KÖLN. Elf Jahre lang musste Nenad M. eine Förderschule in Köln besuchen. Er war als geistig behindert eingestuft worden. Jetzt will der 19-Jährige das Land Nordrhein-Westfalen auf Schadenersatz verklagen. Er will beweisen, dass die Diagnose (die ihm seinerzeit einen IQ von 59 bescheinigte) falsch gewesen ist – so berichtet der WDR in einer Reportage unter dem Titel „Für dumm erklärt“. Es wäre die erste Klage dieser Art in Deutschland. Der Bayerische Elternverband erklärt, Nenad sei kein Einzelfall. Bis heute nicht. Der Verband fordert, die Diagnostik “aus der Hand der Schulen zu nehmen”.
„Sonderschule war damals wie’n Knast“, so sagt ein ebenfalls betroffener junger Mann in dem Filmbeitrag. Und Nenad meint: “Die haben mir mein Leben kaputt gemacht.” Er habe sich alles selber beibringen müssen – Lesen, Schreiben, Rechnen. Denn auf der Schule für geistig Behinderte seien ihm grundlegende Bildungsvoraussetzungen nicht vermittelt worden. Der Test, der ihm die schwache Intelligenz bescheinigte, war damals offenbar ohne Dolmetscher durchgeführt worden. Und Nenad sprach seinerzeit gar kein Deutsch.
Der Bayerische Elternverband könne weitere Fälle von Kindern nennen, die grundlos eine Förderschule besuchen müssen oder mussten, so heißt es in einer Pressemitteilung des Verbands. Neben Kindern aus Zuwandererfamilien, die die deutsche Sprache nicht richtig beherrschen, seien dies vor allem Schüler aus prekären oder schwierigen Familienverhältnissen, denen die häusliche Unterstützung fehlt, Autisten sowie ADHS- oder verhaltensauffällige Kinder. Zu oft stellt sich erst spät heraus, dass ihre Intelligenz vollkommen normal ist und dass lediglich versäumt wurde, eine Barriere zu identifizieren und zu beseitigen.
“Dass Sonderpädagogen dergleichen ‘passiert’, kann nicht als harmloses Versehen hingenommen werden”, sagt Martin Löwe, der Landesvorsitzende des bayerischen Elternverbands. Ebenso könne es nicht angehen, dass eigens für die Förderung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen ausgebildete Sonderpädagogen das Gegenteil von ihrer eigentlichen Aufgabe bewirkten, indem sie Kinder bremsten anstatt sie zu fördern. In den vorliegenden Fällen seien bei der Diagnostik schwerwiegende Fehler gemacht worden. Dass zudem deren vorgeschriebene Überprüfung gänzlich ausgefallen sei, vollende schließlich den Skandal.
“Die Diagnostik ist eine zentrale Stellschraube in diesem System”, führt Löwe weiter aus. “Wir erleben leider, dass hier immer wieder folgenschwere Irrtümer passieren. Da sowohl die Förderschule wie auch die allgemeine Schule ein Interesse daran haben können, dass ein aufwändig zu beschulendes Kind die Förderschule besucht, ist es dringend geboten, die Aufgabe der Diagnostik aus den Händen der Pädagogen zu nehmen und einer unabhängigen und außerschulischen Stelle zu übertragen.” Der Schmerz, in ihrer Entwicklung ausgebremst und sozial ausgegrenzt worden zu sein, werde diese Kinder unwiderruflich ihr Leben lang begleiten. Der Bayerische Elternverband hofft daher, dass derartige Fehler mindestens Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Fehlerhaft arbeitende Sonderpädagogen müssten aus dem Verkehr gezogen werden.
Anwalt: Verfahren mittlerweile “inflationär”
Tatsächlich bleibe trotz Inklusion das sogenannte „Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs (AO-SF)“ bundesweit ein problematisches Thema, meint der Anwalt Andreas Zoller. Denn viele Schulen führten solche Verfahren mittlerweile „inflationär“ durch, weil für sie die Verlockung groß sei, sich personell mit einem Sonderpädagogen ausstatten zu lassen, der „sich um alle halbwegs schwierigen Fälle kümmert“. Und dazu gehörten immer mehr Kinder.
