Mobbing in der Schule? Suizid von Neunjähriger erschüttert Frankreich 

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SARREGUEMINES. Frankreich steht unter Schock: In der Grenzstadt Sarreguemines (Saargemünd), nur rund 20 Kilometer von Saarbrücken entfernt, hat sich ein neunjähriges Mädchen das Leben genommen – offenbar, nachdem es über Monate hinweg in der Schule wegen seines Gewichts verspottet und ausgegrenzt wurde. Der Fall hat eine landesweite Debatte über Mobbing und die Verantwortung von Schulen ausgelöst.

An der Grenze. Foto: Shutterstock

Wie der Spiegel unter Berufung auf Polizeikreise berichtete, wurde die Leiche der Neunjährigen am vergangenen Samstag im Haus der Familie entdeckt. Sie habe einen Abschiedsbrief hinterlassen. Die Mutter gab laut der Nachrichtenagentur AFP an, ihre Tochter sei in der Schule „wegen ihres Gewichts gemobbt und verspottet“ worden. Nach Informationen der FAZ wurde das Mädchen, das in der Kleinstadt an der deutsch-französischen Grenze lebte, tot im Zimmer ihres Bruders gefunden.

Sie sei seit Beginn des Schuljahres immer wieder gehänselt worden – eine Klassenkameradin sagte dem Fernsehsender TF1: „Sie weinte jeden Tag. Sie sagte mir, dass sie es satt habe, dass sie es nicht mehr aushalte.“

Ein anderer Schüler berichtete der AFP, das Mädchen sei auch nach dem Unterricht von Mitschülern geärgert worden. Das Opfer habe kein Mobiltelefon besessen, ein Fall von Cybermobbing wird daher ausgeschlossen. Das Kind besuchte die fünfte Klasse der Grundschule Montagne Supérieure in Sarreguemines.

Reaktionen der Familie und der Schule

Die Familie steht unter Schock. Laut FAZ wussten die Eltern offenbar nichts von dem Ausmaß der seelischen Belastung. Zwei ältere Brüder der Verstorbenen räumten am Montag die Blumen und Kerzen weg, die Mitbürgerinnen und Mitbürger vor der Schule niedergelegt hatten, und ließen ein Schild anbringen: „Die Familie möchte nicht, dass Sie Blumen niederlegen.“

Die zuständige Schulbehörde Académie de Nancy-Metz teilte in einem Kommuniqué mit, die gesamte Bildungsgemeinschaft sei von dem Vorfall „zutiefst erschüttert“. Eine psychologische Anlaufstelle sei eingerichtet worden. Ob Lehrerinnen und Lehrer von dem Mobbing wussten oder es hätten erkennen müssen, ist Gegenstand der Ermittlungen. Staatsanwalt Olivier Glady erklärte gegenüber Medien, es gebe bislang keine Hinweise darauf, dass das Mädchen ihre Absicht angekündigt habe.

Laut der Zeitung Le Figaro soll die Schulaufsicht versucht haben, den Vater davon abzuhalten, eine Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gegen das Lehrpersonal zu stellen.

Politische Reaktionen und gesellschaftlicher Kontext

Auch Frankreichs ehemaliger Regierungschef und Bildungsminister Gabriel Attal äußerte sich zu dem Tod des Mädchens. Er sprach öffentlich von der „Plage des Mobbings“ – einem „langsam brennenden Gift, das das Selbstvertrauen untergräbt und zum Schlimmsten führen kann“. Attal erinnerte daran, dass er als Bildungsminister den Kampf gegen Mobbing zur Priorität gemacht hatte. So hatte er sich dafür eingesetzt, dass künftig nicht mehr die Opfer, sondern die Täter die Schule wechseln müssen. Zudem führte seine Regierung nach dänischem Vorbild Empathiekurse ein, um Schülerinnen und Schüler für Mitgefühl und soziales Verhalten zu sensibilisieren.

Bereits im Jahr 2023 hatte die damalige Premierministerin Élisabeth Borne einen „unerbittlichen Kampf gegen Mobbing“ angekündigt. Dennoch zeigen aktuelle Zahlen, dass rund zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler in Frankreich regelmäßig Mobbing erleben. Mehrere Suizide von Jugendlichen, die zuvor über anhaltende Demütigungen geklagt hatten, hatten das Thema immer wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Ein Land in Trauer – und viele offene Fragen

Vor der Schule in Sarreguemines legten Bürgerinnen und Bürger weiße Rosen nieder – bis die Familie um Ruhe bat. In den sozialen Netzwerken kursieren Bilder, die das Mädchen lächelnd an seinem letzten Geburtstag zeigen. Ende November wäre sie zehn Jahre alt geworden. Die Ermittlungen dauern an. Der Staatsanwalt kündigte an, „mit großer Vorsicht“ vorzugehen. News4teachers 

Hilfe bei Suizidgedanken

Wenn Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können.

Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich.

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222.
Der Anruf bei der Telefonseelsorge ist nicht nur kostenfrei, er taucht auch nicht auf der Telefonrechnung auf, ebenso nicht im Einzelverbindungsnachweis.

Ebenfalls von der Telefonseelsorge kommt das Angebot eines Hilfe-Chats. Die Anmeldung erfolgt auf der Webseite der Telefonseelsorge. Den Chatraum kann man auch ohne vereinbarten Termin betreten, mit etwas Glück ist ein Berater frei. In jedem Fall klappt es mit einem gebuchten Termin.

Das dritte Angebot der Telefonseelsorge ist die Möglichkeit der E-Mail-Beratung. Auf der Seite der Telefonseelsorge melden Sie sich an und können Ihre Nachrichten schreiben und Antworten der Berater lesen. So taucht der E-Mail-Verkehr nicht in Ihren normalen Postfächern auf.

Frankreich: Regierung will nach Schüler-Suiziden scharf gegen Mobbing an Schulen vorgehen

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6 Kommentare
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Adele Horn
7 Stunden zuvor

Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden die Mobber vornerum mit großen Augen schweigen und unter sich später hämisch feixen, dass das Mädchen endlich weg ist. Mit tatsächlicher Betroffenheit sollte da bitte kein Pädagoge rechnen, egal was Macron, die Schulen oder sonstwer unternimmt.

blau
7 Stunden zuvor

Wussten die Eltern vom Mobbing? Haben sie die Lehrer informiert und es passierte trotzdem nichts? Mobbing findet gezielt in unbeobachteten Bereichen statt, wodurch Lehrer es ohne Schuld übersehen können

Annemaus
5 Stunden zuvor

Das wichtigste Lied zum Thema Mobbing ist meiner Meinung nach “Hero (Red Pill Version)” von Superchick. Dieses Lied sollte meiner Meinung nach verpflichtend im Musikunterricht behandelt werden.

Uhrmacher
2 Stunden zuvor
Antwortet  Annemaus

Das “Gegenlied” ist dann wohl “Kinder an die Macht”!? Nein, im Ernst, warum nicht ein deutschsprachiges Lied für deutschsprachige Kinder (wenn es um hierzulande geht)?

Annemaus
1 Stunde zuvor
Antwortet  Uhrmacher

Weil mir kein deutsches Lied bekannt ist, das das Thema Mobbing mit solcher Klarheit und ungeschönt behandelt.

Uhrmacher
2 Stunden zuvor

Oh, das ist schlimm. Und es wird so viel gemacht gegen Mobbing heutzutage. Da sage nochmal jemand “Kinder an die Macht”.