HEIDELBERG. Um neue Ideen zu bekommen, muss man nicht immer weit reisen. Manchmal reichen ein paar Schritte vor die eigene Tür – oder ein paar Schritte hinein in die nächste Schule. „Meine Schule, deine Schule“, heißt das Projekt, bei dem sich Heidelberger Schulen aus diesem Gedanken heraus gegenseitig besuchen. Dabei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt des Schulamts Heidelberg und dem bundesweit aktiven Bürgerrat Bildung und Lernen. Seit dem Auftakt im November 2024 haben sich Schülerinnen und Schüler von insgesamt 13 Heidelberger Schulen gegenseitig besucht, als Gäste am Unterricht teilgenommen und Schulerfahrungen ausgetauscht. Mit dabei war auch die berufsbildende Carl-Bosch-Schule (CBS). Sie hatte Besuch von der Tiefburg Grundschule. Claus Seitz, Abteilungsleiter des Technischen Gymnasiums der CBS, berichtet im Interview über seine Eindrücke und welche Erkenntnisse er für sich aus dem Schultausch mitnimmt.

News4teachers: Ihre Schule hat an der Aktion „Meine Schule, deine Schule“ teilgenommen, bei der sich Schulen unterschiedlicher Schulformen gegenseitig einen Tag lang besuchen. Was haben Sie bisher daraus mitgenommen?
Klaus Seitz: Ich habe auf jeden Fall neue Perspektiven mitgenommen. Es gab bereits einige Diskussionsrunden, in denen ich Dinge gehört habe, die in meinem Alltag keine Rolle spielen, aber an anderen Schulformen schon. Dinge, die man sonst vielleicht eher aus den Medien hört. Es war spannend, davon nun direkt von Kollegen und Schülern zu hören. Dann gibt es aber auch Themen, die an jeder Schule vorkommen, was einen Austausch sinnvoll macht. Ich denke da an Themen wie psychische Erkrankungen bei Schülern, die definitiv zugenommen haben in den letzten Jahren, Schulabsentismus, Digitalisierung und so weiter.
News4teachers: Wie sind Sie zu dem Projekt gekommen?
Seitz: Angefangen hat es ja mit einer Veranstaltung der Stadt Heidelberg und dem Bürgerrat Bildung und Lernen, zu der alle Heidelberger Schulen eingeladen wurden. Das war im vergangenen Jahr im November 2024 und es fand eine Art Workshop statt. Daran teilgenommen haben rund zwanzig Schulen. Soweit ich mich erinnere, waren es zwei Berufsschulen, einige Grundschulen, Realschulen und ein paar Privatschulen. Am Anfang war mir zwar noch nicht ganz klar, worauf das Projekt eigentlich hinauslaufen würde, aber schon die Auftaktveranstaltung war sehr spannend. Und da unser Schulleiter und auch ich sehr an Austausch und Neuem interessiert sind, haben wir uns entschieden, mitzumachen.
News4teachers: Was genau hat Sie überzeugt?
Seitz: Besonders interessant war für mich, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler verschiedener Schularten kennenzulernen, denn normalerweise habe ich nur mit beruflichen Schulen und beruflichen Gymnasien zu tun. Ich bin Abteilungsleiter des Technischen Gymnasiums hier in Heidelberg und zuständig vor allem für die Jahrgangsstufe, also mit dem Abitur. Die Veranstaltung war einfach eine spannende Gelegenheit, auch mal von anderen Schulen, von den Schülerinnen und Schülern dort, zu hören, was sie sich wünschen und für die Zukunft vorstellen. Ich selbst hatte auch zwei Schüler von unserer Schule dabei und am Ende der Veranstaltung entstand die Idee, dass sich unsere Schulen dann in Eigenregie gegenseitig besuchen sollen.
News4teachers: Es entstand also eine Schultauschaktion in Heidelberg?
Seitz: Ja. Das Projekt heißt „Meine Schule, deine Schule”. Man konnte angeben, welche Schule man gerne besuchen würde, und ich habe eine Grundschule gewählt, die uns vor Kurzem auch besucht hat.

News4teachers: Warum haben Sie sich ausgerechnet für eine Grundschule entschieden?
Seitz: Zum einen hatte ich während der Auftaktveranstaltung kurz mit der Schulleiterin gesprochen, die sehr sympathisch war. Zum anderen kenne ich beispielsweise die Schulform Realschulen ohnehin gut, weil Realschüler das Hauptklientel für unser Technische Gymnasium sind. Besonders spannend war für mich deshalb der Besuch einer Grundschule, weil ich mit jüngeren Kindern sonst gar nichts zu tun habe. Unsere Schüler sind meist zwischen 15 und 18 Jahren alt, teils auch älter.
News4teachers: Wie lief der Besuch der Grundschülerinnen und -schüler bei Ihnen dann konkret ab?
