„Öffentliche Bildung nicht missbrauchen!“ GEW schießt gegen Lindners “Festival der Finanzbildung”

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BERLIN. Dezent geht anders. Ein „Festival für Finanzbildung“ (nichts Geringeres) sollte es werden, vollmundiger Titel: „Mit Geld und Verstand“. Bundesfinanzminister Lindner und Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger, beide FDP, hatten dazu eingeladen – und 600 „Lehrende“ folgten dem Aufruf. Die GEW sieht die Initiative überaus kritisch. Sie mahnt: „Öffentliche Bildung nicht missbrauchen, um die Finanzmärkte anzukurbeln!“

Recycling: Der Slogan des “Festivals der Finanzbildung” wurde schon öfter mal genutzt – hier auf einem Werbeposter für Lindners Finanzpolitik im Oktober 2023. Foto: Shutterstock / Stephan Dost

„Vom Handyvertrag über die eigene Wohnung bis zur Altersvorsorge – wer klug spart, kalkuliert und finanziert kommt besser durchs Leben. Finanzielle Bildung ist Lebensbildung und sollte allen offen stehen. Beim Festival für Finanzbildung ‚Mit Geld und Verstand‘ wollen wir darauf hinarbeiten – mit Ihnen.“ Mit diesen Worten hatte Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner eingeladen. Zielgruppe laut Ministerium: „Lehrende allgemein, alle Schulformen, Erwachsenenbildung, Fortbildungseinrichtungen und Orte der frühkindlichen Förderung sowie aus dem thematisch relevanten Hochschulbereich“.

Mehr noch: Lindner hat dafür eigens ein „Finanzbildungsstärkungsgesetz“ auf den Weg gebracht. Damit soll „durch Einrichtung einer Stiftung ‘Finanzbildung, Geld und Währung’ die Grundlage für eine dauerhafte Verbesserung der finanziellen Bildung in Deutschland gelegt werden. Die Stiftung soll künftig insbesondere die Umsetzung von bundesweiten Maßnahmen und Strategien zur Stärkung der finanziellen Bildung in Deutschland in enger Abstimmung mit den Stakeholdern der finanziellen Bildung koordinieren und darüber hinaus auch eigene Finanzbildungsinhalte entwickeln, von pädagogischen Ressourcen bis hin zu Sensibilisierungskampagnen“, wie es im Erklärtext zum Entwurf heißt.

„Hervorragende Projekte, Unterrichtsmaterialien, Bildungsansätze und Methoden“

Immerhin, rund 600 Menschen folgten am Dienstag Lindners Einladung und bekamen auf dem „Festival“ im Berliner Kulturzentrum „Radialsystem“ auf insgesamt fünf Bühnen, 400 Quadratmetern Ausstellungsfläche und in über 50 Programmpunkten rund um die Themen Finanzgrundbildung, Sparen und Altersvorsorge, Forschung, Digitale Finanzdienstleistungen, Kapitalmarkt, Kreditnutzung und Nachhaltigkeit laut Ministerium „hervorragende Projekte, Unterrichtsmaterialien, Bildungsansätze und Methoden präsentiert“. Gleich zwei Bundesminister waren anwesend: neben Lindner auch Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, ebenfalls FDP.

Friede, Freude, Eierkuchen? Mitnichten. „Öffentliche Bildung darf nicht auf ein Instrument zur Wirtschafts- und Finanzmarktförderung reduziert werden“, sagt Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Blick auf das Finanzbildungsfestival. Sie betont, dass die GEW die Initiative, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterstützt wird, „äußerst kritisch sieht“.

„Wer junge Menschen unterm Strich als künftige Käuferinnen und Käufer auf Finanzmärkten oder privater Altersvorsorgeprodukte in den Fokus stellt, betreibt ideologische Schmalspurbildung“, spitzt Finnern das Anliegen Lindners zu. Diese formuliere „Wirtschaftswachstum“, eine „höhere Bereitschaft und Fähigkeit zur Partizipation am Kapitalmarkt“ sowie eine Verbesserung des individuellen Wohlergehens explizit als Ziele. Damit werde die Verantwortung für den eigenen und den gesellschaftlichen Wohlstand letztlich sogar für die Finanzmarktstabilität zur persönlichen Angelegenheit der Lernenden erklärt.

„Wenn auf der einen Seite das Bürgergeld schlechtgeredet und entkernt, die Kindergrundsicherung bis aufs Skelett kleingespart, auf der anderen Seite aber die Finanzbildung als Motor für ‚Chancengerechtigkeit‘ und Wohlstand ausgerufen wird, ist das zynisch“, betont Finnern. Zugleich kritisiert sie die dem Vernehmen nach geplanten Haushaltskürzungen des Bundes bei Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und Verbraucherbildung.

