Ausstellung: Die Ästhetik der Wissenschaft

0

TÜBINGEN. Mit einer Ausstellung beleuchtet das Museum der Universität Tübingen die Wechselwirkung von Schönheit und Wissenschaft.

Ist Wissenschaft schön? Meistens nicht – schließlich sind Forscher ja keine Künstler. Aber manchmal bringen wissenschaftliche Projekte Ergebnisse zutage, die es mit den schönen Künsten locker aufnehmen können. Das Museum der Universität Tübingen hat nun einige davon zu einer Ausstellung zusammengeführt. Unter dem Titel «Wie Schönes Wissen schafft» sind rund 130 Exponate aus Zoologie, Botanik, Mineralogie und Neurowissenschaften zu sehen. Die Ausstellung im Schloss Hohentübingen läuft bis zum 1. September.

Pyrit
Schöne Struktur aus der Mineralogie: Pyritkristall. Foto: dierk schaefer /Flickr (CC BY 2.0)

«Wir wollten Aspekte der Ästhetik in der wissenschaftlichen Arbeit sichtbar machen», sagte Museumsleiter Ernst Seidl am Donnerstag. Auch die Wechselwirkung, wie Schönheit Wissenschaft beeinflusst und umgekehrt, soll gezeigt werden.

Wissenschaftler ordnen, kategorisieren, klassifizieren – in diesem Bestreben stecke manchmal auch eine Klarheit und Schönheit der hierarchischen Ordnung. Spektakulär zeigt das ein acht Meter langes und zweieinhalb Meter hohes gehäkeltes buntes Korallenriff: «The Föhr Reef» der Schwestern Christine und Margaret Wertheim. Über 700 Frauen haben sich am Häkeln beteiligt. Es visualisiert mathematische Probleme, wie sich Raum ausdehnt.

Im Mittelpunkt wissenschaftlichen Arbeitens steht das Experiment. Doch gibt es auch ein schönes, vielleicht sogar das schönste Experiment der Menschheit? Eine US-Fachzeitschrift hat 2002 das schönste physikalische Experiment der Menschheit gesucht – und es bei Claus Jönsson in Tübingen gefunden. Als Doktorand bewies er 1960, dass ein Elektron sich nicht nur als Teilchen, sondern als Welle verhalten kann. Jönssens Beugungsbilder, sein Versuch zur Interferenz von Elektronen am Doppelspalt, trugen zu einem neuen Verständnis in der Quantenphysik bei – und sind zugleich hübsch anzusehen. Das Ergebnis erinnert an einen Zebrastreifen.

Doch die Schau zeigt nicht nur Schönes. Zur Ästhetik gehört auch die Hässlichkeit – wie das Präparat eines kleinen Krokodils. Und das Schreckliche – etwa das Wachsmodell eines entstellten Gesichtes einer Syphilis-Erkrankten, das man Medizinstudierenden zu Lernzwecken zeigte. Gerade für die Medizin sei auch das Gegenteil des Schönen ein Antrieb zur Forschung, sagte Seidl.

Schönes und Hässliches entschied manchmal auch über das Fortkommen einer Kultur, erklärte Seidl. So stellten Historiker die Theorie auf, dass nachlässig geprägte Münzen eher aufzufinden sind, wenn sich eine Kultur im Niedergang befand, während schöne Münzen Aufstiegs- und Blütephasen zugeordnet werden.

Insgesamt ist die Schau in zehn Abteilungen gegliedert. Selbsterklärend sind die Ausstellungsstücke allerdings nicht alle – der Betrachter muss sie sich durch Texte oder Führungen erschließen. (Susanne Rytina, dpa)

(21.04.2013)

Webseite zur Ausstellung: „Wie schönes Wissen schafft“

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments