So bleiben Sie im Lehrerberuf gesund! Eine Entlastungsstrategie – vorgestellt von der Kollegien-Trainerin Stephanie Bartsch

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OSNABRÜCK. Im nachfolgenden Artikel werden Sie eine Herangehensweise bei negativen Beanspruchungen im schulischen Alltag kennen lernen, die es Ihnen ermöglicht, sich schnell zu entlasten. Dabei kommen Lösungen in Sicht, die Sie so auf Anhieb vielleicht gar nicht vermutet hätten – verspricht die Autorin, die Lehrer-Trainerin Stephanie Bartsch.

Viele Lehrkräfte fühlen sich psychisch stark belastet, ausgebrannt. Foto: fakelvis / Flickr (CC BY-SA 2.0)
Viele Lehrkräfte fühlen sich psychisch stark belastet, ausgebrannt. Foto: fakelvis / Flickr (CC BY-SA 2.0)

Wenn ich in Kollegien abfrage, was sie im beruflichen Alltag belastet, dann kommen die Antworten häufig aus folgenden Bereichen:

  • Arbeits- und Sozialverhalten der Schülerinnen und Schüler
  • Klassengröße
  • Vertretungsunterricht
  • Räumlichkeiten (fehlender Arbeitsplatz, kleines und lautes Lehrerzimmer)
  • Inklusion
  • Elternkooperation (sowohl Anspruchshaltung, als auch mangelnde Kooperation)
  • Lärm
  • Teamarbeit, Verlässlichkeit und an einem pädagogischen Strang ziehen
  • Gratifikation und Wertschätzung der Arbeit
  • Transparenz, Planbarkeit und Information durch Leitung
  • Zwei Arbeitsplätze
  • Ausstattung
  • Gerechtigkeit bei der Arbeitsbelastung im Kollegium.

Der Psychotherapeut Prof. Andreas Hillert und sein Team haben aus einem therapeutischen Angebot an der Roseneckklinik am Chiemsee ein Präventionsangebot entwickelt, das sie AGIL genannt haben. Das Kürzel steht für „Arbeit und Gesundheit im Lehrberuf“. Dieses Präventionsangebot umfasst 4 x4 Stunden, aber ich habe für Sie hier eine Kernentlastung, mit der Sie schon gut arbeiten können, zusammengefasst.

Nehmen wir eine der Belastungsfaktoren aus der oberen Liste, zum Beispiel „Zu enges und lautes Lehrerzimmer“.

Zunächst fragen wir uns nach Prof. Hillerts Methode:

Woran merke ich, dass mich das belastet? Welche Auswirkungen hat der Umstand, dass es laut ist und wir alle wenig Platz haben?

Dieser Schritt nennt sich Achtsamkeit, er ist wichtig, da wir uns teilweise nur entlasten können, wenn wir wirklich spüren, wo die Schieflage besteht und dies zunehmend frühzeitig und nicht erst, wenn wir einen Tinnitus erleiden.

Beispielsweise könnte das in unserem Fall folgende Belastungen oder negative Auswirkungen ergeben:

  • Erhöhter Puls
  • Aggressivität, Reizbarkeit
  • Nervosität
  • Unkonzentriertheit
  • Kopfschmerzen
  • Vertagen von Aufgaben, die erledigt werden könnten, da kein Arbeitsplatz vorhanden ist
  • Wichtige Zettel verschwinden unter anderen Infomaterialien
  • Unlust, in das Lehrerzimmer zu gehen
  • Schlechte Luft
  • Nackenschmerzen durch Muskelanspannung
  • Es finden nicht alle einen Platz
  • Schlechtere Stimmung im Team

Die nächsten Schritte stehen gleichwertig nebeneinander, die Reihenfolge der Bearbeitung ist unwichtig. Meine Beispiele sind nur Ideen, sie passen nicht auf jede Situation und sie dienen lediglich der Verdeutlichung dieser AGIL-Methode. Sie können diese Vorgehensweise auf jede Belastung oder jedes Problem anwenden.

Es sind Entlastungen in den Gebieten der Denkhaltung, der Möglichkeiten zu Veränderung und der Erholung.

Wir beginnen mit der Denkhaltung:

Welche Denkhaltungen könnten mich entlasten? Dazu frage ich mich zunächst, welche Denkhaltungen denn zu der Belastung führen:

Beispielsweise:

1. Es ist unfair, dass in der Nachbarschule ein so großes Lehrerzimmer zur Verfügung steht und das Kollegium viel kleiner ist.

Oder:

2. Mir steht mehr Platz zu, wenn ich hier diese verantwortungsvolle Aufgabe der Bildung der nachwachsenden Generation verfolge, erwarte ich mehr Wertschätzung in Form von anständiger Ausstattung und Erholungsmöglichkeit.