„Die Kinder und Jugendlichen müssen in öffentlichen Einrichtungen vor Werbung, Kommerz und Wirtschaftslobbyismus geschützt werden“

„Gerade Verbraucherbildung und BNE sind für die Bildungsziele Mündigkeit, Kritikfähigkeit und Urteilskompetenz zentral. Besonders wenn es um Finanzmärkte, Wirtschaft oder Globalisierung geht. Wenn jedoch stattdessen neun Millionen Euro jährlich in eine Stiftung für Finanzbildung gesteckt werden, wie dies der Gesetzesentwurf vorsieht, ist das ein Zeichen für das reduzierte Bildungsverständnis und die Einseitigkeit dieser Initiative“, unterstreicht die Gewerkschafterin. Das Projekt habe erhebliche Defizite mit Blick auf Wissenschaftsbezug, Pluralität und Kontroversität. Diese seien aber die Grundprinzipien nicht nur der schulischen, sondern der gesamten öffentlich verantworteten Bildung.

 

Finnern sieht die Gefahr, dass über die ministerielle Finanzbildungsinitiative, zum Beispiel mit der geplanten sogenannten „Finanzbildungsplattform“ (News4teachers berichtete), künftig noch mehr unausgewogene Inhalte und privatwirtschaftliche Interessen in Schulen Einzug halten, wie es bereits insbesondere seit der Wirtschafts- und Finanzkrise zu beobachten sei. Die GEW-Chefin meint: „Das Lernen sowie die Kinder und Jugendlichen müssen in öffentlichen Einrichtungen vor Werbung, Kommerz und Wirtschaftslobbyismus geschützt werden. Das ist bei dieser Initiative nicht gewährleistet.“ News4teachers

Warum es mehr Finanzbildung braucht – und wieso Lindner und Stark-Watzinger trotzdem zu kurz springen

 

 

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Hans Malz
1 Jahr zuvor

“Damit werde die Verantwortung für den eigenen und den gesellschaftlichen Wohlstand letztlich sogar für die Finanzmarktstabilität zur persönlichen Angelegenheit der Lernenden erklärt.”

Ja aber was denn sonst! Ist nun mal die Realität und viele Kinder wissen das. Durch Arbeit ist eben noch keiner reich geworden. Über die Form kann man sicher streiten, aber die Thematik ist doch wichtig.

Ich finde, dass man da mal wieder die politische Ausrichtung der GEW zu sehen bekommt, die hier ja oft kritisiert wird.

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Hans Malz

“Ich finde, dass man da mal wieder die politische Ausrichtung der GEW zu sehen bekommt, die hier ja oft kritisiert wird.”
Der Verdacht drängt sich auf, das stimmt. Aber die FDP ist da auch nicht frei von jedem Verdacht.

Was die GEW angeht: Dort sind ja Menschen versammelt, die sich wissentlich in eine komplette finanzielle Abhängigkeit vom Staat begeben haben. Es ist wenig überraschend, dass diese Leute Eigenverantwortung für den Wohlstand tendeziell als Bedrohung empfinden entsprechend reagieren.

Hans Malz
1 Jahr zuvor

FDP = Partei (mit politischer Ausrichtung, die einem nicht gefallen muss)
GEW = Bildungsgewerkschaft (Interessenvertretung der Mitglieder)

Ich zitiere:
Als Bildungsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund machen wir uns für unsere Interessen stark. Gemeinsam gestalten wir gute Arbeitsbedingungen, streiten für faire Entgelte, unbefristete Arbeitsverträge und sichern Arbeitsplätze im Bildungsbereich.

Mmmm, ich habe Zweifel.

Dr. Specht
1 Jahr zuvor

Warum ist für Sie der Begriff “Staat” so negativ besetzt, schließlich hat jener, in dem wir leben, eine freiheitlich-demokratische Grundordnung?

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr. Specht

Mit unserem Staat fahren wir weit besser als anderswo oder in anderen Zeiten, das stimmt sicher.
Aber das ist hier garnicht mein Punkt. Mir ging es darum, dass bei der GEW Leute sich über finanzielle Bildung äußern, die einen Lebensweg gewählt haben, in dem sie diese nicht, oder zumindest nur sehr eingeschränkt brauchen.

Dr.Specht
1 Jahr zuvor

Vielen Dank für Ihre klärende Antwort.