Seitz: Nachdem ich wusste, welche Schule uns besuchen würde, habe ich mich mit der Schulleiterin abgestimmt und einen Termin gesucht. Sie kam dann mit zehn Dritt- und Viertklässlern, mit ihrer UNESCO- AG zu uns. Mir war schnell klar, dass unsere Werkstätten, besonders die Orthopädie- und Kfz-Abteilung, ein echtes Highlight für Außenstehende sind. Ich habe also einen Ablaufplan erstellt, der neben einer kurzen Begrüßung und einer Schulvorstellung vor allem praktische Elemente enthielt. In der Orthopädie haben die Kinder zum Beispiel einen Gipsabdruck ihrer Füße angefertigt, den sie später auch mit nach Hause nehmen durften. In der Kfz-Abteilung konnten sie sich ganz verschiedene Automodell anschauen und zuletzt ging es auch noch in die Metallwerkstatt.
Schön war, dass Schülerinnen und Schüler unserer Schule geholfen haben, die Kinder durch die Schule zu führen und alles erklärt haben. In der Kfz-Werkstatt haben sie zum Beispiel die Unterschiede zwischen einem Benziner, einem E-Motor und einem Wasserstoffauto erklärt, die man sich bei uns auch alle anschauen kann. Und ich glaube, das hat den Grundschülern viel mehr gebracht, als wenn wir Erwachsene das gemacht hätten.
News4teachers: Was denken Sie, haben die Grundschüler insgesamt aus diesem Besuch mitgenommen?
Seitz: Ich glaube oder hoffe, dass sie vor allem einen Eindruck davon bekommen haben, wie eine berufliche Schule aussieht, welche Möglichkeiten und Chancen darin stecken können. Vielleicht hat der eine oder andere dadurch eine Vorstellung bekommen, was er später machen möchte. Ich erlebe das häufig, auch bei meinen Schülern, dass sie ihr Abitur machen, aber dann eigentlich nicht wissen, wohin sie wollen. Wo sind ihre Stärken? Was möchten sie gerne machen? Daher finde ich es sinnvoll, schon früh kleine Anstöße zu geben und zu zeigen, welche Bandbreite es gibt.
News4teachers: Und wie sah der Gegenbesuch aus?
Seitz: Den mussten wir aufgrund von Krankheit leider verschieben. Er soll aber bald nachgeholt werden.
News4teachers: Was erhoffen Sie sich von dem Termin – für sich selbst und für Ihre Schülerinnen und Schüler?
Seitz: Es ist immer spannend, wenn man mit einer ganz anderen Altersgruppe und einer anderen Schulform in Kontakt kommt. Ich persönlich finde es natürlich interessant, mir auch das Konzept der Schule anzuschauen, zu vergleichen. Ich besuche wirklich gerne andere Schulen – sei es im Rahmen von Prüfungen oder anderen Gelegenheiten – und schaue mir an, wie sie bestimmte Dinge lösen. Das reicht von der Schulhausgestaltung bis hin zu den Konzepten für den Unterricht.
Allerdings war das nicht das Hauptziel dieser Schultauschaktion. Hier sollte es vor allem um die Schülerinnen und Schüler gehen, sie sollen sich austauschen, weshalb wir Lehrkräfte uns eher im Hintergrund hielten. Mein Eindruck war, dass die Schüler trotz des Altersunterschieds tatsächlich ins Gespräch gekommen sind. Ich selbst habe zwar nur Gesprächsfetzen mitbekommen, aber es ging oft um Schule, die Werkstätten, Schulausstattung und allgemein um Verbesserungsmöglichkeiten von Schule.
News4teachers: Bei der Auftaktveranstaltung im November gab es auch schon einen breit angelegten Austausch unter den Schülerinnen und Schülern der beteiligten Schulen. Gab es dabei etwas, das Sie besonders überrascht oder beeindruckt hat?
Seitz: Zunächst einmal fand ich es interessant, dass sich die Schülerinnen und Schüler ganz frei Gedanken machen konnten. Es ging um die Fragen: „Was wünscht ihr euch von Schule? Was sollte verändert werden?“ Sie konnten dann darüber diskutieren, ohne direkt an die Umsetzbarkeit oder die Finanzierung zu denken. Das fand ich eine spannende Herangehensweise. Überrascht haben mich die Ergebnisse dann nicht. Es war klar zu erkennen, dass sich viele Schüler mehr Mitspracherecht wünschen. Ein weiteres großes Thema war der schlechte bauliche Zustand vieler Schulen. Das betrifft ja nicht nur Heidelberg – deutschlandweit gibt es da Probleme. Und ein weiteres Dauerthema ist die Digitalisierung, bei der wir doch im Vergleich zu anderen Ländern sehr hinterherhinken. Natürlich machen sich die Schüler darum auch Gedanken.
News4teachers: Würden Sie insgesamt sagen, dass solche gegenseitigen Schulbesuche ein sinnvolles Format sind?
