Fall Henri um ein Jahr vertagt – Bringt neues Inklusionsgesetz die Lösung?

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WALLDORF. Eigentlich wollten die Eltern des behinderten Henri ihren Sohn aufs Gymnasium schicken, damit er nicht aus seiner Bezugsgruppe gerissen werde. Doch bei Schule und Behörden blitzten sie mit diesem Ansinnen ab. Nun soll der Junge mit Down Syndrom die vierte Klasse wiederholen – in Hoffnung auf das kommende Gesetz zur Inklusion, vermutet die GEW.

Der Fall des behinderten Schülers Henri ist vorerst gelöst – der Streit um die Integration Behinderter an Schulen aber noch lange nicht. Die Eltern des Jungen mit Down Syndrom erklärten, ihr Sohn werde im kommenden Schuljahr die vierte Klasse der Grundschule in Walldorf (Rhein-Neckar-Kreis) wiederholen. Bislang wollten sie ihn aufs Gymnasium schicken, stießen aber auf Ablehnung. Die Lehrergewerkschaft GEW bezweifelt, ob ein neues Schulgesetz solche Konflikte verhindern kann. Die von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) angekündigte Reform zugunsten der Inklusion steht noch aus.

Junger Mann mit Down-Syndrom (Symbolbild). Ob Henri im nächsten Jahr auf das Gymnasium wechseln kann bleibt unklar. Foto: fabnie / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Junger Mann mit Down-Syndrom. Ob Henri im nächsten Jahr auf das Gymnasium wechseln kann bleibt unklar. Foto: fabnie / Flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz sagte am Samstag, sie könne die Entscheidung nicht ganz nachvollziehen, denn nu habe er seine Bezugsgruppe auch nicht mehr. «Vermutlich hofft die Familie, dass es nächstes Jahr eine gesetzliche Regelung gibt, die den Familienwillen stärkt.» Ähnlich äußerte sich ein nicht näher genannter Abgeordneter der grün-roten Regierungsfraktionen in der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Samstag): «Möglicherweise wollen sie warten, bis das neue Schulgesetz verabschiedet ist und das Kind dann doch noch auf das Walldorfer Gymnasium schicken.»

Kultusminister Stoch hatte vor zwei Wochen angekündigt, «in Kürze» Eckpunkte für ein neues Gesetz zur Inklusion – also der Integration Behinderter in den Unterricht – vorlegen zu wollen. Darin werde etwa festgelegt, dass die Eltern zwischen dem Besuch ihres behinderten Kindes in einer Sonderschule oder einer Regelschule wählen können, ohne dass sie sich eine bestimmte Schule aussuchen könnten.

«Ich vermute, dass darin kein echtes Elternrecht drin stehen wird», sagte Moritz. «Dann läuft es letztlich wieder auf eine Machtfrage hinaus, ob sich die Eltern oder die Schule durchsetzen.» Ein Ministeriumssprecher wollte sich am Samstag nicht dazu äußern.

Henris Eltern hatten vergeblich dafür gekämpft, dass ihr Sohn nach der Grundschule mit seinen Freunden auf dasselbe Gymnasium im Rhein-Neckar-Kreis wechselt. Die Schule lehnte das ab. Auch die Hoffnungen der Eltern, Minister Stoch würde den Beschluss des Gymnasiums aufheben, erfüllten sich nicht.

Mit Blick auf ihre Entscheidung sagte Henris Mutter am Freitag: «Damit sind alle anderen Optionen, die man uns gegeben hat, erstmal vom Tisch.» Der Entschluss sei im Einvernehmen mit dem staatlichen Schulamt, der zuständigen Sonderschule und dem Rektor der betroffenen Grundschule erfolgt. Zu den Gründen machte Ehrhardt allerdings keine Angaben: «Da wollen wir keine weiteren Erklärungen mehr zu abgeben.»

Moritz hält die nun getroffene Entscheidung für «nicht ganz nachvollziehbar». Mit Blick auf Henri und die ursprüngliche Argumentation der Eltern sagte sie: «Dann hat er seine Bezugsgruppe auch nicht mehr.» Nur die Schule sei dem Jungen jetzt noch vertraut. Allerdings betonte die GEW-Landeschefin auch: «Nun haben alle noch mal Zeit, nachzudenken.»

Moritz bezweifelt aber, dass im kommenden Jahr ein Gesetz vorliegen wird, das den sogenannten zieldifferenzierten Unterricht stärkt. Dabei verfolgen nicht alle Schüler denselben Abschluss wie auf dem Gymnasium das Abitur. In der Gemeinschaftsschule etwa können verschiedene Schulabschlüsse abhängig von den Fähigkeiten der Schüler gemacht werden. Zudem spielt Inklusion bei dieser Schulform eine große Rolle. (Von Marco Krefting, dpa)

zum Bericht: Kultusminister Stoch entscheidet: Gymnasium darf behinderten Jungen ablehnen
Kommentar von Nina Braun: Der Fall Henri: Kultusminister Stoch drückt sich um eine klare Ansage

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8 Kommentare
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Lena
10 Jahre zuvor

Eins scheint jetzt endgültig klar: Die Freunde des Jungen waren den Eltern nur ein Vorwand für den Besuch des Gymnasiums. Der zweite Anlauf für dieses Ziel ist nun die Wiederholung der 4. Klasse.
Ich verstehe die Eltern nicht. Was versprechen sie sich von diesem Gymnasialbesuch? Dass er für Henri nichts bringt, wissen sie.

xxx
10 Jahre zuvor
Antwortet  Lena

Super Kommentar. Diese Eltern sagen zwar, dass sie das Beste für ihren Sohn wollen, jedoch wollen sie wohl eher ihre eigenen Ziele verwirklichen. Hat eigentlich irgendjemanden mal das Kind nach seiner Meinung zu dem Hickhack befragt ?!?

dickebank
10 Jahre zuvor

Elternschaft schützt eben vor Torheit nicht!

GriasDi
10 Jahre zuvor

Würde das Argument von Henris Eltern anerkannt, kann sich jeder darauf berufen, also auch alle anderen, die die Notenvoraussetzungen fürs Gymnasium nicht geschafft haben. Damit würde das gegliederte Schulsystem abgeschafft. Ob das sinnvoll ist oder nicht, darüber sollen andere befinden.

stillmann
10 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Das gegliederte Schulsystem wird bereits peu à peu abgeschafft. Wenn sich nicht mehr Widerstand regt, geht es auch den Gymnasien an den Kragen. Erst von innen aushöhlen und sinnlos machen, dann abschaffen.

dickebank
10 Jahre zuvor

Ihr Beitrag im Kontext zur Inklusion klingt für mich so, als ob alle, die kein Gymnasium besuchen, in irgendeiner form “behindert” wären oder würden. Das Gymnasium ist de facto eine Sonderschule, die als solche in das System der Sekundarstufe-I-Schulen integriert werden müsste. DAs käme also der Inklusion der Gymnasiasten an Sekundarschulen gleich.

Stefan Fahle
10 Jahre zuvor

Der Fall ist vorerst gelöst? Von wegen! den schwarzen Peter hat nun wieder die Grundschule, die Henri in einer Klasse unterbringen muss, deren Kinder und Eltern sich nicht zum Experiment Inklusion bereit erklärt haben! In einer dieser Klassen sind drei Kinder, die von ihren Eltern ein Jahr zurückgestellt wurden (!), weil die “Lernatmosphäre” in der Inklusionsklasse für ihre Kinder untragbar war!

Stefan Fahle
10 Jahre zuvor

Ich distanziere mich von obigem Kommentar, der in meinem Namen verfasst wurde!