EMSDETTEN. Zehn Jahre ist es her, dass ein ehemaliger Schüler schwer bewaffnet seine ehemalige Schule in Emsdetten stürmt und Amok läuft. Wie geht man um mit so einem Jahrestag? Stadt und Schulleitung wollen keine alten Wunden aufreißen.
Er kam schwer bewaffnet und mit einer Gasmaske getarnt, schoss auf ehemalige Mitschüler und den Hausmeister, zündete Rauchbomben. Als dann die Polizei vorrückt, tötete sich der 18-Jährige selbst. Der Amoklauf an der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten im Münsterland jährt sich am Sonntag zum zehnten Mal. Am 20. November 2006 hatte der 18-jährige ehemalige Schüler aus Rache mit Gewehren und Sprengstoff seine frühere Schule überfallen. 37 Menschen wurden verletzt, unter ihnen 19 Schüler und 16 Polizisten. Anders als bei den Amokläufen an anderen Schulen wie in Erfurt und Winnenden gab es neben dem Täter keine Toten. Öffentlich an den Amoklauf erinnern will die Stadt zehn Jahre später nicht.
Der Angriff in dem Ort zwischen Münster und der Grenze zu Niedersachsen hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Die Hälfte der rund 700 Schüler begab sich in die Hände von Psychologen. Auch die Politik reagierte: Ein Jahr nach dem Angriff gab die Landesregierung allen NRW-Schulen einen 120 Seiten starken Notfallordner an die Hand, zudem wurde die Zahl der Schulpsychologen deutlich aufgestockt.
Warum es damals zu diesem Amoklauf kam, dazu gibt es auch heute noch viele offene Fragen. «Es handelt sich im Prinzip um einen Selbstmörder, weil er die Sinnhaftigkeit des Lebens nicht mehr erkennt», sagte der Bielefelder Jugendforscher Klaus Hurrelmann damals.
Der Täter wuchs in behüteten Verhältnissen auf. Manche Mitschüler sagten später, er sei eigentlich ganz nett gewesen. Andere erzählten, sie hätten immer schon Angst gehabt vor dem Jungen, der oft mit Ledermantel oder in Tarnkleidung zur Schule kam und als Waffennarr galt.
Das Internet-Tagebuch des 18-Jährigen glich einer Hasstirade auf sich selbst und sein Leben. Er schrieb, dass er sich erniedrigt, in die Enge getrieben und von Lehrern und Mitschülern gedemütigt fühle.
Nach dem Amoklauf blieben Schulpsychologen sechs Jahre an der Realschule, bis die letzten betroffenen Schüler ihre Abschlüsse gemacht hatten. Die Schülerzahlen blieben konstant.
Zum Jahrestag planen Stadt und Schule keine öffentliche Gedenkfeier. Die Stadt geht mit der Wunde in ihrer Geschichte anders um als etwa Erfurt oder Winnenden, wo es bei Amokläufen an Schulen viele Tote gegeben hatte. «Wenn auch wir hier in Emsdetten tote Schüler oder Lehrer zu beklagen gehabt hätten, wäre das eine andere Situation», sagt Schulleiterin Carola Keller, die als Rektorin 2006 gerade ihren Dienst an der Schule gestartet hatte. «Aber das ist eben nicht vergleichbar.» Carsten Linnhoff, dpa