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Dr.Specht

P.S.
Auch noch zur Klärung. Das wir keine Diktatur haben, heißt nicht, dass ich den staatlichen Machtgebrauch (nicht nur, aber hier speziell bei der Schulpflicht) nicht sehr kritisch sehe.

Sokrates
1 Jahr zuvor

Ihrer Argumentation folgend dürften sich daher nahezu alle verbeamteten Lehrer nicht zur finanziellen Bildung äußern – und zu sehr vielen anderen Dingen ebenfalls nicht, da sie diese nicht oder zumindest nur sehr eingeschränkt brauchen. (Das würde vielleicht sogar dem Diskursniveau in diesem Forum nicht sehr schaden)
Und auch Ihre behauptetes “wissentlich in eine komplette finanzielle Abhängigkeit vom Staat” ist in ihrer Absolutheit falsch – und ich glaube, das wissen Sie auch. Dann stellt sich allerdings die Frage, weshalb Sie selbst sich hier so einseitig formulierend äußern, während Sie dies indirekt anderen vorwerfen.
Die GEW hat genausowenig wie der PhV einen Absolutheitsabspruch bei der Vertretung von Lehrerinteressen.

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sokrates

Natürlich ist die Formulierung überspitzt.
Aber es ist nunmal so, dass man mit der Entscheidung für eine Beamtenlaufbahn die eigene finanzielle Versorgung (inkl. Altersbezüge) in die Hände des Dienstherren legt. Man entscheidet nicht mehr über den eigenen Verdienst.

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor

Schade, dass nicht klar ist, was genau Lindner unter der „Finanziellen Bildung“ versteht.
Das Werbung in Schulen nichts verloren hat, da dürften alle Pädagogen sofort einig sein. Aber die Frage ist: Wo ist die Grenze zwischen Werbung und Information? Und Information ist sehr von Nöten.
Wer die Finanzmärkte nicht versteht, bleibt später abhängig und unmündig gegenüber seinem Bankberater.
Wer die Änderungen der Währungskonstruktion (Fiat-Geld statt Golddeckung 1971) nicht versteht, wird kaum die Inflation verstehen können und erst recht nicht darauf reagieren können.
Wer das Steuersystem nicht versteht und fast nur die Einkommenssteuer registriert, die als einzige Steuer für Angestellte „fühlbar“ ist, wird nie verstehen, warum bei steigenden Löhnen trotzdem das Haushalten schwieriger werden kann. Und warum auch bei steigenden Preisen einige Unternehmen Probleme bekommen.
Ich bin vom Beamten (auf Widerruf) in die Selbständigkeit gewechselt und war anfangs tatsächlich erschlagen vom Thema „finanzielle Bildung“. Mir war überhaupt nicht klar, wie wenig man sich als Lohnempfänger damit auseinandersetzt und wie existenziell abhängig man dadurch von einem „Brötchengeber“ wird.
In den Sinne hat Lindner durchaus ein wichtiges Anliegen und es wäre eben interessant zu wissen, was er wirklich mit finanzieller Bildung meint.

Ulrika
1 Jahr zuvor

Die Veranstaltung war durchaus gewinnbringend, schwierig war jedoch die teils unkritische Häufung von Projekten und Initiativen von Verbänden und Unternehmen. Aber wenn zwei Ministerien der FDP federführend sind, ist das nicht so überraschend.Da wird seit Jahren Lobbyarbeit vom Feinsten gemacht, da ist viel Geld im Spiel, das die Ministerien gerne (durch Kooperationen, als Türöffner) nehmen, weil sie dadurch nicht selbst zahlen müssen- hier schließt sich ein Kreis, nicht wahr, werter Herr?!

Ich bin im Bereich der Finanzbildung tätig, als Lehrkraft, in Gremien, als Wissenschaftlerin, in der Lehrkräfteausbildung, stimme Ihnen, was die Professionalisierung der Lehrkräfte angeht, ausdrücklich zu.

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ulrika

Ich hab gewissen Sympathien für die FDP als liberale Partei. Aber das Problem mit Lobbyarbeit usw. sehe ich da genau so.
DIe FDP ist nunmal eine politsche Partei mit einer eigenen Agenda und auch ich habe da Zweifel, dass die politische Agenda außen vorgelassen wird.

