser und ist international als Dozentin tätig.  Foto: Privat

Bei Dreijährigen bis Sechsjährigen sind die Berührungsängste ausgeprägter, aber positiv wirkt sich aus, dass sie bereitwilliger sprechen. Kinder, die durchgehend von der englischsprachigen Kraft betreut wurden, bringen ein sehr gutes Sprachverständnis mit und können sich verbal verständigen – nicht immer grammatikalisch perfekt, aber verständlich.

Im Alltag hört man bei unseren Drei- bis Vierjährigen oft Mischmaschsätze, zum Beispiel „I zieh my Jacket on“. Die meisten Kinder verlassen die Einrichtung jedoch in der Lage, beide Sprachen sicher zu beherrschen.

Wenn Kinder spät sprechen: Beobachten, unterstützen, ohne Druck

News4teachers: Jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo, auch beim Sprechen lernen. Wie gehen Sie damit um, wenn ein Kind vielleicht erst spät zu sprechen beginnt oder Sprachschwierigkeiten zeigt? Was ist aus Ihrer Sicht wichtig, um solche Kinder bestmöglich – aber ohne Druck – zu fördern?

Vanessa Fichtl: Ja, alle Kinder entwickeln sich in ihrem eigenen Tempo. Wenn das noch in einem gewissen Rahmen ist, zum Beispiel der Gleichaltrige spricht vielleicht schon ein bisschen mehr, dafür ist er in der Bewegung etwas besser entwickelt, dann warten wir in der Regel noch ab und beobachten. Meistens gibt sich das von selbst.

Es gibt jedoch auch Kinder, bei denen wir frühzeitig das Gespräch mit den Eltern suchen und darum bitten, das Gehör überprüfen zu lassen. Häufig steckt nichts Großartiges dahinter – vielleicht nur eine verschleppte Mittelohrentzündung. Aber das kann die Sprachentwicklung behindern. In solchen Fällen lassen wir das gerne einmal beim HNO abklären, damit alles gesundheitlich in Ordnung ist und keine Ursachen vorliegen, die das Sprechen verzögern, Nuscheln oder undeutliche Aussprache verursachen könnten. Kinder, die nicht gut hören, sind nicht automatisch unaufmerksam oder frech, sie hören vielleicht schlichtweg einfach nichts. Es ist auch erstaunlich, wie Kinder mit eingeschränktem Hörvermögen umgehen, indem sie lernen, Lippen zu lesen und zu interpretieren, was gerade von ihnen gewünscht wird.

Wenn es um klassische sprachliche Schwierigkeiten wie Stottern, Lispeln oder andere logopädische Ursachen geht, empfehlen wir den Eltern, einen Logopäden aufzusuchen. Das betrifft meist Kinder ab dem vierten Lebensjahr, also eher außerhalb der U3. Dort kann dann gezielte Therapie unterstützend erfolgen.

News4teachers: Zum Schluss: Welchen Rat möchten Sie Erzieher:innen und Lehrkräften mit auf den Weg geben, die die Kommunikation mit den Kleinsten fördern möchten? Gibt es vielleicht eine Sache aus Ihrer Erfahrung, die jede*r sofort im Alltag umsetzen kann, um Kinder sprachlich bestmöglich zu unterstützen?

Vanessa Fichtl: Wenn es um sprachliche Entwicklung geht, kann jeder sofort Materialien in den Alltag integrieren, die eine sensorische Komponente haben. Viel von dem, was wir über unsere Sinne, wie Schmecken und Riechen, erfahren, bleibt besonders gut im Gedächtnis. Jeder kennt Erinnerungen, die durch Gerüche oder Geräusche wieder lebendig werden. Alles, was sensorische Reize mit Sprache verbindet, lässt sich relativ leicht in den Alltag einbauen.

Das kann beispielsweise sein, dass man verschiedene Früchte in die Gruppe bringt, den Geschmack bewusst mit dem Namen der Frucht verbindet und dies mit den Kindern bespricht – ohne dass man dafür den Montessori-Kontext voraussetzen muss. Das gilt auch für andere Sinneserfahrungen: Blätter anfassen oder andere Materialien erleben. Sensorische Erfahrungen in der U3 fördern die Wissensspeicherung nachhaltig.

Ganz wichtig ist außerdem: sprechen, sprechen, sprechen – und auch die Eltern motivieren, in ihrer Muttersprache mit den Kindern zu sprechen. Oft höre ich, dass Eltern nur Deutsch zu Hause sprechen wollen, damit die Kinder die Sprache lernen. Dabei ist es für Kinder sehr wertvoll, mehrere Sprachen zu hören und zu sprechen. Die zu Hause gelebte Muttersprache darf also gern in den Alltag integriert werden. Nina Odenius, News4teachers.

Montessori: Wie sich das Schreibenlernen (vor der Schule) spielerisch vorbereiten lässt

 

Anzeige
Die mobile Version verlassen