„So geraten zusehends Schüler mit Teilleistungsstörungen (Legasthenie, Dyskalkulie) ins Visier der Schulen und sollen kurzerhand als “lernbehindert” erklärt werden, damit sich ein Sonderpädagoge in der Klasse um diese kümmert“, schreibt der Anwalt auf seiner Homepage. „Genauso geraten immer mehr Schüler mit ADHS ins Visier der Schulen und sollen sozial-emotionalen Förderbedarf erhalten, damit ein Sonderpädagoge sich bei Störungen des Unterrichts um sie kümmert.“ Oder: um sie von der Schule zu entfernen. Denn trotz des mittlerweile grundsätzlich verbrieften Rechts aller Kinder auf Unterricht in einer Regelschule gebe es immer noch die Möglichkeit, Kinder zwangsweise auf eine Förderschule zu delegieren. „§ 20 Absatz 4 SchulG NRW beinhaltet eine Möglichkeit des Schulamtes, das Wahlrecht der Eltern in besonderen Fällen zu durchbrechen, sodass Schüler nach wie vor auf Sonderschulen auch gegen den Willen der Eltern geschickt werden können“, berichtet Zoller.
Ein Blick auf die Seite des nordrhein-westfälischen Schulministeriums bestätigt das. Dort heißt es: „Wenn eine Grundschule beispielsweise noch nicht über Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung verfügt und dennoch Kinder aufgenommen hat, bei denen nach einiger Zeit eine Lern- und Entwicklungsstörungen vermutet wird, dann kann sie auf der Basis von § 19 Absatz 7 ebenfalls ein AO-SF-Verfahren beantragen – gegebenenfalls auch gegen den Willen der Eltern. So ist es auch in der Gesetzesbegründung formuliert.“ Das kann in der Konsequenz bedeuten: dass das betroffene Kind die Schule verlassen muss. Agentur für Bildungsjournalismus
Hier geht es zu der WDR-Reportage “Für dumm erklärt”.
Dr. Michael Wrase, Lehrbeauftragter an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung in der Projektgruppe der Präsidentin, hat die Probleme von Sonderschülern in einem 2014 erschienenen Beitrag zusammengefasst. Darin heißt es:
„Die Persistenz des Sonderschulwesens in Deutschland hat historische Gründe, deren Ursprünge im Aufbau eines Hilfsschulwesens für schwer oder nicht „bildsame“ Kinder Anfang des 20. Jahrhunderts liegen. (…)
Dabei wird der Begriff ‚sonderpädagogischer Förderbedarf‘ in Deutschland überaus weit gefasst. Die überwiegende Zahl der Förderschüler besucht eine Schule wegen einer ‚Lernbehinderung‘ oder einer ‚sozial-emotionalen‘ Entwicklungsstörung; in diesen Fällen beruht die Sonderschulzuweisung hauptsächlich auf der Diagnose einer dauerhaften deutlichen Abweichung der Schulleistungen von den Durchschnittsleistungen Gleichaltriger oder auf eben besonderen Verhaltensauffälligkeiten wie Konzentrationsstörungen, aggressives Auftreten oder sonstigen Problemen in der Verhaltensentwicklung. In dieser Schülergruppe sind Kinder aus sozial schwachen Familien und Familien mit aktuellem Migrationshintergrund deutlich überrepräsentiert. (…)
Über 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler verlassen die Förderschule ohne qualifizierenden Abschluss und bleiben in der Regel ihr Leben lang auf staatliche Fürsorgeleistungen angewiesen. Staaten mit einem inklusiven Schulsystem schneiden hier deutlich besser ab. (…)
Die reduzierten curricularen Anforderungen, die sich von vornherein nicht mehr am Lernniveau nicht-behinderter Schüler orientieren, führen teilweise zu einer klaren intellektuellen Unterforderung. Am wirkmächtigsten ist aber die soziale Stigmatisierung, die mit dem Besuch einer Förderschule in Deutschland einhergeht. Mit dem Besuch der Förderschule werden die betroffenen Kinder und Jugendlichen schon sehr früh auf das soziale und berufliche ‚Abstellgleis‘ gefahren.“
Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich den Beitrag und die darin geäußerten Meinungen lese.
Dass die Inklusion in allen Bundesländern unterschiedlich weit umgesetzt ist, ist klar.
