Spannung im Kita-Konflikt: Verhandlungen in Berlin über Tarif für Erzieherinnen ziehen sich schier endlos

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BERLIN.  Weiter Streik oder Rückkehr zum normalen Kita-Alltag? Es könnte alles so einfach sein, wäre da nicht die komplizierte Gehaltstabelle. Doch um die geht es in den zähen Tarifverhandlungen für Erzieher und Sozialarbeiter.

In Berlin wird verhandelt - und demonstriert: Erzieherinnen vor dem Brandenburger Tor. Foto: GEW
In Berlin wird verhandelt – und demonstriert: Erzieherinnen vor dem Brandenburger Tor. Foto: GEW

Für manche langjährige Verhandler der Bildungsgewerkschaft GEW ist die Kernfrage des komplizierten Kita-Tarifkonflikts klar. «Bin ich Betreuerin oder Pädagogin?», fragt eine GEW-Frau, selbst von Hause aus Erzieherin, in einer Verhandlungspause in einem Berliner Hotel. Der zähe, von massiven Streiks begleitete Streit dreht sich für sie zentral um die Frage, ob die Arbeitgeber die immer größeren pädagogischen Anforderungen an die immer zahlreicheren Kitas auch anerkennen.

Werden die gut drei Millionen Kinder in den insgesamt mehr als 50.000 Kindertagesstätten in Deutschland heute schon überall individuell und dem Alter angemessen fit gemacht für ein Leben in einer veränderten Arbeitswelt und Gesellschaft? Sind Kitas oft noch reine Betreuungseinrichtungen? Oder sind die Einrichtungen, die Bildungspläne, die Sprachförderung und die Lernerfolgen schon ziemlich gut – die Erzieher aber nicht entsprechend entlohnt?

Hier gehen die Meinungen zwischen kommunalen Arbeitgebern und Gewerkschaften stark auseinander. Aber es gibt auch im bisherigen Tarifvertrag bereits deutliche Abstufungen. Kommunale Erzieherinnen steigen nach zwei Jahren Vorpraktikum, zwei Jahren Fachakademie und einem Anerkennungsjahr mit 2590 Euro ein. Nach 16 Jahren kommen sie auf 3289 Euro. Erzieher mit schwierigen Tätigkeiten bekommen bis zu 3732 Euro brutto, Leiter großer Kitas bis zu 4749 Euro. Zum Vergleich: Die meisten Grundschullehrer verdienen zum Einstieg rund 3000 Euro.

Gebetsmühlenartig wiederholt der Verhandlungsführer der Gewerkschaften, Verdi-Chef Frank Bsirske, es müsse eine Aufwertung bei allen 240 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst geben. Und ebenso grundsätzlich lehnt der Präsident des kommunalen Arbeitgeberverbands, Thomas Böhle, das als zu pauschal ab. Weder in den Kitas noch bei Jugendämtern und anderen Sozialeinrichtungen soll es generell mehr geben.

Die Gespräche im ersten Stock des Berliner Verhandlungshotels nahe der Shoppingmeile Kurfürstendamm ziehen sich über Stunden. Noch am Tag drei dieser sechsten Verhandlungsrunde raunen Arbeitnehmervertreter: Die Arbeitgeber hätten immer noch nichts für die Sozialarbeiter vorgelegt. Was verdienen Sozialarbeiter? Heute sind es bis zu 4106 Euro, wenn sie Personalverantwortung haben mehr. Die entsprechende Gruppe in der Lohntabelle wurde 2009 neu geschaffen, auch angesichts der sensiblen Aufgaben bei vernachlässigten Kindern – die Arbeitgeber wollen da jetzt nicht wieder ran.

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Erzieher und Sozialarbeiter verdienen auch mehr als andere kommunale Mitarbeiter – so kommen Feuerwehrmänner auf 2236 bis zu 2851 Euro, auch ein Job mit Verantwortung und Risiko, wie man auf der Arbeitgeberseite argumentiert.

Die Lage ist vertrakt. Hier der Ruf nach mehr genereller Anerkennung für Bildungsarbeit und Förderung von Menschen. Dort das kühle Rechnen in der komplizierten Gehaltstabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst. Sie umfasst 102 unterschiedliche Monatsgehälter – sechs Gehaltsstufen für 17 verschiedene Berufsgruppen. Wenn man bei der einen Gruppe etwas erhöht – was heißt das dann für die andere? Und was kostet das am Ende die Kommunen? Die zwölfköpfige Spitzenrunde geht immer wieder auseinander – die Delegationen rechnen und rechnen.

Mehr wird es am Ende werden, wenn auch weniger mehr, als sich manche Gewerkschafter wünschen. Doch ein Trost bleibt auch den Vorkämpfern der GEW – es sind bei weitem nicht die kommunalen Arbeitgeber alleine, die die Bedingungen für frühkindliche Bildung befördern können. Und da geht es nicht allein ums Geld, sondern etwa auch um die Arbeitsbedingungen und die Qualität der Erziehung. Seit Jahren fordern sie Verbesserungen durch ein Bundesqualitätsgesetz – im Hintergrund laufen Gespräche, absehbar könnte es so weit sein. Zumindest in der nächsten Legislaturperiode, wie mancher Gewerkschafter jetzt hofft. Von Basil Wegener, dpa

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