HANNOVER. Es ist nicht die «Hurra-Studie» geworden, die die Opposition befürchtet hatte. In einer vom der niedersächsischen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) in Auftrag gegebenen Online-Umfrage beklagen die Lehrkräfte des Landes mangelnde Unterstützung bei den aktuellen Herausforderungen, insbesondere bei der Inklusion sowie der Integration von Flüchtlingskindern.

Die niedersächsischen Lehrer fühlen sich bei Inklusion und Sprachförderung von den Landesbehörden allein gelassen. Das ist ein erstes Ergebnis einer Online-Befragung des Kultusministeriums, an der etwa 10.000 Schulleiter, Lehrer und pädagogische Mitarbeiter teilgenommen haben. Kultusministerin Heiligenstadt gab sich am Montag selbstkritisch. «Was die Unterstützung durch die Behörden angeht, da müssen wir einfach besser werden», sagte die SPD-Politikerin in Hannover. «Das nehme ich als Auftrag mit.»
Ziel der Befragung war es herauszufinden, welche Tätigkeiten an den Schulen als besonders herausfordernd oder belastend empfunden werden. Dazu wurden Daten in den Bereichen «Unterricht», «Sprachförderung und Interkulturelle Bildung», «Zusammenarbeit», «Inklusive Bildung», «Ganztag» sowie «Schule leiten und verwalten» erhoben. Insgesamt hatte das Zentrum für angewandte Gesundheitswissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg 90.000 Pädagogen angeschrieben. Die Ergebnisse sind den Forschern zufolge repräsentativ.
Die Ursachen für die Unzufriedenheit der Lehrer will das Ministerium in einem nächsten Schritt analysieren. Dabei sollen auch konkrete Verbesserungsvorschläge, die die Pädagogen in der Umfrage machen konnten, berücksichtigt werden. In den vergangenen Jahren waren sie mit großen Herausforderungen konfrontiert: Seit August 2013 haben Eltern von Kindern mit Behinderung den Anspruch darauf, dass ihr Nachwuchs eine reguläre Schule besucht. Zudem haben Niedersachsens Schulen innerhalb von 15 Monaten etwa 36.000 Flüchtlingskinder ohne oder nur mit geringen Deutschkenntnissen neu aufgenommen. Ergebnisse der Befragung im Einzelnen:
- Die Lehrkräfte identifizieren sich relativ stark mit der Inklusion, der Ganztagsschule und der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, fühlen sich bei der Umsetzung dieser Ziele von den Behörden aber nicht gut genug unterstützt.

- Wenig Akzeptanz bei den Lehreinnen und Lehrern finden laut der Umfrage die Instrumente der so genannten externen Evaluation der Schulqualität: Sowohl den Vergleichsarbeiten in der 3. und 8. Jahrgangsstufe („VERA”) als auch der Schulinspektion werden mangelnde Sinnhaftigkeit und Bewältigbarkeit attestiert.
- An den berufsbildenden Schulen schneiden bei den Lehrkräften die „Zielvereinbarungen” schlecht ab.
- Schulleitungen nehmen ihre Aufgaben als weniger belastend wahr als die Lehrkräfte und können die an sie gestellten Anforderungen offenbar besser bewältigen.

Die Opposition kritisierte die Online-Umfrage als aktionistisch und überflüssig. Die Ergebnisse spiegelten wider, was lange bekannt sei, sagte der Schulexperte der CDU-Landtagsfraktion, Kai Seefried. Spannend wäre es gewesen, wenn die Ministerin auch die freien Antworten der Lehrkräfte vorgestellt hätte, sagte FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling. Beide plädierten dafür, endlich eine unabhängige Arbeitszeitstudie auf den Weg zu bringen.
Der niedersächsische Philologenverband forderte als Konsequenz aus der Befragung, die Lehrerarbeitszeit zu senken. Nach einer kürzlich vorgestellten Studie der Bildungsgewerkschaft GEW arbeiten niedersächsische Gymnasiallehrer pro Woche im Durchschnitt drei Stunden zu viel.
Im Gegensatz zu CDU und FDP bewertete die GEW die Online-Befragung positiv. «Die Aussagen aus den Schulen signalisieren eindeutig ein Versagen der derzeitigen autoritären Strukturen der Landesschulbehörde», teilte die Bildungsgewerkschaft in Hannover mit. Die Landesregierung müsse ihren Reformweg fortsetzen.
Der Abschlussbericht der Lüneburger Forscher wird erst im März 2017 erwartet. Bereits jetzt will Heiligenstadt allerdings das Beratungs- und Unterstützungssystem des Landes auf den Prüfstand stellen. Hier sei einiges optimierbar, sagte die Ministerin. Zudem sollten Grundschulleitungen von Verwaltungsaufgaben entlastet werden. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zur Präsentation der Studie.
Weiter ist auf den Seiten des KuMi zu lesen:
” Die qualitativen Hinweise und Vorschläge aus den Freifeldern, in denen die Befragungsteilnehmer Verbesserungen anregen konnten, werden im nächsten Schritt ausgewertet. „Diese Hinweise werden wir mit einbeziehen, um die besten Lösungen für ein wirksameres Beratungs- und Unterstützungssystem zu erarbeiten.”
Wenn die Freifelder nicht 3×60 Zeichen groß gewesen wären, hätte man erheblich besser Vorschläge unterbreiten können.
Interessant ist, dass das Kultusministerium bereits für eine starke Entlastung bei den diesjährigen Abschlussarbeiten im Sek. I- Bereich gesorgt hat. Vielleicht kann man das positiv sehen. Leider nicht bei allen Schulformen!