Deutschunterricht für Flüchtlingskinder: Niedersachsen setzt auf Tablets

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HANNOVER. Die Digitalisierung der deutschen Schulen ist ein umstrittenes und keineswegs abgeschlossenes Mammutprojekt. Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt will nun den Einsatz neuer Medien beim Sprachunterricht für Flüchtlingskinder verstärken. Noch sind nicht alle technischen Schwierigkeiten beseitigt und auch kritische Stimmen werden laut.

Mit Tablet-Computern und Videokonferenzen will das Land Niedersachsen Flüchtlingskinder beim Deutschlernen unterstützen. Digitale Medien könnten Bilder und Ton einbinden und machten den Spracherwerb auch für diejenigen leichter, die keine lateinische Buchstaben kennen, sagte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) am Donnerstag in Hannover. Da in vielen Flüchtlingsfamilien Smartphones vorhanden seien, könnten die Kinder mit einer App auch gut zu Hause weiterlernen. Partner des Projekts «Digital Deutsch lernen» sind unter anderen der Verein n-21 und die Niedersächsische Landesmedienanstalt.

Niedersächsische Sprachlernklassen sollen verstärkt mit Tablets arbeiten. Foto: Michael Coghlan / flickr (CC BY-SA 2.0)
Niedersächsische Sprachlernklassen sollen verstärkt mit Tablets arbeiten. Foto: Michael Coghlan / flickr (CC BY-SA 2.0)

Bereits im April hatte das Land sechs Standorte mit 240 Tablets ausgestattet. Demnächst haben die niedersächsischen Sprachlernklassen die Möglichkeit, insgesamt 600 Geräte zu nutzen. Sie sind an die 15 Sprachbildungszentren im Land gekoppelt und können von Schulen ausgeliehen werden. Die Investitionskosten inklusive der medienpädagogischen Fortbildungen für Lehrer liegen bei 350 000 Euro. «Wir sind in Niedersachsen beim Thema digitale Bildung sehr weit vorne», betonte Heiligenstadt.

Erprobt wird zudem der Unterricht von jungen Asylsuchenden in Erstaufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften per Videokonferenz. Hierfür stellt ein japanisches Bürokommunikationsunternehmen das technische Equipment bis zum Ende des Schuljahres 2017/2018 zur Verfügung. Das Konzept wird zunächst in Cuxhaven-Altenwalde, Ehra-Lessien sowie Friedland erprobt. Welche technischen Schwächen es dabei noch gibt, machte eine Videokonferenz deutlich. Zusammengeschaltet waren 7- bis 17-Jährige Kinder aus der Notunterkunft in Cuxhaven mit Schülerinnen und Schülern einer benachbarten Realschule. Weil die Jüngsten nicht stillsitzen konnten, kam es zu erheblichen Tonproblemen.

Digitales Lernen könne nur eine Ergänzung des Sprachunterrichts mit persönlicher Betreuung sein, sagte Artur Sieg vom Aktionsbündnis Deutsch als Fremdsprache Hannover. Digitale Lernprogramme könnten sich nicht auf die besonderen Bedürfnisse und Probleme des Lernenden einstellen. Notwendig seien vor allem mehr Lehrkräfte im Bereich Deutsch als Zweitsprache. Dafür müsse die Regierung den Beruf attraktiver machen, forderte Sieg. In Notunterkünften, in denen noch keine Schulpflicht besteht, sind in der Regel Ehrenamtliche als Deutschlehrer im Einsatz.

Virtuellen Unterricht gibt es in Niedersachsen bereits für Schüler auf den ostfriesischen Inseln. Seit dem Start Ende 2012 habe die School of Distance Learning Niedersachsen positive Erfahrungen mit Videokonferenzen gemacht, sagte Schulleiterin Barbara Glittenberg. Beispielsweise unterrichtet eine Lehrerin des Internatsgymnasium Esens seit Januar 2013 per Videokonferenz Schüler auf Borkum in Physik und Chemie. (dpa)

• zum Bericht: Analphabeten sitzen neben Abiturienten – Studie stellt Sinn von pauschalen Flüchtlingsklassen in Frage

• Kommentar von Florian Pfitzner/Neue Westfälische: Es hat wenig Sinn, überall in den Schulen Tablets einzusetzen

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