Bundesländer-Ranking: Bremen mit vorn, NRW abgeschlagen

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Prof. Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln stellt der Presse die Ergebnisse der Studie vor.

KÖLN. Sachsen hat das leistungsfähigste Bildungssystem aller Bundesländer – meint jedenfalls der Bildungsmonitor 2011, eine Vergleichsstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Das politisch stark beachtete Bundesländer-Ranking soll anhand von 111 Indikatoren bewerten, welche Fortschritte das Bildungssystem eines Bundeslandes auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit und Wirtschaftswachstum erreicht hat. Platz zwei belegt mit Thüringen ein weiteres ostdeutsches Land vor Baden-Württemberg und Bayern. Rheinland-Pfalz, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt folgen auf den Plätzen fünf bis zehn. Elfter bis Fünfzehnter sind das Saarland, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Hamburg und Schleswig-Holstein. Schlusslicht der Vergleichsstudie ist Berlin. Lehrerverbände übten massive Kritik an der Studie.

Die Studie bescheinigt allerdings fast allen Bundesländern bessere Bedingungen für die Förderung von Wachstum und Gerechtigkeit als noch im Jahr zuvor. Gegenüber den Ergebnissen 2010 habe Mecklenburg-Vorpommern am deutlichsten zulegen können, teilt die INSM mit. Starke Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr wiesen auch Thüringen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Hessen auf.

Auf dem Weg zu mehr Bildungsgerechtigkeit sind der INSM zufolge erhebliche Fortschritte erzielt worden. Es ließen sich erste positive Tendenzen für eine bessere individuelle Förderung der Schüler erkennen. Noch zur Jahrtausendwende hätten pro Schüler wesentlich weniger Ganztagsplätze und Lehrer an Grundschulen zur Verfügung gestanden als heute. Bezogen auf heutige Schülerzahlen bedeute dies ein Plus von knapp 500.000 Ganztagsplätzen und mehr als 20.000 Lehrern an Grundschulen. Positiv habe sich auch der Kampf gegen die Bildungsarmut entwickelt: Die Schulabbrecherquote sei im Jahr 2000 höher gewesen, ebenso der Anteil der jungen Menschen ohne Ausbildungsreife. Die Chancen in der beruflichen und akademischen Bildung hätten sich ebenso verbessert:

Die Fortschritte bei der Bildungsgerechtigkeit zahlen sich laut INSM bereits heute ökonomisch aus. So habe die seit dem Jahr 2000 gestiegene Hochschulabsolventenquote dazu geführt, dass es heute mehr als 400.000 zusätzliche Akademiker in Deutschland gebe, davon knapp 125.000 in den MINT-Fächern. Allein dieser Zuwachs bedeute für das Jahr 2009 eine zusätzliche Wertschöpfung von mehr als 6,8 Milliarden Euro für die deutsche Volkswirtschaft.

In die Studie Bildungsmonitor 2011 wurden den Autoren zufolge 111 Indikatoren einbezogen – darunter Indikatoren zur Beschreibung der Infrastruktur wie das Angebot an Ganztagsschulen und Kitas sowie die Betreuungsrelationen an Schulen, Indikatoren, die den Zugang zu Bildung beschreiben wie Schulabbrecherquoten und der Anteil der Schüler, die von Bildungsarmut betroffen sind und Indikatoren, die den Zugang zu höheren Bildungsabschlüssen messen wie Abiturientenquoten an beruflichen und allgemeinen Schulen oder Ingenieurabsolventen. Damit messen die Indikatoren sowohl Aspekte der Bildungsgerechtigkeit als auch Impulse des Bildungssystems zur Stärkung der Qualifikationen der Volkswirtschaft. Die zu Grunde liegenden Daten beziehen sich zumeist auf das Jahr 2009: zum jetzigen Zeitpunkt lägen keine aktuelleren statistischen Daten in Deutschland vor, hieß es.

Für den Deutschen Lehrerverband (DL) ist der Bildungsmonitor 2011 „irreführend und wissenschaftlich peinlich“, wie dessen Präsident Josef Kraus befand. „Irreführend ist erstens, dass sich die Verantwortlichen für dieses Monitoring erneut von Quoten blenden lassen. Dabei müsste man doch längst wissen, dass sich Qualität und Quote reziprok verhalten und dass hohe Quote oft um den Preis einer Absenkung von Ansprüchen erkauft wird. Das Beispiel Bremens etwa mit dem Spitzenplatz bei der Akademisierung belegt dies. Denn dieser vermeintliche Spitzenplatz wird – wie alle PISA-Studien belegen – um den Preis eines niedrigen Anspruchsniveaus erkauft“, sagte Kraus.

Irreführend sei zweitens, dass in der INSM-Studie Länder beim Faktor Integration auf Spitzenplätzen landen, die aufgrund der Umstände keinerlei Probleme mit einer multiethnischen Jugend und die zudem geringe Geburtenraten hätten. Während die drei größten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg beispielsweise Migrantenanteile von 20 bis 35 Prozent hätten, seien es in Sachsen und Thüringen zwischen drei und fünf Prozent. „Irreführend ist drittens, dass in der Studie zwar 111 Kriterien aufgelistet werden, eines der wichtigsten Kriterien für Bildungsqualität, nämlich die Unterrichtsdichte, nicht vorkommt.“, meinte der DL-Chef. Kraus forderte die INSM auf, Studien dieser Art zukünftig auf eine seriöse Basis zu stellen oder ganz zu unterlassen. In der vorliegenden Form sei „dieser Zahlen- und Ranking-Salat wissenschaftlich peinlich und überflüssig wie ein Kropf“. Eine solche Studie befördere allenfalls den Trend, Bildung immer mehr unter das Diktat der Ökonomie zu stellen. Auch die Lehrergewerkschaft GEW kritisierte die Studie als „neoliberal“.

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