NRW-Schulkonsens: Mehr Bildungsgerechtigkeit auf Kosten der Qualität?

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DÜSSELDORF. Drei Jahre alt ist der Schulkonsens, mit dem Regierung und Opposition in Nordrhein-Westfalen den 40-jährigen Streit um die Schulstruktur vorerst beendet hatten. Schulministerin Löhrmann zog nun im Landtag eine positive Bilanz, die von der Opposition keineswegs geteilt wird. Die CDU kündigte Auseinandersetzungen zu allen Bildungsfragen an.

Immer mehr Gesamtschulen und Sekundarschulen als Orte des längeren gemeinsamen Lernens und zugleich weniger Haupt- und Realschulen: Nordrhein-Westfalens Schullandschaft hat sich auch als Folge auf den Schulkonsens von 2011 deutlich verändert. Darauf verwies Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) am Donnerstag in Düsseldorfer Landtag in einer ersten Bilanz seit der Einigung zwischen SPD, Grünen und CDU vor knapp drei Jahren. Löhrmann betonte: «Der Schulkonsens wirkt – in einem Maß, das unsere Erwartungen übertrifft.»

Sylvia Löhrmann am Rednerpult
Der Schulkonsens wirkt, befand NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann. Dennoch herrschte heute im Landtag nicht gerade Friede, Freude, Eierkuchen. Foto: Bündnis 90/Die Grünen Nordrhein-Westfalen / Wikimedia Commons (CC-BY-SA-2.0)

Kritik kam dagegen von der FDP und den Piraten. Für die CDU kündigte Fraktionschef Armin Laschet – trotz der Einigung von 2011 – weitere Auseinandersetzungen zu allen Bildungsfragen von der Kita bis zur Hochschulpolitik an.

Im laufenden Schuljahr besuchen laut Ministerin rund 30 Prozent der Schüler in den Eingangsklassen der Sekundarstufe I eine Schule des längeren gemeinsamen Lernens. Zum kommenden Schuljahr werde es 110 Sekundarschulen – sie gehen bis zur zehnten Klasse – geben, die erst mit dem Schulkonsens an den Start gehen konnten. Mindestens in den Klassen fünf und sechs werden die Kinder dort schulformübergreifend gemeinsam unterrichtet. Vorgeschrieben ist die Kooperation mit einem Gymnasium, einer Gesamtschule oder einem Berufskolleg, um gymnasiale Standards und einen nahtlosen Übergang zum Abitur sicherzustellen.

Löhrmann betonte, die Sekundarschulen werden sehr offensiv genutzt. Auch die Zahl der Gesamtschulen, die lange stagnierte, sei seit 2012 gestiegen – um 73 Neugründungen. In allen Kreisen und vielen kreisfreien Städten seien Schulen des gemeinsamen Lernens inzwischen fest verankert. Zugleich werden zum Schuljahr 2014/15 landesweit 166 Hauptschulen und 137 Realschulen auslaufen.

Der Wandel in der Schullandschaft hänge auch mit einem veränderten Schulwahlverhalten der Eltern zusammen, sagte die Ministerin. Ziel des bis zum Jahr 2023 geltenden Konsenses sei es, dem Elternwillen entgegenzukommen, auf die zurückgehenden Schülerzahlen zu reagieren und den kommunalen Schulträgern mehr Handlungsspielraum zu geben. 197 Schulträger – also die Hälfte aller Kommunen – hätten sich nun aufgemacht, ihre Schullandschaft neu zu ordnen. Die Gründung neuer Sekundar- und Gesamtschulen werde weitergehen.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner beklagte, der Fokus werde einseitig auf Schulen des gemeinsamen Lernens gelegt. Die Gymnasien seien benachteiligt, obwohl sie weiterhin die beliebteste Schulform darstellten. Löhrmann habe mehr Bildungsgerechtigkeit versprochen, opfere dafür aber die Bildungsqualität.

Laschet kündigte an, die CDU werde weiter auf die bestehenden Probleme in der Bildungspolitik aufmerksam machen. Die Versorgungsquote bei den Betreuungsplätzen für Unterdreijährige bleibe schwach, die geplante Abschaffung von Delfin-Sprachtests für Vierjährige in den Kitas sei ein Fehler. Laschet kritisierte Unterrichtsausfälle an den Schulen und eine mangelhafte Umsetzung der Inklusion, des gemeinsamen Lernens von behinderten und nichtbehinderten Kindern. Rot-Grün wolle Inklusion «mit der Brechstange», ohne ausreichende finanzielle Mittel oder Vorbereitung der Schulen durchsetzen.

zum Bericht: VBE zieht positive Bilanz des Schulkonsens in NRW – sieht aber weiterhin Handlungsbedarf

zum Bericht: Schulkonsens in Nordrhein-Westfalen – Vorbild für Deutschland?

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