STUTTGART. Der Philologenverband Baden-Württemberg wirft dem Kultusministerium des Landes einen gravierenden Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten vor. Hintergrund ist ein Streit um die digitale Bildungsplattform des Landes. Dabei geht es – grundsätzlicher – um den Datenschutz.

Konkreter Anlass der Auseinandersetzung ist der Umgang des Hauses – insbesondere des für Digitalisierung zuständigen Referats 23 – mit der Einführung des Lernmanagementsystems itslearning. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte zuvor festgestellt, dass die landesweite Bereitstellung des Systems ohne Beteiligung des Hauptpersonalrats Gymnasien gegen geltendes Personalvertretungsrecht verstoßen hat. Trotz dieser klaren Entscheidung hat das Kultusministerium am letzten Tag der Einspruchsfrist Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim eingelegt, wie die Philologen berichten.
Der Verband (PhV) reagiert mit deutlicher Kritik. Die Landesvorsitzende Martina Scherer erklärt, Mitbestimmung sei „kein optionaler Bonus“, sondern ein gesetzlich verankertes Recht. Wer dies ignoriere, zerstöre Vertrauen. Dass das Kultusministerium die Rechtslage nicht akzeptiere, sei „zutiefst empörend“. Der PhV fordert daher den sofortigen Rückzug der Beschwerde – und die Wiederaufnahme des gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmungsverfahrens.
Nach Einschätzung des Verbands zeige der Vorgang ein grundlegendes strukturelles Problem: Entscheidungen über digitale Infrastruktur würden „in Gutsherrenart“ getroffen, ohne die zwingend zu beteiligenden Gremien einzubeziehen. Das Verwaltungsgericht habe bestätigt, dass die Einbindung örtlicher Personalräte nicht genügt, wenn es um landesweite Systeme mit erheblicher Relevanz für Datenschutz und Arbeitsbedingungen geht. Die Mitbestimmung müsse in diesen Fällen zwingend auf Ebene des Hauptpersonalrats erfolgen.
„Wer Digitalisierung durchdrückt und dabei das Personalvertretungsrecht bewusst ignoriert, handelt nicht modern, sondern zutiefst autoritär“
Der PhV fordert vom Ministerium verbindliche Zusagen, künftig alle Mitbestimmungsrechte zu beachten – insbesondere im Hinblick auf weitere Module der digitalen Bildungsplattform schule@bw. Außerdem verlangt er eine transparente Offenlegung aller Entscheidungswege rund um itslearning, Moodle, F13, telli und minnit sowie verlässliche Verfahren anstelle vollendeter Tatsachen.
Die Auseinandersetzung über itslearning hat eine lange Vorgeschichte. Schon 2022 hatte der Hauptpersonalrat Gymnasien seine Zustimmung zu dem vom Datenschutzbeauftragten des Landes empfohlenen System verweigert – wegen Datenschutzbedenken. Der Datenschutzbeauftragte hatte damals Microsoft 365 aufgrund möglicher Datenübermittlungen in die USA scharf kritisiert, gleichzeitig aber itslearning empfohlen, obwohl er in seinem eigenen Jahresbericht auf datenschutzrechtliche Probleme bei der Plattform hingewiesen hatte. Vertreter des Philologenverbands verweisen seit Langem auf die Risiken von Diensten, deren Datenverarbeitung über US-amerikanische Firmen läuft.
Nichtsdestotrotz arbeitet das Kultusministerium mit dem Anbieter. „Itslearning ist ein zentraler Teil der Digitalen Bildungsplattform SCHULE@BW. Schulen können über den SingleSignOn-Prozess itslearning nutzen und zur Unterstützung von digital gestütztem Unterricht einsetzen“, so heißt es auf der Homepage des landeseigenen Instituts für Bildungsanalysen Baden-Württemberg.
Parallel zum Streit über Datenschutz und Technik wächst die Kritik an der gesamten Digitalstrategie des Landes bei den Schulen. Lehrkräfte, Eltern und Schüler hatten bereits 2022 in einer Petition bemängelt, dass landeseigene Lösungen in der Vergangenheit mehrfach überlastet gewesen seien und die Schulen durch ideologisch geführte Debatten „in die Steinzeit“ zurückgeworfen würden. Baden-Württemberg war zuvor mit seiner eigenen Schulcloud „ella“ gescheitert; andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen benötigen für vergleichbare Systeme seit Jahren Entwicklungszeit.
Der aktuelle Rechtsstreit verschärft die Konfliktlinie zwischen Ministerium und Personalvertretung. Nach Angaben des Philologenverbands werde der HPR Gymnasien mit aller Konsequenz darauf dringen, dass Mitbestimmungsrechte künftig nicht nur auf dem Papier bestehen, sondern praktisch umgesetzt werden. Die Erwartung an das Ministerium sei klar: Der Dialog müsse sofort wieder aufgenommen werden, und ähnliche Versäumnisse dürften sich in Zukunft nicht wiederholen. „Wer Digitalisierung durchdrückt und dabei das Personalvertretungsrecht bewusst ignoriert, handelt nicht modern, sondern zutiefst autoritär“, so Martina Scherer. News4teachers








