Also doch: Kulturelle Bildung wirkt – gleich sechs Studien belegen: Musik, Kunst und Co. stärken Schüler in ihrer Entwicklung

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ESSEN. Musik, bildende Kunst, Theater, Literatur und Tanz unterstützen Schüler messbar in ihrer persönlichen Entwicklung. Das ist das übergreifende Ergebnis von gleich sechs Studien der empirischen Bildungsforschung, die sich mit unterschiedlichen Aktivitäten kultureller Bildung beschäftigen – und allesamt positive Wirkungen feststellen konnten. „Die Ergebnisse sind bildungspolitisch hoch relevant“, sagt Winfried Kneip, Vorstandsmitglied des Rats für Kulturelle Bildung (Essen), der die Studien aus Mitteln der Stiftung Mercator gefördert hat. „Insgesamt untermauern die Ergebnisse die Auffassung, dass kulturelle Bildung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für unsere Gesellschaft besitzt.“ Für die Schulen auch.

Musik fördert auch sprachliche Kompetenzen. Foto: dankreider / pixabay (CC0 1.0)
Musik fördert auch sprachliche Kompetenzen. Foto: dankreider / pixabay (CC0 1.0)

Das Projekt, das Wirkungen kultureller Bildung möglichst facettenreich wissenschaftlich ausloten sollte, war ambitioniert: Nach einem unabhängigen Begutachtungs- und Auswahlverfahren aus über 70 Anträgen wurden sechs Forschungsprojekte mit insgesamt rund 1,2 Millionen Euro unterstützt. 30 Wissenschaftler führten die interdisziplinären Studien an zwölf Universitäten, Hochschulen und Instituten durch. Rund 3.200 Kinder, Jugendliche, Studierende sowie Künstler wurden dazu beim Tanzen, beim Lesen literarischer Texte, beim Gestalten von Bildern und Skulpturen sowie beim Musizieren oder Hören von Musik im Hinblick auf ihren Erwerb von ästhetischen, emotionalen, kognitiven, sensomotorischen und sozialen Erfahrungen und Kompetenzen begleitet.

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Heraus kam unter anderem Folgendes:

Musik wirkt sich positiv auf Kreativität und Sprachkompetenz aus, so die weitverbreitete Meinung. Doch lässt sich dies wissenschaftlich belegen? Das Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung „Transfereffekte musikalischer Frühförderung auf Kognition und Leseentwicklung“ ging dieser Frage nach. Die Testpersonen: 202 Kinder aus 15 Berliner Kitas. Die Ergebnisse der Studie zeigten signifikante Zusammenhänge zwischen der musikalischen und sprachlichen Kompetenzentwicklung. Ein Beispiel: Kinder, die Rhythmen nachklatschen können und ein Gespür für musikalische Harmoniefolgen haben, können auch Silben besser nachsprechen und Sätze bilden. „Es lässt sich festhalten, dass es stabile Evidenzen für Transfereffekte von Musik auf andere Fähigkeitsbereiche gibt“, sagt Projektleiter Dr. Sascha Schroeder.

Studienergebnisse  des  zweijährigen, von gleich vier Universitäten getragenen  Forschungsprojekts  „Tanz-  und  Bewegungstheater – ein künstlerisch-pädagogisches Projekt zur Kulturellen Bildung in der Ganztagsgrundschule“ (TuB), belegen, dass Tanz- und Bewegungstheater die Kreativität von Kindern fördert. Schulkinder aus Ganztagsschulen, die an einem dreimonatigen Angebot teilnahmen, verbesserten signifikant ihre kreativen Fähigkeiten. Auffallend positiv wirkte sich das kulturelle Bildungsangebot auf die Kreativitätsentwicklung von  Jungen  aus.  Hinsichtlich  der  Ausbildung  emotionaler  Kompetenzen  zeigt  die  Studie außerdem, dass besonders Kinder aus bildungsbenachteiligten Gruppen von einem Tanz- und Bewegungstheater-Angebot profitieren. Kinder aus sogenannten Brennpunktschulen konnten nach der Teilnahme besser über ihre eigenen Gefühle sprechen und die anderer besser wahrnehmen.