Ulrika
1 Jahr zuvor

Ich dachte beim Lobbyieren weniger an die FDP- da weiß man das- sondern bezog mich auf die Unternehmen, Projekte und -träger, die im Rahmen der Veranstaltung präsentierten. Viele haben durchaus hochwertige Materialien, wenden richtig viel Geld auf, wollen aber in die Schule, z. B. indem sie dort referieren, etc. Das geht zu weit! Doch die Bildungsministerien lassen sie gewähren, weil sie dadurch Ressourcen sparen. Es gibt dazu sehr aktuelle Forschungsergebnisse, aber auch Forschungslücken…
Wie gesagt, der Kreis schließt sich hier.

Andreas Schwichtenberg
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ulrika

Ok, dafür muss man vor Ort gewesen sein.
Ich kann mich nur auf den Artikel beziehen und kommt mit der Gedanke, dass ich Parteien in den Schulen prinzipiell skeptisch sehe.

Hysterican
1 Jahr zuvor

An seriösen Informationen ist also kein Mangel.”

Aber genau darum geht es den Liberalen um Chrissi L. und Bettina Schwach Schwätzinger doch:

Nicht kritische und ausgewogene Informationen sollen verbreitet werden, sondern die liberal-wirtschaftpolitischen Ansätze einer Deregulierung predigenden Klientelpartei.

Der Markt regelt das – die unsichtbare Hand a’la Adam Smith – mit dem Versprechen vom Wohlstand der Nationen – wenn jeder nur an sich denkt, ist an alle gedacht – und wenn jeder die maximal mögliche wirtschaftliche Entwicklung vollzieht ist das auch gut für’s Allgemeinwohl.

Von der immer weiter werdenden Schere zwischen Arm und Reich und der zunehmend abnehmenden Bereitschaft der Reichen, ihre Mittel mit weniger Begünstigsten zu teilen, damit alle über die Runden kommen, hat Smith sicherlich nicht geträumt und Chrissi würde dazu sagen “Wovon träumst du denn nachts?”

Hannah Halloumi
1 Jahr zuvor

Wenn man keine Argumente hat, dann geht man eben “ad hominem” und kramt ein drei Jahrzehnte altes Video raus, um, statt über die Sache zu reden, lieber das Gegenüber als Menschen zum Spottobjekt macht.

Denn: nein, das, was meiner Gewerkschaftschefin dazu einfällt, ist kein Argument:
“Öffentliche Bildung darf nicht auf ein Instrument zur Wirtschafts- und Finanzmarktförderung reduziert werden”
Denn Frau Finnern argumentiert hier, in fahrlässiger oder vorsätzlicher Unterschätzung der kognitiven Fähigkeiten ihrer Leser*innen, mit einer Prämisse, die sie selbst, und niemand anders sonst aufgestellt hat. Niemand hat behauptet, dass öffentliche Bildung nichts weiter sei als ein Instrument zur Förderung der Finanzwirtschaft.

Mit derselben Logik könnte ich meiner Schulleitung sagen, es sei total überflüssig, wenn wir einen Tag zum “Sozialen Lernen” machen, oder mit unseren Erzieher-Azub*innen einen Kurs zur “Ersten Hilfe am Kind”, oder eine Exkursion in eine DDR-Gedenkstätte oder zu einer Jobbörse. “Öffentliche Bildung”, würde ich sagen, “darf nicht reduziert werden auf ein Instrument zur Förderung des historischen Bewusstseins, der Ersthelferkompetenzen oder des gemeinschaftlichen Miteinanders”.

Das Wissen darüber, wie man sich mündig in der unübersichtlichen Welt des Geldes zurechtfindet, fehlt bei unseren Schüler*innen genauso sehr wie das über alle möglichen anderen Lebensbereiche. Man kann sicher Prioritäten setzen, aber mit welchem Recht möchte man das eine gegen das andere ausspielen? Mag sein, dass sich Frau Finnern über die verbockte Kindergrundsicherung ärgert (verständlich!), aber man kann ja Eines tun ohne Anderes zu lassen.

Katze
1 Jahr zuvor

„Die Kinder und Jugendlichen müssen in öffentlichen Einrichtungen vor Werbung, Kommerz und Wirtschaftslobbyismus geschützt werden“Stimme zu.
Die Kinder und Jugendlichen sollten in öffentlichen Einrichtungen aber auch vor zeitgeistkonformen, das Niveau der fachlichen Bildung gefährdenden bildungsideologischen Experimenten in Dauerschleife verschont bleiben.
Der Unterricht in Deutschland zeigt dank Stoffreduzierdidaktik und zunehmender Leere in den Lehrplänen einen massiven Verlust an inhaltlicher/fachlicher Substanz. Die sogenannte „Kompetenzorientierung“ kann nicht verschleiern, dass heutige Schüler zunehmend weniger fachliche und sozial-emotionale Kompetenzen (Anstrengungsbereitschaft, Kritik-und Diskursfähigkeit, Fähigkeit zu realistischer Selbstreflexion, Selbstregulation u.a.) erwerben.