Oder:

3. Ich kann  nur entspannen, wenn es leise ist.

Oder:

4. Ich muss dringend mit den Kolleginnen oder  Kollegen über alle Vorfälle des Vormittags sprechen, sonst wissen die nicht Bescheid und können nicht gut arbeiten.

Nun formuliere ich diese Denkhaltungen in realistische Gedanken um, wie zum Beispiel:

1. Wer hat gesagt, dass es gerecht zugeht auf der Welt? Niemals war es gerecht in der Welt. Ich bin dankbar für das was ich habe und schaue weniger auf das, was fehlt, denn es fehlt ja immer etwas. Wenn ich aus der Metaebene auf die Welt schaue, habe ich es von allen Ungerechtigkeiten, die auf diesem Erdball passieren, doch sehr gut getroffen.

Oder:

2. Mehr Platz ist eine Form der Wertschätzung meiner Arbeit. Es gibt noch viele Formen der Wertschätzung, beispielsweise meine Vergütung (das geht allerdings nur, wenn Sie mit Ihrer Vergütung einverstanden sind), lange Ferien o. ä.. Nicht andere sind für mein Wohlergehen zuständig, ich bin es selbst, die sich erlaubt, nun die Bedürfnisse nach Erholung und Ruhe zu befriedigen und das muss nicht im Lehrerzimmer sein.

Oder:

3. Ich kann auch entspannen, wenn es um mich herum laut ist. Ich erlaube mir, mich zu distanzieren, ich brauche nichts von dem Gesagten verstehen oder mitbekommen. Ich verpasse nichts.

Oder:

4. Es ist nicht schlimm, wenn ich meinen Kolleginnen oder Kollegen nichts von den Vorfällen aus dem Unterricht und dazwischen erzähle. Für alles wirklich Wichtige wird es eine Zeit geben, in der das besprochen wird. Wichtiger ist, mit meinen Kolleginnen und Kollegen zu lachen und zu entspannen, damit wir im Anschluss wieder kraft- und humorvoll für die Klasse da sein können.

Nun schauen wir nach den Möglichkeiten, die für eine Entlastung sorgen können:

  • Einen weiteren Raum für private Gespräche für das Kollegium suchen
  • Im Klassenraum bleiben und dort arbeiten oder ausruhen
  • Spazieren gehen
  • In die Sporthalle gehen
  • Lehrerraumprinzip, wo jede Lehrkraft ihren eigenen persönlichen Raum hat
  • Lehrerzimmer aufräumen und wichtiges Schriftgut woanders aufbauen, aufhängen
  • Teppiche unter die Tische kleben, Gardinen aufhängen
  • Verabredung: nur mit  leiser Stimme zu sprechen (eventuell Lärmampel aufstellen)
  • 2. Pause echte Pause und nur Privatgespräche sind erlaubt
  • Beim Träger mit Geduld dauerhaft eine Erweiterung erbitten

Der letzte Aspekt der Entlastung betrifft die Erholung. Erholung bedeutet, eine „Schieflage“ mit einer gegenläufigen Energie wieder in die Balance zu bringen. Diese Schieflagen können wir bei der „Achtsamkeit“ oben finden. Manche Belastungen sind systemimmanent und durch veränderte Denkhaltung kaum zu entlasten und auch die Möglichkeiten reichen nicht aus, zur dauerhaften Entlastung. Da aber die Situation belastend wirkt und eine dauerhafte Belastung selten Gesundheit zur Folge hat, brauchen wir für diese Fälle die Erholung.

Beispielsweise:

TabelleBleiben Sie gesund!

Zur Person
Stephanie Bartsch berät Schulleitungen und Kollegien. Foto: privat
Stephanie Bartsch berät Schulleitungen und Kollegien. Foto: privat

Stephanie Bartsch ist Diplom-Sozialpädagogin, Mediatorin (anerkannt auf der Grundlage des Bundesverbandes Mediation), Schulentwicklungsbegleiterin (bei Prof. Rolff an der Deutschen Akademie für pädagogische Führungskräfte), Trainerin für erfahrungsorientiertes Lernen (Metalog) und Systemischer Coach (Gunther Schmidt, Heidelberg, anerkannt auf der Grundlage des Bundesverbandes für Coaching) – und sie bietet seit 2006 freiberuflich Kollegien und Schulleitungen in schulinternen Fortbildungen Konzepte zur Gesundheitsförderung an. Darüber hinaus begleitet sie Schulen in ihrem individuellen Schulentwicklungsprozess und coacht in ihrer Heimatstadt Osnabrück, Lehrkräfte und Schulleitungen in Einzel- und in Gruppensettings. Sie ist darüber hinaus Expertin des Schulleitungsportals SchulVerwaltung.de.

Kontakt: www.stephaniebartsch.de

 

 

 

 

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