Seitz: Bestimmt wäre das sinnvoll und spannend, daraus etwas Regelmäßiges zu machen, aber es ist in der Praxis leider schwierig. Alles, was außerhalb des Unterrichts passiert – sei es eine Theateraufführung, eine Klassenfahrt oder eben solche Besuche –, bedeutet immer Unterrichtsausfall und Mehrarbeit. Dazu kommt, dass es oft Engpässe in den Kollegien gibt – durch Krankheit, Lehrermangel und so weiter. Natürlich wäre es interessant, noch mehr Schulen zu besuchen, gerade auch, um sich über Themen auszutauschen, die einen beschäftigen, aber es bräuchte einfach mehr Raum dafür im Schulalltag. News4teachers
O-Ton Klaus Seitz
Einige der Schüler an der CBS sind Vollzeitschüler, andere Teilzeitschüler, die zwischen Betrieb und Schule wechseln. Am Technischen Gymnasium können die Jugendlichen in der Oberstufe ein technisches Profil wählen, zum Beispiel Umwelttechnik, Informationstechnik oder Technik und Management.
Der Bürgerrat Bildung und Lernen ist ein Projekt der Montag Stiftung Denkwerkstatt aus Bonn. Die gelosten Mitglieder des Bürgerrat kommen aus ganz Deutschland. Gemeinsam entwickeln sie Empfehlungen für ein gerechtes und zukunftsfähiges Bildungssystem zu entwickeln. Auch Schülerinnen und Schüler unter 16 Jahren bringen ihre Perspektiven in die Beratungen des Bürgerrats ein. Das Ziel sind konkrete Empfehlungen, die der Bürgerrat an die Politik in Bund, Ländern und Kommunen übergibt.
Die aktuellen Empfehlungen des Bürgerrats sind hier abrufbar.
Tolles Projekt! Wobei ich der Meinung bin, dass es vor allem LuL und SL extrem gut tut, mal rauszukommen und andere Schulen kennenzulernen.
Ich habe letztens erst an einer anderen Schule einen Vormittag hospitiert, um mehr über sprachsensiblen Unterricht zu erfahren und darüber hinaus noch Einblicke in jahrgangsübergreifenden Unterricht zu erhalten. Hochspannung auch der sich daran anschließende Austausch mit den LuL vor Ort aber auch den anderen Gästen.
In meiner damaligen Fobi „Neu im Amt“ waren SL aller Schulformen vertreten und auch das war extrem inspirierend, auch zu erfahren, dass ganz gleich welche Schulform, alle dieselben Probleme haben. Wir haben uns dann in einer Arbeitsgruppe Gedanken über Gelingensbedingungen eines Ganztages in den jeweiligen Schulformen gemacht, uns gegenseitig besucht und uns intensiv ausgetauscht…..war wirklich toll.
Auch ein Austausch mit Schülern fände ich wirklich gut….
Es macht absolut Sinn, sich verschiedene Schulen und Schulformen einmal anzusehen und ggf. auch zusammenzuarbeiten. Gerade auch aufnehmende und abgebende Schulen. Das schafft Verständnis für die jeweils andere Arbeitsweise und lässt manche Probleme und Vorurteile erst gar nicht aufkommen. Durch den direkten Kontakt der Kollegen entstehen dann auch tolle Projektideen.
Eigentlich sollte sowas regelmäßig von der (Achtung!) Schulaufsicht angeregt und organisiert werden. Aber dann müssten sich ja auch die verschiedenen Dezernenten an einen Tisch setzen … ok, da hörts auf. Aber die Möglichkeit regelmäßiger Hospitationen in anderen Schulen wären schon schön.
Ganz ehrlich? Das kann ich als SL auf einem kurzen Weg schneller, besser und nachhaltiger. Wenn sich die Schulaufsicht dazwischenschaltet wird es bürokratisch und naja….dann muss ich evt noch Berichte schreiben und Nachweise führen und wer weiß was noch alles….ach ja, und dann fällt deswegen noch Unterricht aus….geht ja gar nicht……
Ich dachte eigentlich auch an eine unbürokratische und flächendeckende Umsetzung und nicht an Mehrarbeit für alle Beteiligten, außer den Wasserkopfbewohnern.
Wichtig wäre mir, dass es nicht bei Einzelaktionen bleibt, sondern dass das regelmäßig stattfindet.
Sobald sich ein „Wasserkopfbewohner“ dazwischenschaltet wird es bürokratisch und meiner Erfahrung nach arbeitsaufwändig für alle anderen.
Ich kenne das von etlichen Arbeitsgruppen, die das Schulamt organisiert. Da werden die LuL (die sich zumeist gar nicht freiwillig dafür gemeldet haben) zu Unzeiten ins Schulamt eingeladen und müssen dann irgendwelche Unterrichtseinheiten, die im luftleeren Raum hängen, in Kleingruppen planen…..anstatt auf Freiwilligkeit zu setzen werden Zwänge aufgebaut, die sehr zu Unmut führen…..
Hier werden wertvolle Ressourcen verballert….