BERLIN. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will härtere Strafen bei Beleidigungen, Drohungen und Gewalt gegen Lehrer. Eine entsprechende Gesetzesinitiative werde sie am Freitag in den Bundesrat einbringen, kündigte sie gegenüber der «Rheinischen Post» an. Auch weitere Personen, die für das Gemeinwesen arbeiten, sollen geschützt werden. «Angriffe und Beleidigungen von Lehrern, Amtsträgern, Rettungskräften, Helfern oder Ehrenamtlichen sind keine Bagatellen», sagte Kraft. Schon bei den ersten Anzeichen strafbaren Verhaltens müsse der Staat einschreiten. Unterstützung bekommt sie vom VBE sowie vom Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverband.

Kraft reagiert mit ihrer Initiative auch auf eine vom VBE initiierte Forsa-Umfrage vom November. Demnach ist fast jeder vierte Lehrer schon einmal bedroht worden. Gewalt haben sechs Prozent von ihnen erfahren. Auch die Union und die SPD planen eine Strafverschärfung für Beleidigungen, Drohungen und Gewalt gegen Staatsbedienstete und Amtsträger, haben aber bislang nur Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter im Blick. Kraft hat mit ihrer Initiative die Lehrer mit in die Debatte gebracht.
„Die Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst nimmt schockierende Ausmaße an. Wir begrüßen daher ausdrücklich die Initiative zur Strafverschärfung, die Hannelore Kraft diesen Freitag im Bundesrat einbringen wird“, erklärte VBE-Chef Udo Beckmann. Danach soll „eine gegenüber dem Gemeinwohl feindliche oder gleichgültige Haltung bei der Strafzumessung zu berücksichtigen“ sein. Die Umsetzung ziele auf eine Erweiterung des § 46 (Grundsätze der Strafzumessung) des Strafgesetzbuches. Strafen sollen dann auch schon für Beleidigungen und Bedrohungen ausgesprochen werden.
Beckmann stellt heraus: „Die strafverschärfende Maßnahme muss für alle im Öffentlichen Dienst Beschäftigten gelten. Spätestens mit unserer repräsentativen Umfrage, aber auch schon nach der gemeinsam vom Bundesministerium des Inneren und dbb beamtenbund und tarifunion veranstalteten Konferenz ‚Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst‘ im April 2016 ist klar: Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomenen, gegen das der Dienstherr seine Beschäftigten in besonderem Maße schützen muss. Dies darf nicht nur für einzelne Beschäftigtengruppen gelten, sondern es muss für alle gelten. Sonst werden die Gewalt-Erfahrungen der anderen bagatellisiert. Das darf der Dienstherr nicht zulassen.“
Der VBE-Bundesvorsitzende fordert: „Die Bundesländer sollen diese Initiative unterstützen. Von der Bundesregierung erwarten wir eine schnelle Umsetzung in geltendes Recht.“
Die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, hat die Bayerische Staatsregierung aufgefordert, die Gesetzesinitiative von Kraft zu unterstützen. Dieser muss Bayern zustimmen, forderte Fleischmann in München. „Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, gegen das der Dienstherr seine Beschäftigten in besonderem Maße schützen muss. Wir sind uns hier mit unserem Dachverband, dem Verband Bildung und Erziehung (VBE), und dessen Bundesvorsitzenden Udo Beckmann einig: Eine Änderung des Strafgesetzbuches ist dringend nötig“, betonte Fleischmann.
An bayerischen Schulen kommen laut forsa-Befragung harte Fälle von körperlicher Gewalt zwar eher selten vor, psychische und verbale Aggressionen dagegen finden häufig statt: 55 Prozent der befragten Lehrkräfte berichten von solchen Fälle an ihren Schulen. Viele Lehrerinnen und Lehrer fühlten sich zudem allein gelassen: Aus der Studie geht hervor, dass sie sich mehr Unterstützung und professionelle Maßnahmen zur Gewaltprävention wünschen.
„Für viele Betroffene stellt die Erfahrung mit Gewalt eine lebenslange Belastung dar. Jeder einzelne Fall ist in meinen Augen einer zu viel“, betonte Fleischmann. Agentur für Bildungsjournalismus / mit Material der dpa
Dass die Strafhöhe davon abhängt, gegen wen die Gewalttat oder Gewaltandrohung ausgeübt wird, halte ich aus rechtlicher Sicht für problematisch.
Soll es wirklich weniger sanktioniert werden, wenn ich eine Kindergärtnerin an einer privaten Einrichtung bedrohe als wenn ich das gegenüber einer Lehrkraft an einer öffentlichen Schule tue? Darf ich mir gegenüber einem Flüchtling mehr herausnehmen als gegenüber einem kommunalen Angestellten?
Die Menschenwürde aller Bürger ist unantastbar und gleichviel wert. Da darf es keine Unterschiede geben!
Ich finde die Initiative gut, auch wenn ich glaube, dass sie eigentlich nicht nötig ist, weil die Gesetze da sind, um angemessen zu urteilen. Die Richter tun es nur nicht.
Was vielleicht nötig ist, den Strafrahmen, an denen sich die Richter ja halten müssen (?), zu ändern, sodass sie nicht mehr allzu milde Urteile fällen können.
Wir Lehrer brauchen insgesamt mehr rechtlichen Rückhalt, manchmal auch nur Klarheit. Dafür sorge die Politik bitte, nachdem sie zurecht in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt hat, dass Schüler besser geschützt werden. Das musste natürlich auch sein.
Verstehe ich nicht, warum musste das sein? Ansonsten stimme ich Ihrer Meinung vollkommen zu.
Der VBE hat eine Umfrage über verbale und körperliche Gewalt gegen Lehrkräfte gemacht. Das ist verdienstvoll. Dabei kam heraus, dass rund sechs Prozent der Lehrkärfte im Laufe ihrer gesamten Berufslaufbahn mindestens einmal schon mal körperlich bedroht oder angegriffen wurden, ein Drittel wurde schon einmal verbal bedroht. Das ist erschreckend, zweifelsohne.
Wenn es aber eine bundesweite Schülervertretung gäbe, die eine gleiche Umfrage in Auftrag geben würde, wieviele Schüler schon einmal im Laufe ihres Schullebens von Lehrkräften psychisch oder physisch bedroht wurde, was für Ergebnis würde herauskommen?
Das soll keine Verniedlichung des VBE-Umfrageergebnisses sein, es zeigt aber auch, dass man Umfragen immer im Kontext sehen muss. Manche können auch zu Eigentoren werden.
Schule war noch nie fair. Insofern stimme ich Ihnen zu Herr Färber. Etwas mehr Differenzierung wäre da dringend notwendig, war aber auch nicht Ziel besagter Umfrage.
@ Bernhard Färber,
nein. Beide Seiten haben sich “fair” zueinander zu verhalten. Natürlich dürfen Lehrer Schüler nicht drangsalieren. Dagegen ist viel getan worden (gesetzlicher Art und durch Richtersprüche). Gut so. Aber das kann nun nicht bedeuten, dass Schüler sich gegenüber Lehrern alles erlauben dürfen und relativ ungeschoren davonkommen, weil sie “ja nur Kinder sind”.
Das Pendel ist in die andere Richtung ausgeschlagen in den letzten ca. 20 Jahren. Dagegen muss nun was getan werden. Sonst kann man sich alle tollen Ideen für besseren Unterricht gleich sparen (wenn eh keiner zuhört und alle nur Faxen machen und der Lehrer nichts mehr in der Hand hat, etwas dagegen zu tun).