“Die Schaffung eines dem Wissenserwerb hinderlichen Zwangssystems von Gesellschafts- und Naturwissenschaften als große Unterrichtskomplexe, kommt mit der durchsichtigen Behauptung daher, dass Schüler dadurch lernen, über den Tellerrand zu denken, was aber nichts nützt, wenn sie nicht zuvor gelehrt bekamen, was der Teller ist. Wenn man die Systematik der Fächer in einem fächerübergreifenden in Wahrheit aber fächerüberhobenen Lernen zerstört, das nicht mehr die Logik der Fächer lehrt, … dann lernen alle wenig.”
Dr. Klaus-Rüdiger Mai

potschemutschka
1 Jahr zuvor
Antwortet  Katze

“… dass Schüler dadurch lernen, über den Tellerrand zu denken, was aber nichts nützt, wenn sie nicht zuvor gelehrt bekamen, was der Teller ist.”
Dieser Satz bringt es auf den Punkt! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

Sokrates
1 Jahr zuvor
Antwortet  potschemutschka

Dieser Satz wird aber durch nichts belegt – außer vielleicht dem sog. “gesunden Menschenverstand” – und nutzt als Basis lediglich eine Metapher mit begrenzter Aussagekraft.
Fachsystematik ist unbestritten wichtig – stellt aber nicht den Beginn, sondern eher das Resultat wissenschaftlichen Arbeitens dar. Wieso sollte dies in der Schule anders sein? Meiner Meinung und Erfahrung nach lassen sich phänomenologische und fachsystematische Herangehensweisen sehr gut kombinieren – allerdings sind dafür nicht alle jeweils möglichen Lerngegenstände gleich gut geeignet.
In den unteren Jahrgangsstufen halte ich solche Lernbereiche durchaus noch für sinnvoll, diese können/sollten dann mit zunehmenden Lernalter ausdifferenziert werden.
Interessant ist das leider sehr übliche Bashing der “Kompetenzorientierung”, welche sich mit den Fachinhalten überhaupt nicht ausschließt. Ich vermute, dieses kommt v.a. von denjenigen, die v.a. im (vermutlich sogar durchaus guten) Lehrervortragsstil unterrichten und andere Unterrichtsarten (aufgrund eigener Kompetenzschwierigkeiten) ablehnen. Dieses würden sie aber nicht zugeben können/wollen, und “verteufeln” daher – um ihr Selbstbild zu schützen – die vermeintliche oder tatsächliche Entwertung von Fachinhalten zugunsten von Fachkompetenzen. Letztere lassen sich aber im Frontalunterricht nur begrenzt vermitteln, sind aber in einer zunehmend disruptiven Welt wichtig, in der Inhalte zwar schnell verfügbar sind, aber ohne entsprechender Bildung (und damit sind neben inhaltlichem Grundwissen v.a. auch entsprechende Kompetenzen gemeint) nicht verstanden und beurteilt werden können. Welches Grundwissen dafür erforderlich ist, muss diskutiert werden (können).
Veränderungsunwilliges Festhalten an Althergebrachtem (“Haben wir schon immer so gemacht.”, “Früher war alles besser.”, …) dagegen ist wenig hilfreich, um in einer zunehmend durch Internet und KI geprägten Welt bestehen zu können.
Daher verstehe ich das Bashing durch viele Foristen hier als Rückzugsgefecht. Und wenn diese ehrlich zu sich selbst wären, würden sie in vielen Fällen diese Veränderungsunwilligkeit als Ursache erkennen (Quelle: eigene Erfahrungen in vielen Gesprächen, für mich deutlich erkennbares Muster in vielen Kommentaren in diesem Forum).
Diese fehlende Veränderungsbereitschaft dürfte zumeist in den problematischen Rahmenbedingungen von Schule liegen, die v.a. von der (zu oft ohne Basisbezug agierenden) Bildungspolitik kombiniert mit mangelnder Wertschätzung und verringerter Anstrengungsbereitschaft in der Gesellschaft verursacht werden. Dies mag zwar vieles erklären, entschuldigt es aber dennoch nicht.

