Geistig behindertes Kind aufs Gymnasium? Mutter findet Aufregung übertrieben

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ULM. Die Mutter des geistig behinderten Henri, der nach dem Willen seiner Eltern auf ein Gymnasium gehen soll, kann die Aufregung um diesen Wunsch nicht nachvollziehen. «Ehrlich gesagt, finde ich diesen Aufschrei unangemessen laut, fast absurd», sagte sie der «Südwest Presse». 

«Wir wollen einfach nur, dass unser Sohn mit seinen Freunden an der Schule glücklich werden kann», sagte sie dem Blatt. Kritik richtete die Mutter des Jungen mit Down-Syndrom an die Adresse von Kultusminister Andreas Stoch (SPD): «Ich finde es von Tag zu Tag unerträglicher, dass uns das Kultusministerium im Feuer stehen lässt.» Stoch wolle den Ball flach halten: «Aber der hüpft schon durch ganz Deutschland, und zwar ziemlich hoch.» dpa

Zum Bericht: Kultusminister Stoch warnt: «Fall Henri» nicht zum Symbol hochstilisieren

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malum
9 Jahre zuvor

Warum hüpft denn der Ball „schon durch ganz Deutschland, und zwar ziemlich hoch“? Dafür hat doch die Mutter als Journalistin selbst gesorgt, die jetzt plötzlich den Aufschrei „unangemessen laut, fast absurd“ findet. Auch in Walldorf hat sie mit ihren Vorwürfen, das Gymnasium sei behindertenfeindlich, für gewaltigen Wirbel und Protest gesorgt. Warum also jetzt die künstliche Verwunderung?
Es ist unerträglich, wenn Eltern glauben, mit erpresserischem Vorgehen für ihre Kinder fragwürdige Vorrechte erzwingen zu können. Kein Mensch missgönnt dem Jungen das Gymnysium, aber viele sind der gesunden Ansicht, dass er dort schlecht aufgehoben ist und unglücklich wird. Die Mutter wäre höchstens glücklich, weil sie mehr an sich als an ihren Sohn denkt.

mehrnachdenken
9 Jahre zuvor
Antwortet  malum

Die Eltern von Henri scheuen offensichtlich keine Form der Öffentlichkeitswerbung, um ihren Sohn auf das Gymnasium zu bekommen. Gestern traten sie bei RTL Stern-TV auf.

Kinderfreund
9 Jahre zuvor
Antwortet  malum

Auch ich kann die Argumentation von @malum nur befürworten.

rwadel
9 Jahre zuvor

@malum:
Sie haben völlig recht!

malum
9 Jahre zuvor
Antwortet  rwadel

Danke! Vielleicht möchten Sie sich an dieser Petition beteiligen. Ich habe es schon getan, aber es fehlen noch viele Unterstützer.

http://www.change.org/de/Petitionen/herr-stoch-henri-sollte-f%C3%BCr-sein-und-das-wohl-aller-nicht-auf-das-gymnasium-gehen

Kira-2
9 Jahre zuvor

Ich muss gestehen, dass mich die Überschrift arg abschreckt, dort zu unterzeichnen…
„für sein Wohl“ kann ich noch irgendwie nachvollziehen – aber was soll denn „das Wohl aller“ bedeuten? Was hat denn Henri mit dem „Wohl aller“ zu tun?
In der Petition heißt es: „Der Unterricht wird kaum im gewohntem Maße vorankommen können, wenn man diesen auf ein Kind mit Down-Syndrom abstimmen muss.“ – Das ist Quatsch – da hat jemand den Inhalt von Inklusion nicht verstanden. Keiner verlangt, dass der Unterricht auf ein Niveau heruntergebrochen werden muss, damit Henri ihm folgen kann. Henri würde seinem eigenen Lernplan folgen in seiner individuellen Zeit.
Weiter heißt es: „Hinzu kommt, dass Henri auch keine Vollzeitbegleitung bekommen würde, weshalb dann die „klassisch“ ausgebildeten Lehrer mit dieser Situation zu kämpfen hätten.“ Ich habe mich jetzt nicht vollkommen intensiv mit dem „Problem Henri“ befasst, aber nach allem, was ich gelesen habe, würde er doch eine Integrationskraft zur Seite gestellt bekommen, oder habe ich da etwas falsch verstanden? Das wäre doch eine Art „Vollzeitbeschäftigte/r“…

Auch wenn ich mich immer wieder gegen die Beschulung von Henri in dem Gymnasium ausspreche, mit dieser Petition kann ich mich überhaupt nicht identifizieren. Die geht vollkommen an dem eigentlichen Problem vorbei.
Meine persönlichen Gründe, warum ich die Beschulung von Henri auf dem Gymnasium ablehne hat nichts damit zu tun, dass ich es Henri nicht gönnen würde – sondern dass ich darin eine Bevorzugung sehe, die einem „Normalbegabten“, aber eben schwächer lernenden Kind verwehrt würde. Wie kann ich einem Hauptschüler erklären, dass er sich von seinen Freunden nach der Grundschulzeit trennen muss, weil er zu gut ist, um Förderbedarf zu erhalten – aber einem Kind, dass Förderbedarf hat, erlauben, an einem Gymnasium mit seinen Freunden zusammen zu bleiben? Es gibt durchaus auch Hauptschüler, für deren Entwicklung die eine enge Bindung zu ihren Freunden wichtig ist – aber denen muss ich diese Möglichkeit verwehren, weiter mit seinen Freunden mitzugehen.

