Sozialen Trägern gehen die Freiwilligen aus

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ERFURT/MÜLHAUSEN. Sinkende Absolventenzahlen und gute Chancen am Ausbildungsmarkt führen dazu, das immer weniger Jugendliche nach dem Schulabschluss ein freiwilliges Jahr antreten. Pflegeheime, Kindergärten und Behinderteneinrichtungen fürchten daher um die Betreuungsqualität.

Immer wenige junge Thüringer haben Interesse an einem Freiwilligen-Jahr in einem Krankenhaus, Kindergarten, Altersheim oder Jugendclub. Auch im ökologischen, kulturellen und denkmalpflegerischen Bereich ist die Suche nach geeigneten Bewerbern trotz geringer Stellenzahl schwierig, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. Viele Träger werben inzwischen für das Freiwilligen-Jahr. Thüringenweit sollen 2013 wieder 1100 Stellen vergeben werden.

Freiwilliges Jahr - Bundesfreiwilligenddienstszene
Immer weniger Jugendliche entscheiden sich nach der Schule für ein freiwilliges Jahr. Foto: BMFSFJ / Bertram_Hoekstra

«Die Zahl der Bewerber ist stark rückläufig», sagte Caroline Pohl, Sprecherin des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt. Gingen vor Jahren noch 300 Bewerbungen für die 100 Stellen ein, kamen zuletzt 200. Am schwierigsten sei es, im ländlichen Raum Interessenten für Kindergärten, Jugendclubs oder Pflegeheime zu gewinnen. Dort gebe es für manche Stelle überhaupt keine Nachfrage.

Der mittlerweile sehr lukrative Ausbildungsmarkt und die demografische Entwicklung könnten für den Mangel an Interessenten verantwortlich sein, vermutet Pohl. «Viele Schulabgänger suchen sich sofort einen Ausbildungsplatz». Die Träger nähmen anders als früher unabhängig vom Stichtag 30. April laufend Bewerbungen entgegen. Gesucht werden Freiwillige etwa für das Pflegeheim in Suhl, für Erfurter Kindergärten oder die Familienbegegnungsstätte auf der «Burg Bodenstein» im Eichsfeldkreis.

Im Einsatzstellenportal der Landesregierung sind derzeit 1389 freie Stellen für alle Bereiche ausgewiesen – überwiegend für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) in Altenheimen, Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen sowie in der Jugendarbeit. Im Vorjahr waren laut Sozialministerium 823 Stellen bewilligt und Anfang 2013 davon 772 vergeben worden. Im Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) ließen sich fast alle 125 Stellen besetzen.

«Wir brauchen diese jungen Leute und deren Unterstützung», sagte Frieder Weigmann, Sprecher des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. «Sie bringen den Faktor Menschlichkeit mit ein.» Sie hätten Zeit für Kinder zum Spielen oder ein offenes Ohr für Pflegebedürftige. Keiner der Freiwilligen ersetze eine Fachkraft. «Freiwillige dürfen nicht einspringen, wo Fachpersonal fehlt», sagte Weigmann. Die Diakonie bietet in 87 Thüringer Orten Einsatzmöglichkeiten an.

Den Einwohnerschwund bekommt auch die Jugendbauhütte in Mühlhausen zu spüren. Koordinator Jens Hasert vergibt 22 Stellen im Bereich Denkmalpflege – etwa in Museen und Restaurationsbetrieben oder Architekturbüros. Hatte er vor fünf Jahren noch doppelt bis dreimal so viele Bewerber wie Stellen für das Freiwillige Jahr in der Denkmalpflege (FJD), ließen sich jetzt erst im Dezember 2012 alle Einsatzstellen mit geeigneten Freiwilligen besetzen. Mit mehr Bewerbungen für 2013/14 rechnet Hasert erst nach den Abiturprüfungen; «wenn die Interessenten den Kopf frei haben und wissen, wohin die Reise nach den Sommerferien gehen soll.»

Seit 2003 gibt es das sogenannte «Thüringen Jahr» im sozialen, sportlichen, kulturellen, denkmalpflegerischen und ökologischen Bereich. Jährlich beteiligen sich nach Angaben des Sozialministeriums bis zu 1000 Jugendliche zwischen 16 und 27 Jahren bei derzeit 19 Trägern. Aus dem Landeshaushalt kommen Zuschüsse in Höhe von 690 000 Euro, plus Mittel vom Bund und aus dem Europäischen Sozialfonds sowie von den Einsatzstellen. Jeder Freiwillige erhält kostenlose Verpflegung und Unterkunft sowie ein Taschengeld. Die Sozialversicherungsbeiträge zahlt der jeweilige Träger.

Grundsätzlich machten sich Ehrenämter dem Karriereberater Jürgen Hesse zufolge gut im Lebenslauf. Mehr als ein freiwilliges Engagement sollten Jobsuchende im Lebenslauf aber nicht angeben, warnt Hesse in der Zeitschrift «Unicum» (Ausgabe 5/2013). Sonst entstehe bei Personalern schnell der Eindruck, der Kandidat sei so eingespannt, dass für den Job gar keine Zeit bleibt.

Ganz schlecht komme es auch an, wenn das Ehrenamt in Wahrheit nicht viel mehr ist, als ein einmaliger Einsatz – und das im Vorstellungsgespräch herauskommt. Bewerber sollten sich deshalb ein freiwilliges Engagement nur auf die Fahnen schreiben, wenn es tatsächlich zu ihrem Lebenslauf gehört. (News4teachers mit Material der dpa)

(03.05.2013)

zum Bericht: Studie: Ehrenamtliches Engagement von Jugendlichen geht zurück

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