Dass es Einzelfälle und Ausnahmen gibt und vor Jahren womöglich ein Kind ohne Dolmetscher einen nicht angemessenen (also nicht sprachfreien) IQ-Test hat machen müssen, auch denkbar.
Aber etliches, was geschildert wird, entspricht zumindest in meinem Bundesland nicht den Tatsachen:
“Denn viele Schulen führten solche Verfahren mittlerweile „inflationär“ durch, weil für sie die Verlockung groß sei, sich personell mit einem Sonderpädagogen ausstatten zu lassen, der „sich um alle halbwegs schwierigen Fälle kümmert“. Und dazu gehörten immer mehr Kinder.”
Es stimmt, dass es immer mehr Kinder sind, das beobachte auch ich: viele Kinder sind nicht schulreif, das liegt am sehr frühen Einschulungstermin und daran, dass viele SuS weniger Vorkenntnisse und Erziehung mitbringen, wenn sie zur Schule kommen.
Aber die Behauptung, man würde die Verfahren durchführen, weil man personell besser ausgestattet würde, ist schlichtweg falsch. In meinem Bundesland bekommt man NICHT EINE Stunde ZUSÄTZLICH, egal, wie viele Kinder mit Förderbedarf in der Klasse sitzen. Auch für sozial-emotional sehr auffällige Schüler bekommt man keine zusätzlichen Stunden, für Legasthenie und Dyskalkulie schon gar nicht, selbst wenn im Erlass davon die Rede ist, dass Fördergruppen eingerichtet werden sollten.
Und selbst die minimale Grundversorgung (2 Stunden pro Klasse pro Woche pauschal an die Schule, selbst zu verteilen) kann nicht erteilt werden, weil die Stunden nicht zugeteilt werden und dann auch aus dem Soll der Schule gestrichen werden.
“Denn trotz des mittlerweile grundsätzlich verbrieften Rechts aller Kinder auf Unterricht in einer Regelschule gebe es immer noch die Möglichkeit, Kinder zwangsweise auf eine Förderschule zu delegieren. ”
Ja, dieses Recht gibt es, in absoluten Ausnahmefällen nach sehr langem Weg. Es kommt z.B. zu einem Ausschluss von der Schule, nach mehrfachem gewalttätigem, übergriffigen, gefährlichen Verhaltens.
DAS hat aber mit dem Förderbedarf in der Regel nur sehr wenig zu tun.
Zu fordern, dass alle SuS in einer Schule beschult werden sollten, ohne die notwendigen Bedingungen im selben Atemzug zu nennen, ist fahrlässig. Da möchte ich mal sehen, ob in Zukunft ein SuS mit Förderbedarf klagt, weil er nicht auf eine FöS gehen konnte und ihm die wichtige Förderung vorenthalten wurde.
“Der Verband fordert, die Diagnostik „aus der Hand der Schulen zu nehmen“.”
Die Diagnostik ist im übrigen immer ein Zusammenspiel von verschiedenen Lehrkräften und Sonderpädagogen. Letztere wurden dafür ausgebildet, die Tests erstellen zu dürfen, erstere nicht.
Die Tests an außerschulische Träger delegieren zu wollen, käme dem Markt, der damit gemacht wird entgegen, nicht aber den SuS, die monatelange Wartezeiten allein für den ersten Termin bekommen.
Auch hier lässt man die SuS im Regen stehen, denn eine entsprechende Förderung (Aussetzen der Note, zieldifferente Beschulung) darf erst erfolgen, wenn das Verfahren positiv beschieden wurde.
Zudem: Bevor ein Verfahren eingeleitet wird, muss für ca. 1 Jahr dargelegt werden, in welcher Weise das Kind schulintern gefördert wurde, was bereits unternommen wurde etc. Sogar Vorgaben, dass das Kind möglichst wiederholt haben sollte, gibt es.
UND: Ein Verfahren besteht nicht allein aus einem IQ-Test, sondern aus einer Vielzahl von Beobachtungen, Arbeitsergebnissen etc.
Ähnlich läuft es übrigens zurzeit mit der Beantragung von LernbegleiterInnen /i-Helferinnen:
Der Antrag MUSS von den Eltern erfolgen. Wollen sie das nicht, bekommt das Kind keine Hilfe.
Für das Kind MUSS einen außerschulischer IQ-Test durchgeführt werden und der dazu Bericht vorliegen – Wartezeit gerne 1/2 Jahr oder länger.