vhh
1 Jahr zuvor
Antwortet  Sokrates

Das Leben besteht aus Veränderungen, aber vielleicht hat die beklagte Unwilligkeit dazu auch gute Gründe. Politiker und Bildungsexperten ziehen am System Schule gleichzeitig in viele verschiedene Richtungen, wobei sie meist nur ihre Ziele klar definieren können. Den Weg sollen die ‘veränderungsunwilligen’ Lehrer selbst finden/ausarbeiten und das ‘verschriftlichen’, bei laufendem Betrieb, der darunter nicht leiden darf. Ohne Unterstützung, die über manchmal funktionierende Links und Berge vor Papier hinausgeht. Ich kenne keine Kollegen, die sich nicht eine andere Schule wünschen würden, aber wenn 2/3 des Kollegiums völlig überlastet sind, ist ‘Veränderungsunwilligkeit’ eine natürliche Reaktion, um wenigstens das vorhandene System am Laufen zu halten. Disruptives Management am Rande des Abgrunds kann man sich ohne Sicherungsleine nicht erlauben und vorsichtigere kleine Schritte werden neben den von oben genannten großen Zielen schnell als Veränderungsunwilligkeit gesehen.
Ich kann es nur aus NW-Sicht beurteilen, aber ‘Kompetenzen anhand von Fachproblemen vermitteln’ funktioniert nur bis zu einer gewissen Grenze, besonders in höheren Klassen wird ohne Grundkenntnisse schnell eine Rate- und Quasselrunde daraus. Wenn im neuen Physiklehrplan für zwei Jahre Oberstufe über fünfzig Kompetenzen stehen, ist das kein didaktischer Durchbruch sondern ein Desaster. Vorbereitung auf gesellschaftliche Anforderungen ist dieses Abhaken von ‘neu erworbenen’ Kompetenzen erst recht nicht. Mutige Prognose: wären solche Widersprüche gelöst, würden weniger Kollegen sich die Sinnfrage stellen.

Kritischer Dad*NRW
1 Jahr zuvor

“Festival der Finanzbildung” mit Geld & Verstand.Nirgends stand geschrieben es muss das/der “eigene” sein.

Rainer Zufall
1 Jahr zuvor

Wegen mir.

“Sollen wir Parteien wählen, welche in klimaschädliche Technik neu investieren will, das Bürgergeld falsch berechnet/ nicht versteht, die Schuldenbremse dermaßen streng auslegt, dass die Welt sie für ihre Engstirnigkeit auslacht?
Wie sollen wir diese Partei bewerten, die trotz der Kenntnis unserer demografischen Situation Schulen zugrunde sparen und Grenzen widersinnig und ineffizient dichtmachen will, sich dabei (mal wieder) bei den Rechtsradikalen anlehnt, um nicht von Links überholt zu werden?

Und war die FDP nicht immer eine Gewinnerin einer schwachen CDU? Was sollen die Menschen also von einer FDP halten, welche die Union zu stärken versucht und sich zeitgleich als tölpelhafte, unzuverlässige Koalitionspartnerin zu inszenieren versucht?”

WOW, bei dem Event gibt es garantiert viel zu lernen 😀

Annemaus
1 Jahr zuvor

Meiner Meinung nach muss man die Schüler frühzeitig mit dem Thema Finanzen und Wirtschaft vertraut machen. Schließlich soll ein Teil von ihnen doch einmal Führungspositionen übernehmen.

Lehrer Lempel
1 Jahr zuvor
Antwortet  Annemaus

Und wer ist “man”????

Unverzagte
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lehrer Lempel

Fiese Frage, wo man (z.B. ich) sich doch so prima dahinter verstecken kann.

Annemaus
1 Jahr zuvor
Antwortet  Lehrer Lempel

Ich meine damit alle Erwachsenen, die für die Kinder Verantwortung tragen.

AlterHase
1 Jahr zuvor
Antwortet  Annemaus

Wurde hier nicht oft nach mehr Bildung in Sachen Wirtschaft gerufen, war nicht auch was mit der Steuererklärung? Sind die anderen Kräfte, die ihre Anliegen verbindlich in Schulfächer bringen wollen, etwa nicht auch Lobbyisten? Etwa Gesundheit, Ernährung, Regenbogen, Glück, Spiritualität und was sonst noch gefordert wird?

Annemaus
1 Jahr zuvor
Antwortet  AlterHase

Das kann man so sehen.

Realist
1 Jahr zuvor

600 Besucher für “insgesamt fünf Bühnen, 400 Quadratmetern Ausstellungsfläche und in über 50 Programmpunkten”

Ein echter Erfolg würde ich sagen… typisch FDP halt.

