LUDWIGSBURG. Selten ist wohl eine Hochschule in eine so tiefe Krise gestürzt wie die Ludwigsburger Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen. Sie wird nicht nur wegen eines drohenden Untreue-Prozesses gegen 13 Professoren und den früheren Rektor und den Ex-Kanzler in den Schlagzeilen bleiben, sondern auch wegen eines Untersuchungsausschusses des Landtags. SPD und FDP haben ihn beantragt, sie wollen vor allem die Rolle von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) in der sogenannten Zulagenaffäre beleuchten.
Der seit Anfang Mai 2016 amtierende Rektor Wolfgang Ernst erwartet keinen Wissenszuwachs – in Landtagsdebatten und parlamentarischen Anfragen seien die Vorgänge bereits ausführlich behandelt worden. «Aber ich wünsche mir, dass die Zulagenpraxis an den Hochschulen generell betrachtet wird. Wenn das dazu führt, dass der Begriff Leistung klarer definiert wird, kann das positiv für alle Hochschulen sein», sagt der Wirtschaftsingenieur. Erfahrung allein könne kein Maßstab sein. «Dazu gehören unter anderem die Zahl und Qualität von Veröffentlichungen, die Lehr -und Forschungsleistung oder die Weiterbildung – da gibt es tausend Möglichkeiten.»
Die Lage des Rektors ist alles andere als komfortabel. In Hochschulkreisen wird er mit dem Spruch begrüßt: «Bist du von der Hochschule, die immer in der Zeitung steht, bist du auch so ein Betrüger?» Der Professor fügt hinzu: «Da wird man angegangen, das ist nicht mehr feierlich.» Er halte aber am Grundsatz fest: «Bis zur Verurteilung gelten die Angeklagten als unschuldig.» Auf die Qualität der Lehre der 2700 Studenten habe die öffentliche Debatte keinerlei Einfluss. Die Studentenvertreter der künftigen Beamten des Landes wollten sich zum Thema nicht äußern.
Streitpunkt: Zulagen
Hintergrund der Affäre sind diffizile Besoldungsfragen. Die angeklagten Professoren profitierten von einem Wechsel von der C-Besoldung, deren Erhöhung dem Dienstalterprinzip folgt, in die W-Besoldung. Diese besteht aus einem um 900 Euro brutto geringeren Grundgehalt und einer – in der C-Besoldung nicht vorgesehenen – Leistungszulage. Die Angeklagten, von denen zwei bereits im Ruhestand sind, stellen mehr als zehn Prozent des gesamten Lehrkörpers.
Vor Ende 2011 war das Thema Zulagen an der Ludwigsburger Hochschule nicht virulent, weil bis dahin keine Mittel dafür bereitstanden. Der damalige Rektor Walter Maier und sein Kanzler Walter Veigel hatten jedoch kurz vor ihrem Ruhestand mehrere Hunderttausend Euro zu vergeben und boten einigen Kollegen den Wechsel in die W-Besoldung an. Da unter dem Strich um die 700 Euro brutto mehr im Monat in Aussicht standen, nahmen die Angesprochenen die Offerte an.
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Das Plus erhielten sie in Form einer vom Landesamt für Besoldung und Versorgung als «Berufungsleistungszulage» deklarierten Zuwendung. Die wird allerdings in der Regel nur gewährt, wenn tatsächlich ein Wissenschaftler von außen an die Hochschule berufen wird. Die Professoren, zumeist Juristen, argumentieren, sie hätten die komplexen Zusammenhänge, die zur möglichen Rechtswidrigkeit der Zulagen führen, nicht erkannt und auch nicht erkennen können. Überdies sahen sich die in der Hochschule als «Wechsler» titulierten Wissenschaftler als Leistungsträger berechtigt, die Zulagen zu erhalten. Das bewertet die Staatsanwaltschaft Stuttgart allerdings anders und beschuldigt Maier und Veigel der Untreue in besonders schwerem Fall, die Professoren der Beihilfe zur Untreue.
Die Nachfolgerin Maiers, Claudia Stöckle, hatte ebenfalls Bedenken und gab zwei Gutachten in Auftrag. Ergebnis: Die Zulagen seien rechtswidrig, müssten aber nicht zurückgezahlt werden. Sie summieren sich grob auf eine halbe Million Euro. Von Selbstbedienung kann aus Sicht der Professoren keine Rede sein. Das Geld sei ohnehin für Zulagen zweckgebunden gewesen.
Büchergeschenke sorgten für Ärger
Aber nicht nur die umstrittenen Zulagen sorgten für Unruhe an der Hochschule, sondern auch die neue Rektorin selbst. Aus den Reihen der Professoren ist zu hören, dass sie Kleinigkeiten aufgebauscht habe und Aufgaben nicht habe delegieren können. Zu den Lappalien, die die Stimmung vermiesten, gehörte etwa die Frage, ob Büchergeschenke für kranke Professoren aus der Hochschulkasse bezahlt werden sollten. Eine zugeparkte Feuerwehrzufahrt sorgte offenbar ebenfalls für Zündstoff.
Fürsprecher Stöckles sagen, sie habe Missstände an der Hochschule, etwa im Rechenzentrum, abstellen wollen und sei beim «Aufräumen» zu wenig vom Wissenschaftsministerium unterstützt worden. Fakt ist: Stöckle hatte sich so unbeliebt gemacht, dass etliche Funktionsträger wie ihre Prorektoren ihre Ämter niederlegten und sie Anfang 2015 in Hochschulrat und Senat abgewählt wurde. Für die FDP im Landtag ist sie ein «Bauernopfer», um die Aufmerksamkeit von Ministerin Bauers «Totalversagen» in der Affäre abzulenken. Die Grüne allerdings argumentiert mit der Hochschulautonomie und will die Lösung von Streitigkeiten möglichst den Hochschulen selbst überlassen. Von Julia Giertz, dpa