Der Kostenträger (Jugendamt/ Sozialamt) besucht Familie und Schule.
Die Lehrkraft füllt ein Berichtsformular aus (ca. 15 Seiten).
Die Eltern suchen selbst eine Kraft, die dann für sehr wenig Geld bereit ist, diese Kinder zu begleiten.
In der Regel werden 10 Stunden bewilligt, das deckt gerade den halben Schulvormittag in der 1. Klasse ab, später nicht mehr.
Berichte und Hilfeplangespräche erfolgen halbjährlich.
Mit immer größeren Hürden und immer aufwändigeren und schwierigeren Verfahren kommt es eher dazu, dass Kinder, die dringend Hilfen benötigen würden, diese nie erhalten. Und diese Kinder können im derzeitigen Schulsystem nicht erfolgreich sein.
Liebe/r Palim,
das Phänomen ist schon befremdlich: Obwohl die Zahl der förderbedürftigen Schüler an Regelschulen wächst, nimmt die Zahl der Schüler an den Förderschulen so gut wie gar nicht ab. 2008 waren es 4,9 Prozent aller Schüler. 2014 noch immer 4,7 Prozent. Insgesamt ist die Quote der förderbedürftigen Kinder an allen Schulen in den vergangenen fünf Jahren von sechs auf 6,8 Prozent gestiegen.
Der Bildungsforscher Klaus Klemm meint, dass die „Kinder nicht innerhalb von fünf Jahren plötzlich so viel schwieriger werden können“. Vielmehr seien die Anreize für die Schulen falsch gesetzt. Klemm: „Nahezu alle Bundesländer haben die Mittelzuweisung an die allgemeinbildenden Schulen an die Zahl der förderbedürftigen Kinder gekoppelt.“
Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article145982574/Zahl-der-foerderbeduerftigen-Kinder-an-Schulen-steigt.html
Herzliche Grüße
Die Redaktion
” Insgesamt ist die Quote der förderbedürftigen Kinder an allen Schulen in den vergangenen fünf Jahren von sechs auf 6,8 Prozent gestiegen.”
Also gerade mal um 0,8%! Und die Zahlen beziehen sich auf die Sekundarschulen, nicht auf die Grundschulen.
“Der Bildungsforscher Klaus Klemm meint, dass die „Kinder nicht innerhalb von fünf Jahren plötzlich so viel schwieriger werden können“. ”
Tja, nur dass Klaus Klemm BildungsFORSCHER ist und ich Lehrerin und ich TÄGLICH mehrere Klassen vor mir sehe. Meine Beobachtung ist eine andere… und ich bekomme keine zusätzlichen Stunden für meine Förderschüler, habe aber erhebliche Mehrarbeit, auch bürokratischer Art.
Im übrigen sollte man sich darum bemühen, dass die Bedingungen in den Schulen verbessert werden, damit Inklusion gelingen kann. Es hilft gar nichts, die Hürden für die Verfahren noch höher zu schrauben. So leicht, wie es dargestellt wird, ist es schon jetzt nicht. Das schönt dann die Statistiken, hilft den SuS aber nicht.
Am Ende führen Äußerungen wie die von Herrn Klemm dazu, dass Lehrkräften vorgeworfen wird, sie würden die Inklusion ausnutzen, und die völlig unzureichenden Mittel könnten noch weiter zusammengestrichen werden.
Eine Steigerung von 6 auf 6,8 Prozent ist eine Steigerung um 0,8 Prozentpunkte (nicht 0,8 Prozent) – also um 13,33 Prozent. Bei 11 Millionen Schülern insgesamt in Deutschland sind also immerhin rund 88.000 Kinder mehr vom sonderpädagogischen Förderbedarf betroffen als früher – trotz Inklusion. Das ist jetzt nicht so wenig.
Danke fürs Vorrechnen.
Es sind nicht wenige. Stimmt.
Ich kann für meine und benachbarte Schulen sprechen.
