DPhV-Vorsitzender: Unterrichtszeit zum Abitur sollte nicht weiter gekürzt werden

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BERLIN. Die verkürzte Gymnasialzeit ist weiterhin ein Streitpunkt aller am Bildungsprozess beteiligten. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meidinger, kritisiert nun den gemeinsamen Vorschlag von Hochschulprofessoren, Arbeitgeberfunktionären, GEW-Vorstandsmitgliedern und ehemaligen Schulsenatoren, den Nachmittagsunterricht im achtjährigen Gymnasium weiter zu reduzieren.

Demnach soll die bisherige Mindestgrenze von 265 Jahreswochenstunden von der 5. Klasse bis zum Abitur durch die Kultusministerkonferenz aufgehoben werden. Der Aufruf sei ein letzter verzweifelte Versuch, das G8 in den alten Bundesländern zu retten, so Meidinger. „Auch wenn man Quantität nicht 1:1 mit Qualität gleichsetzen kann, erinnere ich daran, dass bereits durch die Gymnasialzeitverkürzung rund 15 bis 20 Jahreswochenstunden insbesondere in den Kernfächern Mathematik, Fremdsprachen und Deutsch gestrichen worden sind.“ Schon heute zähle Deutschland zu den drei Ländern unter den Industriestaaten der OECD, die ihren Schülern bis zum Abitur den wenigsten Unterricht bieten. Rund 9400 Vollzeitstunden stünden einem OECD-Durchschnittswert von 11.500 gegenüber. „PISA-Begleituntersuchungen haben gezeigt, dass Beschulungsdauer und Kompetenzerwerb sehr wohl in einem Zusammenhang stehen“, betont der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands (DPhV).

diametrale Richtungspfeile
Den achtjährigen Bildungsgang zum Abitur fortsetzen oder doch zurück zum neunjährigen Gymnasium wechseln? Der Vorschlag, den Nachmittagsunterricht weiter zu reduzieren, spricht nach Ansicht von Heinz-Peter Meidinger nicht für den Erhalt von G8. Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

Bereits nach der derzeitigen KMK-Vereinbarung könnten fünf Stunden Wahlunterricht auf die 265 Stunden angerechnet werden, so Meidinger. Nach einer erneuten Kürzung blieben nur noch 255 Stunden übrig, da sei man nicht mehr weit von der alten Halbtagsschule entfernt. Den Verbandschef irritiert, dass einige der unterzeichnenden Bildungsexperten bei der G8/G9-Anhörung in Bayern vor einer Woche noch die These vertreten hätten, G8 funktioniere nur als Ganztagsschule, während sie nun wenige Tage später einer Rückkehr zur Halbtagsschule zumindest in der Unter- und Mittelstufe das Wort redeten.

Leider zeige der Aufruf, dass nicht wenige G8-Befürworter bereit seien, im Zweifel auch an der Qualität zu kürzen, um eine Rückkehr zu G9 zu verhindern. Falls der Vorschlag der „G8-Retter“ Wirklichkeit werden sollte, gebe es eigentlich nur eine Gewinnergruppe, das seien die
Landesfinanzminister, die dadurch weitere Lehrerstellen abbauen könnten, so Meidinger. Verlierer seien die Eltern, deren 80-prozentiger Wunsch nach G9 weiter ignoriert werde, und die Gymnasialschüler, deren Abitur dann weniger wert sei, weil hinter der Studienberechtigung immer weniger eine Studienbefähigung stehe. „Ich werde den Eindruck nicht los, dass ein Teil der Aufrufunterzeichner sich vom Abitur als Hochschulzugangsberechtigung schon verabschiedet hat und allein auf Hochschuleingangsprüfungen setzt. Mehr Bildungsgerechtigkeit und Vergleichbarkeit wird es dadurch nicht geben.“

Der DPhV-Vorsitzende räumt ein, dass es in der Frage der Schulzeit kein Patentrezept gebe, das sich auf alle Bundesländer komplett übertragen ließe. Deshalb gehe aber auch der Aufruf der Turboabitur-Anhänger fehl, der sich bedingungslos an das G8 klammere. „Grundsätzlich gilt: Wenn man einen Fehler als Fehler erkannt hat, ist es besser, ihn zu korrigieren, auch wenn das einen erneuten Aufwand erfordert, als an ihm um der Kontinuität willen festzuhalten!“

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