Küstenfuchs
1 Jahr zuvor

Die GEW soll doch nicht so tun, als ob Finanzbildung schlecht sei. Die ganze GEW-Argumentation über “Käuferinnen und Käufer auf Finanzmärkten oder privater Altersvorsorgeprodukte” bedeutet doch, dass die Menschen lieber finanziell dumm bleiben sollen. Vielleicht haben sie auch Angst, dass ihre Mitglieder plötzlich die völlig überzogenen GEW-Mitgliedsbeiträge infrage stellen.

Ob man nun in der Schule dringend mehr Finanzbildung braucht, ist eine ganz andere Frage. Es wäre ebenso gut wie Erste Hilfe, Glück usw. usw. und damit eine Frage der Priorisierung.

Lanayah
1 Jahr zuvor

Wenn unabhängige Finanzberater in die Schulen kämen und übrr Geldanlagen informieren würden, warum nicht? Ich selbst könnte so etwas nicht unterrichten, weil ich keine Ahnung habe. Warum habe ich keine Ahnung? Weil ich nie in der Situation war, dass mir jemand ohne Eigeninteressen Ratschläge gibt, da mein Bankberater da ja durchaus befangen ist. Letztens habe ich mit Ü 60 eine Veranstaltung zum Thema Geldanlage mitgemacht und sehr bedauert, dass ich nicht viele Jahre vorher so etwas gemacht habe.
Was natürlich gar nicht geht, ist, dass ahnungslose Lehrer hier als Multiplikatoren dienen sollen. Aber, dass Profis in die Schule kommen, das wäre simnvoll. Ich nehme aber an, dass das so nicht vorgesehen ist, weil es ja Geld kostet.
Meine ersten Steuererklärungen habe ich ohne Steuerberater und ohne Steuersoftware (gab es damals noch nicht) gemacht, und viel Geld verschenkt. Ich frage mich immer noch, warum ich raffiniert sein muss, um Geld zu bekommen, auf das ich Anspruch habe, ist aber nunmal so. Tatsächlich sollte etwas, was von jedem Arbeitnehmer erwartet wird, in der Schule vermittelt werden, aber eben von Profis, und nicht von Lehrkräften, die sich da selbst irgendwie durchwurschteln.

Peter Kührt
1 Jahr zuvor

GEW, Greenpeace und die Demonstranten vor dem Festival haben natürlich recht mit ihren Bedenken, dass auf dem Festival und in der aktuellen Finanzbildung neben Bundesbank und Bafin aktuell private Initiativen vor allem der Finanzwirtschaft dominieren.
Dazu muss man allerdings ehrlicherweise auch anmerken, dass
a) dass in den letzten 20 Jahren weder von Unis noch von Kultusministerien und Landesbildungservern irgend etwas an Konzepten, Materialien oder Unterrichtsmaterialien für die Schulen und Lehrkräfte vor Ort gekommen ist
b) dass bis auf diverse Kotaus der Schuldnerberatungen vor der ING Diba das Sponsoring von Deutscher Bank, Diba und anderen Banken für Initiativen und Start-Ups inzwischen sehr indirekt und für Außenstehende kaum noch erkennbar ist, auch nicht bei den Inhalten, wo es Produkt- und Markenwerbungen kaum noch gibt.
Ich bin Lehrer an einer Berufsschule und engagiere mich auf unserem Nürnberger Bildungsserver kubiss.de. Es ist sicherlich bezeichnend, dass wir mit unserem Projekt „Bank-Azubis machen digitale Finanzbildung“ neben dem Mitveranstalter Hessen als einziger Bildungsserver und als einziges (halb-)staatliche Finanzbildungsangebot in ganz Deutschland auf dem Festival vertreten waren.
Ich habe auf dem Festival zahlreiche interessante Initiativen kennengelernt, die jetzt im Sog der Initiative des Finanzministeriums vor einem Jahr entstanden sind und interessante Angebote für Schulen haben. Von den 15 Forschungsvorhaben des Bildungsministeriums war hingegen auf dem Festival nichts zu sehen. Sie wollen nach meinem Kenntnisstand erst in einem halben Jahr erstmalig ihre Forschungskonzepte diskutieren, haben also dann 1 ½ Jahre lang nichts auf die Reihe bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass von den Unis in drei Jahren wie angekündigt tatsächlich Unterrichtskonzepte und –materialien kommen werden, kann man wohl mit der Wahrscheinlichkeit 0% ansetzen.
Auf diesem Hintergrund wäre es daher wohl richtiger, nicht gegen die zu protestieren, die sich engagieren, sondern gegen diejenigen, die nichts tun: Kultusministerien, Bildungsserver und Bundesbildungsministerium. Und sich dafür einzusetzen, dass die in den Ministerien verfügbaren Gelder nicht an die Organisationen gehen, die noch niemals etwas für Finanzbildung getan haben, sondern an die Initiativen, die sich seit Jahren tatsächlich um praktikable und alltagstaugliche Lösungen für Finanzbildung innerhalb und außerhalb des Unterrichts bemühen.