Früher haben wir im Durchschnitt 2 Kinder pro Jahrgang gemeldet, die Jahrgänge waren größer. Es gab aber auch Kinder, die gar nicht in der Regelschule eingeschult wurden, sondern sofort in die Förderschule gingen. Das sind heute erheblich weniger, zumal in meinem Bundesland die FöS Lernen aufgehoben wird. Die Eltern haben gar kein Wahlrecht, da es keine Schulen mit diesem Schwerpunkt mehr gibt (bald, höhere Jahrgänge gibt es zur Zeit noch)
Vielleicht ist man besser aufgeklärt und kennt sich in verschiedenen Bereichen besser aus. Z.B. wüsste ich heute anders damit umzugehen, wenn ein Kind ein Cochlea-Implantat hat, das wusste ich vor 10 Jahren nicht. Auch in der Förderung von Grundkompetenzen, Wahrnehmungsleistungen und Voraussetzungen in Klasse 1 habe ich in den letzten Jahren einiges dazu gelernt.
Ich bleibe dabei, dass die Auffälligkeiten zugenommen haben und nicht durch Prozente oder Hürden bei der Unterstützung weggerechnet werden sollten.
Da wird das Sparkonzept zum Ramsch.
Mir scheint eher, dass die Schulen durch die Inklusion massiv überfordert sind – und viele davon versuchen, den Druck weiterzureichen, um die vielen Probleme überhaupt noch bewältigen zu können. Mit dem Abwehrreflex “darf nicht, tun wir nicht, gibt’s nicht” ist keinem geholfen. Der Bericht oben ist ja keine Schuldzuweisung an die Lehrkräfte, sondern zunächst mal nur eine Beschreibung der (traurigen) Situation. Und ohne eine solch ehrliche Bestandsaufnahme ändert sich ja nichts.
Klaus Klemm ist m.E. mit Vorsicht zu genießen. Er gehört zu den Lieblingswissenschaftlern der Bertelsmann-Stiftung und ihren fragwürdigen Studien, mit denen oft und gern Politik gemacht wird.
@Redaktion um 14:55
“…nur um sich schwieriger Kinder zu entledigen!”
Tut mir leid, aber diese Stimme kann ich aus mehreren Gründen nicht ernst nehmen.
Immerhin sagt die Förderschullehrerin: “ich bin unzufrieden mit der Masse an Anforderungen zur Überprüfung…”. Viele Überprüfungen machen nämlich viel Arbeit, auf die jeder gern verzichten würde, auch diese Förderschullehrerin.
Dass sie ihrem Frust allerdings in Form eines Seitenhieb auf ihre Kollegen an den Regelschulen Luft macht, finde ich bedauerlich.
Alle Lehrer sitzen durch die Inklusion doch im selben maroden Boot. Was nützt es da, wenn einer dem anderen zu wenig Anstrengung beim Rudern vorwirft und die Politik somit von ihren Fehlern bei der Fahrtüchtigkeitsprüfung entlastet?
Aha, Prof. Klaus Klemm ist “mit Vorsicht zu genießen”. Immerhin hat er gerade der schleswig-holsteinischen Landesregierung mehr Lehrerstellen für die Inklusion empfohlen – und die hört drauf. Der Mann leistet den Schulen in Deutschland offenbar gute Dienste.
Bemerkenswert, wie leichtfertig hier versucht wird, Menschen (Wissenschaftler) in ein schiefes Licht zu rücken. Da reicht das Stichwort “Bertelsmann”, um eine Verschwörungstheorie anzudeuten.
https://www.news4teachers.de/2016/10/erstaunlich-schulforscher-klemm-empfiehlt-bildungsministerin-ernst-mehr-stellen-fuer-die-inklusion-und-die-hoert-darauf/
Ein weiterer Grund zur Vorsicht hat sich für mich mit Ihrer Verteidigung der Studien von Prof. Klaus Klemm ergeben, Bernd.
Dreimal dürfen Sie raten, warum.
Ein Argument von intellektueller Brillianz.
In Schleswig-Holstein folgt man Klemm und schafft (500) Lehrerstellen? NEIN! Die SPD will das in ihr Wahlprogramm schreiben, mehr nicht. Und was von solchen Versprechungen zu halten ist, wissen wir alle.
Noch eine Ergänzung – auf der Facebook-Seite von News4teachers kommentiert eine Kollegin den Beitrag:
“Kann ich (Förderschullehrerin) zum Teil unterschreiben, ich bin unzufrieden mit der Masse an Anforderungen zur Überprüfung, die gestellt werden, nur um sich “schwieriger” Kinder zu entledigen! Besonders im Bereich der Daz- Kinder fällt mir das momentan auf!”
