Das Gehirn herausfordern

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Hochbegabte Kinder sollten kreative Aufgaben bekommen, rät die Expertin Christiane Poschlad.

Forum Schule: Wie kann ein Lehrer erkennen, ob ein Kind hochbegabt ist?

Christiane Poschlad: Es gibt so viele Facetten, dass man nicht sagen kann: So ist das hochbegabte Kind. Aber wenn das Kind oft auf erstaunliche Gedanken kommt, könnte dies ein Hinweis sein. Oft läuft ein hochbegabtes Kind bei der Aufsicht neben dem Lehrer her und stellt Fragen, weil es mit einem Erwachsenen sprechen möchte. Hochbegabte können eine sehr hohe Merkfähigkeit haben, schnell begreifen und Transfers ziehen. Oft sprechen sie schon früh in ganzen Sätzen und grammatikalisch richtig. Sie beschäftigen sich gerne mit Zahlen, und ihnen fallen Strukturen wie gerade und ungerade Hausnummern auf oder sie bringen sich vor Schulbeginn das Lesen selbst bei. Das alles kann, muss aber nicht zutreffen.

Christiane Poschlad
Christiane Poschlad ist Pädagogin und bei der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind im Referat Lehrerfortbildung und am Beratungstelefon für Lehrer tätig. (Foto: privat)

Forum Schule: Bringen hochbegabte Kinder tatsächlich sehr gute Leistungen?

Christiane Poschlad: Nicht jedes Kind, das gute Leistung zeigt, ist hochbegabt. Ebenso wenig zeigen Hochbegabte immer gute Leistungen. Von hochbegabten Kindern wird erwartet, dass sie sehr gute Leistungen bringen, aber das ist nicht ohne richtige Förderung erreichbar. Genau wie im Sport die Muskeln trainiert werden müssen, muss das Gehirn trainiert werden.

Forum Schule: Was passiert, wenn eine Hochbegabung nicht erkannt wird?

Christiane Poschlad: Es kann sein, dass Kinder, die unterfordert sind, verhaltensauffällig werden. Das kann Clownerie sein, das können Aggressionen und – bei andauernder Unterforderung – auch Depressionen sein. Unterforderung kann dazu führen, dass das Kind abschaltet und das Lernen nicht lernt.

Forum Schule: Wie kann das verhindert werden?

Christiane Poschlad: Es gibt mehrere Wege. Die Schullaufbahn kann beschleunigt werden und das Kind kann eine Klasse überspringen. Oder es geht in deutlich definierten Phasen aus dem Unterricht heraus und macht etwas Anderes, Anspruchsvolles, das außerhalb des regulären Lehrplans liegt. Dann spricht man vom Drehtürmodell. Aber auch der Unterricht selbst kann angereichert werden.

Forum Schule: Wie sieht das konkret aus?

Christiane Poschlad: Den Kindern können Aufgaben gestellt werden, die ein breites Spektrum bieten und sich vom Niveau oder der Anforderung unterscheiden. Wenn ein Erstklässler super rechnen kann, sollte er nicht üben, die 8 zu schreiben. Er sollte Aufgaben erfinden, die immer 888 als Ergebnis haben. Oder wenn ein neuer Buchstabe eingeführt wird und die Kinder Wörter mit diesem Buchstaben schreiben sollen, dann könnten Hochbegabte einen Satz oder eine Geschichte schreiben, in denen viele Wörter mit diesem Buchstaben vorkommen. Das wäre eine Differenzierung, die Kreativität herausfordert. Auch Unterrichtsthemen können sehr frei gehalten werden: Zum „Sonnensystem“ kann ein Schüler etwas über den Mond schreiben, ein anderer über die Mondfinsternis. Das ist vom Niveau her völlig unterschiedlich, und das Thema ist dasselbe. Ganz wichtig ist es auch, dass das hochbegabte Kind nicht nach den Pflichtaufgaben eine Zusatzaufgabe bekommt, sondern leichte Aufgaben weglassen und sofort schwierigere Aufgaben lösen darf.

Frauke König führte das Gespräch.

Aus: Forum Schule 3/2009

www.dghk.de

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