Trotz rechtskräftigem Urteil: Lehrer muss erneut Vergütung von Vorgriffsstunden einklagen – GEW kritisiert Land scharf

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HALLE (SAALE). Lehrer Torsten Richter zieht erneut vor Gericht, obwohl er bereits im vergangenen Jahr in identischer Sache erfolgreich war. Darüber informiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen-Anhalt in einer aktuellen Pressemitteilung. Wie zuletzt fordert Richter vom Land Sachsen-Anhalt demnach die Vergütung der Vorgriffsstunden auch an Feiertagen.

Laut Urteil des Arbeitsgerichts Hallte muss das Land Sachsen-Anhalt Vorgriffsstunden auch vergüten, wenn sie auf Feiertage gefallen sind – und deshalb nicht stattgefunden haben. Symbolfoto: Shutterstock

Im Juli 2024 hatte das Arbeitsgericht Halle (Az.: 3 Ca 1900/23) entschieden, dass die Vorgriffsstunde auch dann zu vergüten ist, wenn sie wegen eines gesetzlichen Feiertags ausfällt. In seinem Urteil stellte es klar, dass die Vorgriffsstunde einen festen Bestandteil der regelmäßigen Arbeitszeit darstellt und somit unter die Entgeltfortzahlung an Feiertagen fällt.

Daraufhin zahlte das Land Sachsen-Anhalt laut GEW zwar im verurteilten Rahmen der Leistungsklage, verweigere aber in vergleichbaren Fällen weiterhin die Auszahlung. Torsten Richter, der zugleich Mitglied des GEW-Landesvorstandes ist, sieht sich deshalb gezwungen, erneut Klage einzureichen. „Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass ich trotz eines klaren und rechtskräftigen Urteils erneut den Klageweg beschreiten muss“, sagt Richter. Dies sei „nicht nur für mich persönlich belastend, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen zum Umgang mit gerichtlichen Entscheidungen im öffentlichen Dienst auf“.

Nächster Schritt: Feststellungsklage

Der erneute Gang vor Gericht erfolge nun im Rahmen einer Feststellungsklage. Die GEW kritisiert das Verhalten des Landes scharf. Die erneute gerichtliche Auseinandersetzung belaste das Vertrauensverhältnis zwischen Lehrkräften und Dienstherrn und binde unnötig Ressourcen, heißt es in der Mitteilung.

Die Vorgriffsstunde hatte Sachsen-Anhalt im Jahr 2023 eingeführt, um dem Lehrkräftemangel entgegenzuwirken. Lehrkräfte sind seither verpflichtet, eine zusätzliche Stunde pro Woche zu unterrichten. Diese können sich Lehrer*innen entweder vergüten oder auf einem Arbeitszeitkonto anrechnen lassen.

Verfahren um Grundsatzfrage in Revision

Der juristische Kampf, ob die Vorgriffstunde überhaupt rechtmäßig ist, tobt derweil weiter. Im Dezember 2024 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Revision im Normenkontrollverfahren zur Vorgriffstunde zugelassen (Az. BVerwG 2 BN 2.24; News4teachers berichtete). Damit muss sich nun die höchste Instanz mit der Rechtmäßigkeit der zusätzlichen Pflichtstunde für Lehrkräfte befassen.

In seiner Begründung verwies das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass die Einführung der Vorgriffstunde grundsätzliche Bedeutung hat. „Sie kann dem Bundesverwaltungsgericht Gelegenheit zur weiteren Klärung der Frage bieten, welchen Anforderungen Regelungen zur Verpflichtung von Lehrkräften zur Erbringung zusätzlicher Pflichtstunden („Vorgriffsstunden“) unterliegen.“ Nach Informationen der GEW sei mit einer Entscheidung in der grundlegenden Sache erst im zweiten Halbjahr 2025 zu rechnen. News4teachers

Lehrerin verweigert Mehrarbeit und wird gekündigt – rechtens, urteilt das Arbeitsgericht

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Ute mit Kätzchen
4 Monate zuvor

Ich bewundere ihn.
Mittlerweile gibt es ja woanders auch schon mehr freie Tage oder Urlaubstage.
Haben Lehrer überhaupt irgendeine Verbesserung in den letzten Jahren bekommen?
A13 für alle ist ja auch für Gym Lehrer mit Abi schlechter^

Homeoffice habt ihr auch nicht ^

Canishine
4 Monate zuvor

Es ist ja nun auch wirklich schwierig für die Länder, Lehrerarbeitszeiten korrekt zu erfassen (und zu bezahlen).

Fräulein Rottenmeier
4 Monate zuvor

„Im Juli 2024 hatte das Arbeitsgericht Halle (Az.: 3 Ca 1900/23) entschieden, dass die Vorgriffsstunde auch dann zu vergüten ist, wenn sie wegen eines gesetzlichen Feiertags ausfällt. In seinem Urteil stellte es klar, dass die Vorgriffsstunde einen festen Bestandteil der regelmäßigen Arbeitszeit darstellt und somit unter die Entgeltfortzahlung an Feiertagen fällt.“

Ich gestehe, ich bin verwirrt….um zu wissen, wo die Vorgriffstunde platziert ist, müsste sie ja im Stundenplan extra also stundenplanscharf ausgewiesen sein. Wenn dem so ist, ist das ja ein wahres Bürokratiemonster, denn für jeden Kollegen wäre diese Stunde ja in seinem Stundenplan anders platziert….was dann auch hieße, dass sie für die einen (weil nicht auf einen Feiertag platziert) bezahlt würde und für die anderen nicht….
Kann mir das jemand erklären?

Marie
4 Monate zuvor

Ich vermute mal, für das Amt liegt die Vorgriffsstunde automatisch auf einem eventuellen Feiertag.

Fräulein Rottenmeier
4 Monate zuvor
Antwortet  Marie

Ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Vorgehensweise rechtlich möglich wäre….

Marie
4 Monate zuvor

Was so alles angeblich rechtlich möglich ist, durften wir während Corona hinlänglich erfahren. Da waren Schulen z.B. plötzlich auch keine Arbeitsstätten mehr…

DienstnachVorschrift
4 Monate zuvor

Das ist korrekt. Bei den meisten Lehrkräften liegt die Vorgriffsstunde im selben Zeitraum (Montag, 1.Stunde), aber nicht bei allen. Bei Krankheit bei Beamten entfällt sie übrigens und gilt als nicht geleistet. Bei Angestellten ist es glaube ich wieder anders. Fakt ist, dass die Schulleitung für jede Lehrkraft die geleisteten Vorgriffsstunden separat ermitteln muss. Das ist in der Tat ein bürokratischer Albtraum. Allein was dabei an Zeit draufgeht.

Max
4 Monate zuvor

In Sachsen-Anhalt ist es tatsächlich so, dass die Lehrer selbst entscheiden können, wo die VGS liegt. Diese wird zu Beginn des Schuljahres nach Verortung der Lehrkraft fest im Stundenplan seitens der Planer verbucht. Vorher war es noch viel schlimmer, da ja bei Vertretungen die VGS meist herangezogen wurde und dann anschließend mit dem Mehr- und Minderzeitenkonto verrechnet wurde, was, wie wir durch Gerichtsurteile jetzt wissen, auch wieder nicht korrekt war.

dickebank
4 Monate zuvor

Sind Vorgriffstunden, die auf einen 29.02. eines Schaltjahres fallen, regelmäßige Arbeitszeiten? Ich hoffe, dass die zuständigen Stellen das rechlich abgeklärt haben:)