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Wer die Meldung bzw. Frau Ernsts Einlassungen aufmerksam liest, wird sich nicht des Eindrucks erwehren können, daß sie außer Willenserklärungen bzw. (Selbst)aufforderungen (“soll”) nichts wirklich Substantielles
zu bieten haben. Mithin kann eine verlässliche Aussage, ob man Herrn Klemms Empfehlungen tatsächlich
folgen wird, noch gar nicht getroffen werden.
Ich könnte mir vorstellen, dass die Zahl der Förderanträge mit der Zahl der Klassen und Kurse, die die 30er Marke überschreiten zusammenhängt. Ist natürlich nur so in den Raum geworfen. Es gibt bestimmt Studien, die besagen, dass ein Stuhlkreis mit 20 Kindern genausogut gelingt, wie mit 30. Je mehr desto kuscheliger.
Zudem fehlen schlicht Lehrer. Lehrer, die krank werden oder Kinder bekommen fehlen übrigens auch, auch wenn solche Szenarien gern schön gerechnet werden. Wenn ein Lehrer in den Ruhestand geht, dann fehlt der und das weiß man vorher, also könnte man einer Ausschreibung zustimmen ohne nochmal ein Jahr nachzurechnen, ob der Kollege im Ruhestand versehentlich ein paar Stunden in der Schule gelassen hat.
Meine Kinder werden regelmäßig zusammen mit der jeweils jüngeren Klasse betreut, weil Lehrer fehlen und die eine Lehrerin in der ersten Stunde oft als Sekretärin einspringen muss. Solange die Klassen über 20 Kinder zählen bedeutet zwei Klassen pro Lehrer = 40-68 Kinder/Lehrer und das meist in zwei Räumen. In solchen Situationen muss man sich auf die Kinder verlassen können.
Hallo,
ich beziehe mich jetzt mal nicht auf das Thema Inklusion, sondern auf den Beitrag oben über die schulische Biografie von Nenad.
Ich empfehle Jeder/Jedem, sich die zugehörige Folge “Menschen hautnah” anzusehen. Mich interessierte dann, wie es aktuell um das Gerichtsverfahren steht. Und ich war entsetzt, dass dem jungen Mann nun auch noch die Prozesskostenhilfe verweigert wurde. Ein sehr effektives Mittel, sich vor einer Klage zu schützen!
Ich finde es mehr als bedenklich, wenn die Rechte und die Zukunftsperspektive junger Menschen so mit Füßen getreten werden.
In diesem Sinne würde es mich freuen, wenn der/die ein oder andere einige € für die Prozesskosten spenden möchte:
https://www.betterplace.org/de/projects/49376-prozesskostenhilfe-nenad-gegen-das-land-nrw
Prozesskostenhilfen werden i.d.R. dann abgelehnt, wenn die Erfolgsaussichten einer Klage schlicht und einfach sehr gering sind. Denn natürlich wird man bei einem Verfahren dem Kläger nicht ganz zu Unrecht entgegenhalten, dass es damals ja Elterngespräche gegeben haben muss und das eine Einschulung in einer Förderschule natürlich nur mit Einverständnis und Unterschrift der (mündigen) Eltern möglich war. Da wirkt es – sorry – tatsächlich schon etwas seltsam, dass jetzt der mittlerweile 20 jährige Betroffene selber proaktiv die Klage erhebt und sich die verantwortlichen Eltern nicht schon viel früher um das Thema gekümmert haben. Oder habe ich da etwas verpasst ?!
Was in dem Zusammenhang auch noch etwas merkwürdig ist: Kein Kind wird am zuständigen Kinderarzt/Facharzt und entsprechender Diagnostik vorbei einfach als geistig behindert eingestuft. Denn aus diesem “Status” heraus ergeben sich nicht nur Pflichten sondern vor allem auch viele Sonderrechte (auch in Form finanzieller Vorteile) für die Betroffenen, die behördlicherseits und von Seiten der KK stets sehr genau protokolliert und wiederkehrend anhand von Gutachten überprüft werden. Wenn ich daran denke, welche Korrespondenz ich mit Gott und der Welt im Zusammenhang mit der geistigen Behinderung meiner Tochter bereits hinter mir habe, erscheint mir der geschilderte Fall doch arg … merkwürdig…