VBE besorgt über steigende Belastung an Schulen

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SCHWERIN/POTSDAM. Lehrer strapazieren zunehmend ihre Gesundheit. Sie sind nach Angaben des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) vor allem vom Überlastungssyndrom Burn-out bedroht. VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann forderte anlässlich des Norddeutschen Lehrertags am Samstag in Schwerin «eine Schule ohne Frust und Stress». «Schulqualität und Lehrergesundheit müssen von den Dienstherren endlich als eins behandelt werden», mahnte er.

Der VBE-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Blanck, sagte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: «Die psychische und physische Belastung der Lehrer ist enorm gestiegen.» Als einen Grund dafür nannte er die hohe Wochenstundenzahl. Nach Jahren der Teilzeitarbeit für Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern, um auf Entlassungen verzichten zu können, würden jetzt wieder mehr Lehrer Vollzeit arbeiten. Im Nordosten seien das 27 Wochenstunden, womit das Land bundesweit mit an der Spitze liege. «Die Einführung der selbstständigen Schule hat die Anforderungen an die Lehrer ebenfalls erhöht.»

Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) nimmt die Klagen der Lehrer nach eigenen Worten sehr ernst. «Wir müssen auch darüber nachdenken, wie wir Lehrer im Schulalltag entlasten können», sagte er. Eine Arbeitsgruppe in seinem Ministerium diskutiere ergebnisoffen über Möglichkeiten dazu. Dazu gehöre auch die Fragen, «ob es sinnvoll ist, für alle Kinder individuelle Förderpläne zu erstellen oder nur für diejenigen, bei denen es wirklich notwendig ist». Bildung und Erziehung zählten zu den wichtigsten Aufgaben des Staates, Lehrer verdienten mehr gesellschaftliche Anerkennung, betonte der Minister.

„Kein Lehrer hat in den Ferien generell frei“

Laut Blanck bringen Lehrer für Korrekturen, Elternarbeit, Förderpläne und Dienstberatungen mindestens 20 Stunden pro Woche auf. Das habe eine Umfrage ergeben, an der sich 700 der 12 500 Lehrer im Land beteiligt hätten. «Da kommt mehr als eine 40-Stunden-Woche zusammen.» Allein mit der Stundenzahl und der Vorbereitung für jede Stunde entsprechend des Förderbedarfs einzelner Schüler wäre ein Lehrer schon ausgelastet, erklärte der Landesverbandschef.

Auch die Ferien seien kein Ausgleich. «Es gibt keinen Lehrer, der in den Ferien generell frei hat», sagte Blanck, der an einem Gymnasium in Pasewalk unterrichtet. Zum Lesen von Fachliteratur, um sich selbst fortzubilden, komme ein Lehrer höchstens in den Ferien.

Zudem seien die Lehrerkollegien stark überaltert. Fast 60 Prozent der Lehrer seien über 50 Jahre alt. Der Langzeitkrankenstand liege über dem Durchschnitt. Für die kranken Lehrer müssten Ersatzstunden gegeben werden. Doch werde es schwerer, Vertretungen zu finden, wenn alle Lehrer wieder Vollzeitstellen hätten. «Dann ist es das wichtigste, dass der Unterricht abgedeckt ist. Deshalb: Schulqualität beginnt mit Lehrergesundheit», sagte Blanck.

Neben äußeren Faktoren, die Lehrer unter Druck setzen, wie Eltern, Arbeitgeber und die Öffentlichkeit, seien sie es selbst. «Die meisten wollen Perfektionisten sein. Bis zum Burn-out ist es da nicht weit», meinte Blanck. Doch die Lehrer könnten nicht alle Anforderungen erfüllen. «Viele sagen, das Unterrichten macht Spaß, aber auf das Drumherum könnte ich verzichten.» Verzichtbar sei viel Bürokratie, zum Beispiel Förderpläne für Schüler, die von selbst laufen und gefordert statt gefördert werden müssten.

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Mit Veranstaltungen wie dem jährlichen Norddeutschen Lehrertag will der VBE versuchen, Lehrern Tipps zu geben, sich vor dem Überlastungssyndrom Burn-out zu schützen und ihren Arbeitstag anders zu strukturieren.

Lehrer und Erzieher am häufigsten krank

Am Freitag teilte die AOK, die größte Krankenkasse in Mecklenburg-Vorpommern, mit, dass Lehrer und Erzieher in diesem Bundesland am häufigsten krank werden. Bei dieser Berufsgruppe gebe es mit 7,4 Prozent den höchsten Krankenstand unter allen Versicherten, so die AOK. Die Pädagogen erkrankten vor allem an akuten Infektionen und Entzündungen.

Mit der Erkrankung der Lehrer haben auch andere Bundesländer zu kämpfen. Wie Bildungsministerin Martina Münch (SPD) in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage mitteilte, sind zum Stichtag 1. März in Brandenburg 484 Lehrer langfristig krankgeschrieben. Das entspricht 2,7 Prozent aller beschäftigten Lehrer. Die Zahl der langfristig Kranken schwankt. Laut Münch ist der Krankenstand nach den Sommerferien am niedrigsten. Im Laufe des Schuljahres steigt er und erreicht zum Ende einen Höchststand. In der Zeit von 2009 bis 2012 bewegte sich der Anteil der kranken Lehrer zwischen 2,2 und 2,7 Prozent.

Ein Lehrer gilt laut Bildungsministerium als dauerhaft krank, wenn er innerhalb eines Kalenderjahres sechs Wochen am Stück oder insgesamt sechs Wochen fehlt. Beamte bekommen immer ihre vollen Bezüge, egal, wie lange die Krankheit dauert. In der Regel beginnt aber nach drei Monaten die Prüfung, ob eine Dienstunfähigkeit vorliegt und die Beamten in den Ruhestand versetzt werden sollen.

Tarifbeschäftigte erhalten in den ersten sechs Wochen ihr volles Gehalt, danach bis maximal 78 Wochen Krankengeld von der Krankenkasse sowie einen Zuschuss vom Arbeitgeber. Der Arbeitgeber stockt das Krankengeld je nach Beschäftigungsdauer maximal bis zur 39. Krankheitswoche auf. Der Zuschuss sorgt dafür, dass der kranke Lehrer auf sein ursprüngliches Nettogehalt kommt. (dpa)

(22.4.2012)

 

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