Ich wiederhole es immer wieder: Eine echte Inklusion auf der höheren Schule kann nur stattfinden, wenn auch die äußere Differenzierung nach der Grundschule (d.h. die Sortierung der Kinder nach Gymansiasten, Realschülern und Hauptschülern) wegfallen würde. Und solange diese Differenzierung bestehen bleibt, hat nach meinem Verständnis ein geistig behindertes Kind keinen Anspruch darauf, ein Gymnasium zu besuchen. Das wäre kein „gleiches Recht auf Bildung“, sondern ein „bevorzugtes Recht auf Bildung“ – und das ist sicherlich nicht gemeint!

malum
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Würden Sie das differenzierte Schulsystem lieber abschaffen? Vielleicht irre ich mich, wenn ich diesen Wunsch zum wiederholten Mal hinter Ihren Zeilen vermute.
„Das Wohl aller“ verstehe ich so: Die Inklusion hat ja nicht nur Auswirkungen auf die behinderten Kinder, sondern auch auf die nichtbehinderten. Fragen Sie mal Lehrkräfte, die inklusiv unterrichten! Erstens fühlen die sich fast alle total überfordert, haben mit enormer Unruhe und enormem Lärmpegel zu tun (auch durch die Lernbegleiter) und schließlich haben sie auch noch ständig ein schlechtes Gewissen den „normalen“ Schülern gegenüber, weil sie diesen nicht mehr gerecht werden.
Das Wohl aller bedeutet nichts anderes als Wohl aller Beteiligten, also auch das der Mitschüler und Lehrer.

Beate S.
9 Jahre zuvor
Antwortet  Kira-2

Was soll denn das im Fall Henri für ein “bevorzugtes Recht auf Bildung” sein? Ich würde es als „bevorzugtes Recht auf Scheitern“ bezeichnen. „Gleiches Recht auf Bildung“ ist für mich „gleiches Recht auf eine bestfördernde, angemessene Schule“.
Einheitsschulen verwehren dieses Recht auf unterschiedliches Lernen. Darum sind sie m. E. eine menschliche und bildungspolitische Katastrophe.

Kira-2
9 Jahre zuvor

Zitat: „Würden Sie das differenzierte Schulsystem lieber abschaffen? Vielleicht irre ich mich, wenn ich diesen Wunsch zum wiederholten Mal hinter Ihren Zeilen vermute.“

Wenn Inklusion tatsächlich ernstgemeint ist und wirklich stattfinden soll, MUSS es abgeschafft werden – egal, ob ich das will oder nicht. Inklusion KANN NICHT mit unterschiedlichen Schulformen gelingen.
Ein Film, der das „Problem“ Inklusion meines Erachtens nach gut erklärt:
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=rI84_vZaZMc#t=20

Dass es so viele Probleme mit der Inklusion in diversen Klassen gibt, liegt nicht an der Idee an sich, sondern an den unzulänglichen Rahmenbedingungen. Leider erwarten die Politiker immer wieder Wunder von der Schule (und auch anderen Institiutionen) zum Nulltarif – quasi einen Porsche zum Preis einer Ente. Dass das nicht klappen kann, ist denen scheinbar nicht bewusst.

Im Übrigen empfinde ich die Einstellung: „Kind XY muss aus der Klasse entfernt werden bzw. es muss verhindert werden, dass Kind XY in die Klasse kommt, zum Wohle der anderen Kinder“ als sehr bedenklich. Okay, Ihre Bemerkung bezog sich jetzt auf Henri und den Gymnasiumsbesuch – aber wie schnell überträgt sich dieser Gedanke auf andere Kinder:
– Ein ADHS-Kind (ja, diese Kinder gibt es tatsächlich, auch wenn es nicht so viele sind, wie bisweilen diagnostiziert) stört den Unterricht durch seine Unruhe – es muss also raus, damit die anderen besser lernen können!
– Ein Kind mit emotionalen und sozialen Defiziten hat häufig Schwierigkeiten, adäquat mit anderen Kindern umzugehen – also mus es raus, damit die anderen Kinder sich wohlfühlen können!
– Ein Kind im Rollstuhl verhindert, dass die Klasse ein Theater mit Treppenstufen besuchen kann – also muss es raus, damit die anderen Kinder an dem Event teilhaben können!
– …

Häufig sind es die Eltern der „Normalschüler“, die mit diesen Situationen nicht klar kommen – und nicht unbedingt die Kinder der Klasse. Die sind meist viel toleranter als deren Eltern – und übernehmen dann leider nur oft die Einstellung ihrer Eltern, wenn diese sich offen im Beisein ihrer Kinder über ihre Sorgen unterhalten.

Ulrike Kleifeld
9 Jahre zuvor

Mir hat der Ton der o.g. Gegenpetition auch nicht gefallen. Daher habe ich eine eigene Petition gestartet, die an der Sache orientiert ist. Sie wirbt darum, das Gymnasium zu erhalten und allen, auch behinderten, Schülern zugänglich zu machen, die dem intellektuellen Anspruch genügen. Darum geht es nämlich letztlich : wollen wir eine Einheitsschule oder wollen wir das Gymnasium als solches erhalten?
Diese „Stimme der Vernunft“ geht leider im Henri-Getöse unter…

Unerschreiben Sie und machen Sie Werbung für die Sache!

http://www.change.org/petitions/erhalten-sie-das-gymnasium-als-schule-mit-zielgleicher-inklusion