Ulrika
1 Jahr zuvor
Antwortet  Peter Kührt

Ihrem Punkt a widerspreche ich ausdrücklich und vehement. Schauen Sie beispielsweise nsch Rlp und bilden Sie sich fort.

Peter Kührt
1 Jahr zuvor
Antwortet  Ulrika

Wenn Sie mir sagen wo, gerne. Kann im Netz für Rheinland-Pfalz nichts finden, weder vom Staat, noch von einer Uni, nur eine Nachricht auf SWR: “Nun planen Finanz- und Bildungsministerium gemeinsam eine nationale Bildungsstrategie in Finanzwissen. Aber wie da was vermittelt werden soll, ist bisher unklar. Und auch, wer beteiligt sein könnte: Schulen, Verbraucherorganisationen oder gar Banken?” (https://www.swr.de/swrkultur/wissen/geld-auf-dem-lehrplan-finanzbildung-an-schulen-swr2-wissen-2023-11-04-100.html) Im Vergleich dazu sieht unser eigenes Angebot aus Nürnberg schon deutlich besser aus: http://www.kubiss.de/bildung/projekte/schb_netz/finanzbildung.htm

Peter Kührt
1 Jahr zuvor

GEW, Attac, Brenner-Stiftung und die Demonstranten vor dem Festival haben natürlich recht mit ihren Bedenken, dass auf dem Festival und in der aktuellen Finanzbildung neben Bundesbank und Bafin aktuell private Initiativen vor allem der Finanzwirtschaft dominieren und dass die Perspektiven der Verbraucher, Mieter und Arbeitnehmer etwas zu kurz kommen.
Dazu muss man allerdings ehrlicherweise aber auch anmerken, dass
a) in den letzten 20 Jahren weder von Unis noch von Kultusministerien und Landesbildungservern irgend etwas an Konzepten, Materialien oder Unterrichtsmaterialien für die Schulen und Lehrkräfte vor Ort gekommen ist; auch die vom Bundesbildungsministerium unterstützten 15 Forschungsvorhaben haben bis heute nichts auf die Reihe bekommen und diskutieren noch über ihre Forschungskonzepte
b) bis auf diverse Kotaus der Schuldnerberatungen vor der ING Diba das Sponsoring von Deutscher Bank, Diba und anderen Banken für Initiativen und Start-Ups inzwischen sehr indirekt und für Außenstehende kaum noch erkennbar ist, auch nicht bei den Inhalten, wo Produkt- und Markenwerbungen kaum noch vorkommen.
Ich bin Lehrer an einer Berufsschule und engagiere mich auf unserem Nürnberger Bildungsserver kubss.de. Es ist sicherlich bezeichnend, dass wir mit unserem Projekt „Bank-Azubis machen digitale Finanzbildung“ neben dem Mitveranstalter Hessen als einziger Bildungsserver und als einziges (halb-)staatliche Finanzbildungsangebot in ganz Deutschland auf dem Festival vertreten waren.
Ich habe auf dem Festival zahlreiche interessante Initiativen kennengelernt, die jetzt im Sog der Initiative des Finanzministeriums entstanden sind und interessante Angebote für Schulen haben. Von den 15 Forschungsvorhaben des Bildungsministeriums war hingegen auf dem Festival nichts zu sehen. Sie wollen nach meinem Kenntnisstand in einem halben Jahr ihre Forschungskonzepte diskutieren, haben also dann 1 ½ Jahre lang nichts auf die Reihe bekommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass von den Unis in drei Jahren wie angekündigt Unterrichtskonzepte und –materialien kommen, kann man wohl mit 0% Wahrscheinlichkeit ansetzen.
Auf diesem Hintergrund wäre es daher wohl richtiger, nicht gegen die zu protestieren, die sich engagieren, sondern gegen diejenigen, die nichts tun: Kultusministerien, Bildungsserver und Bundesbildungsministerium. Und sich dafür einzusetzen, dass die verfügbaren Gelder nicht an die Organisationen gehen, die noch niemals etwas für Finanzbildung getan haben, sondern an die Initiativen, die sich seit Jahren tatsächlich um praktikable und alltagstaugliche Lösungen für Finanzbildung innerhalb und außerhalb des Unterrichts bemühen.