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Das Forschungsprojekt „Bildungsprozesse in der kulturellen Kinder- und Jugendarbeit“ (JuArt) der Universitäten Kassel und Marburg untersuchte, ob Jugendkunstschulen Persönlichkeitsentwicklung und Sozialkompetenz von Teilnehmern fördern. Die Forschungsergebnisse zeigen: Neben den technischen Fähigkeiten – dem künstlerischen ‚Know-how‘, welches vermittelt wird – stärken die künstlerischen Angebote auch das soziale Selbstkonzept der Probanden und haben einen positiven Einfluss auf die Selbstwahrnehmung sowie auf Reflexions- und Kritikfähigkeit.

Literatur kann Jugendliche begeistern, aktivieren und ihre empathischen Fähigkeiten stärken – entscheidend ist aber die Textauswahl: Jungen lesen gern Science- Fiction und  Krimis,  Mädchen  eher  belletristische  Texte.  Grund  dafür  sind  geschlechtsspezifische Unterschiede in der Lesemotivation. Im Gegensatz zu Jungen, die von Schulliteratur häufiger gelangweilt sind, zeigen Mädchen eine stärkere intrinsische Motivation:  Sie  lesen  häufiger,  da  sie  das  Leseerlebnis  wertschätzen  und  sich  für  konkrete Inhalte interessieren. Dies sind zwei der zentralen Forschungsergebnisse des Projekts „Literarisch stimulierte Emotionalität“ (LisE) des Berliner Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) sowie der Universitäten Erlangen-Nürnberg und Oldenburg.

Wachsende Kreativität

Das Projekt „Wirkungen Kultureller Bildung auf Kreativität im fünften Schuljahr“ (KuBiK) ging der Frage nach, inwieweit schulische und außerschulische Angebote kultureller Bildung Einfluss auf Bildungsprozesse hat. Mehr als 1.000 Fünftklässler aus Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen nahmen an der Studie der Pädagogische Hochschule FHNW (Schweiz) und der Universität Kassel teil. Sie mussten in Abständen unterschiedliche verbale und figurale Aufgaben bearbeiten. „In unserer Studie konnten wir zeigen, dass Schülerinnen und Schüler, die im Verlauf des fünften Schuljahres auf die eine oder andere Weise tanz-, musik-, kunst- oder theaterpädagogisch aktiv waren, sich in Teilbereichen ihrer Kreativität günstiger entwickeln konnten als Schülerinnen und Schüler, die keine kulturellen Angebote während des fünften Schuljahres besucht haben“, erklärt Prof. Nicole Berner.

„Insgesamt untermauern die Ergebnisse des Forschungsfonds Kulturelle Bildung die Auffassung, dass Kulturelle Bildung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für unsere Gesellschaft besitzt“, so Winfried Kneip. Die Schulen können dem allerdings oft nicht Rechnung tragen: Eine Allensbach-Umfrage kam 2015 zu dem Ergebnis, dass bundesweit 17 Prozent der Kinder in 9. und 10. Klassen an allgemeinbildenden Schulen keinen Kunst-, 22 Prozent keinen Musikunterricht haben. Dazu kommen 33 Prozent, bei denen Kunst mehr als nur gelegentlich ausfällt, in Musik 27 Prozent. Das Problem ist ein zunehmender Fachlehrermangel. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

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F. H.
6 Jahre zuvor

Dass Musik, Kunst, Theater, Literatur oder Tanz entwicklungsfördernd sind, habe ich schon immer geglaubt.
Von gezielter Erziehung zu „sozialer Kompetenz“ und Ähnlichem, die meist auf Moralgequatsche hinausläuft, halte ich dagegen wenig.
Wenn im Handeln keine Konsequenzen erfolgen, können sich Schulen die Förderung frommer Diskussionen sparen. Anders sieht es mit den sog. musischen Fächern aus, in denen Handlungen stattfinden, die tatsächlich etwas bringen.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor

Bestes Beispiel für einen gut organisierten Musikunterricht ist das Gymnasium in Bielefeld-Bethel. Jeder Schüler lernt ein Musikinstrument und spielt dann in der Jazzband oder im Klassischen Orchester mit. Zu besonderen Anlässen wird dann in der Aula gespielt.Der Zusammenhalt der Gruppe wird gefördert.

Günter Isleib
6 Jahre zuvor

Bewegung, Gestaltung, Musik, Sprache und Text müssen nicht aufgewertet werden. Sie sind Grundlagen ästhetischer Bildung, die interdisziplinär an Sachthemen unserer Zeit bearbeitet werden. Fächer sind Unsinn, weil sie isoliert in der Lebenspraxis nicht vorkommen. Sie sind Relikte aus der Frühzeit der Bildung als Soldaten und brave Untertanen benötigt wurden.