Schulleiter gehen bei Schüler-Demo offenbar die Nerven durch: Anklage wegen Körperverletzung im Amt

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WORBIS. Die Bilder, veröffentlicht auf der Homepage der Thüringer Allgemeine, verheißen nichts Gutes für den Schulleiter eines Gymnasiums im Thüringer Worbis. Darauf ist zu sehen, wie er eine Schülerin aus einer Menge demonstrierender Schüler herausführt – und das sich offenbar windende Mädchen zu einer Treppe schleift, auf der es stürzt. Tatsächlich ist der Direktor jetzt angeklagt: Er muss sich vor Gericht wegen mutmaßlicher Körperverletzung im Amt verantworten. Und er hat die Vorwürfe im Wesentlichen eingeräumt.

Screenshot vom Bericht der Thüringer Allgemeinen.
Screenshot vom Bericht der Thüringer Allgemeinen.

Anlass des Ärgers war ein Schulhof-Konzert mit dem Popstar Graham Candy, das die Schüler bei einem Radiowettbewerb gewonnen hatten. Schulamt und Landratsamt verboten den halbstündigen Auftritt jedoch – wogegen die Schüler dann lautstark protestierten. Das Mädchen wohl besonders laut: Die damals 16-Jährige ist auf den Fotos mit einer Vuvuzela zu sehen, einer Riesentröte also. Und diese Tröte soll den Schulleiter so sehr erzürnt haben, dass er handgreiflich geworden sein soll. Pikant: Anzeige gegen ihn erstattete die Mutter der Zehntklässlerin; und die ist ebenfalls Lehrerin an dem Gymnasium.

Thüringens Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) missbilligte bereits das Verhalten des Schulleiters. „Es darf keinem so die Sicherung durchbrennen“, sagte sie unmittelbar nach dem Geschehen vor gut einem Jahr. Es seien bei dem Verbot des Konzerts „sehr viele kommunikative Fehler“ gemacht worden, die Informationspolitik sei „suboptimal“ gewesen. Gleichzeitig appellierte Klaubert, selbst Lehrerin, den Direktor nicht vorzuverurteilen: „Geben Sie dem Mann eine Chance!“

Vor Gericht stellte sich das heute als nicht so einfach dar. Der Prozess wurde am Montag kurz nach Beginn unterbrochen. Die Verhandlung soll in 14 Tagen fortgesetzt werden. Die Aussagen des Angeklagten, der betroffenen Schülerin und deren Mutter gingen zu weit auseinander, begründete der Richter am Amtsgericht Heiligenstadt die Unterbrechung. Deswegen sollten mindestens zehn weitere Zeugen gehört werden. Ursprünglich war nur ein Verhandlungstag vorgesehen.

Dabei bestätigte der angeklagte Schulleiter die Vorwürfe im Wesentlichen. Zu Unterrichtsbeginn habe er das Fehlen mehrerer Schüler bemerkt und sei auf den Schulhof gegangen. Dort eskalierte die Situation. Er habe die Schülerin mit einer, später mit beiden Händen am Oberarm gepackt, sagte der 52-Jährige. «Ich habe sie zwei Mal vergebens aufgefordert, mir ins Büro zu folgen», berichtete er. Zuvor habe die damals 16-Jährige sich bereits geweigert, ihre Vuvuzela abzugeben. Er sei angespannt gewesen, räumte der Pädagoge ein, der seit 26 Jahren am Gymnasium tätig ist. Aber: «Ich habe nicht derber zugefasst als notwendig.» Er habe das Mädchen nicht zielgerichtet, sondern rein zufällig ausgewählt.

«Er hat mich am Arm gepackt und schob mich vor sich her», sagte die betroffene Schülerin vor Gericht. Zudem hätten sie sich angeschrien. Sie sei an der Treppe zu Fall gekommen, habe Hämatome und eine Verletzung an der linken Hand erlitten. Ihre Vuvuzela habe sie aus Angst, sie nicht zurückzubekommen, nicht hergeben wollen. Die Mutter der inzwischen 17-Jährigen will die Auseinandersetzung von einem Fenster aus beobachtet haben und deswegen nach unten gegangen sein. «Ich forderte ihn auf, sie loszulassen», sagte die 46-Jährige, die als Lehrerin an der Schule arbeitet. Ihrer Auffassung nach ist das Verhalten ihres Kollegen nicht angemessen gewesen.

Angeklagter und Lehrerin haben nach eigenen Angaben «unterschiedliche Auffassungen zu pädagogischer Arbeit». Er sei mehr für Verbote und Drohungen, sie für Argumente und Kompromisse, erklärte die Frau.

Strafrichter Gerrit Sprenger sprach nach 90-minütiger Verhandlung von einem «Grenzfall». Seiner Auffassung nach liegt eine Körperverletzung im Amt vor – was eine Strafe von drei Monaten bis fünf Jahren Gefängnis bedeuten kann -, man könne das Verfahren aber auch gegen eine Geldauflage einstellen.

Die Schüler sind übrigens längst auf ihre Kosten gekommen. Der Radiosender schickte Graham Candy für ein Ersatzkonzert nach Worbis – allerdings in eine Diskothek in der Stadt. News4teachers

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