Pflicht-Religionsunterricht soll früher kommen, als es die Bildungssenatorin für möglich hält

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BERLIN. Berlin belegt in Bundesländervergleichen von Schülerleistungen seit Jahren einen der hinteren Plätze – zuletzt bei der IQB-Studie: Zwei von fünf Neuntklässlern erreicht danach die Mindeststandards im Lesen nicht. Da überrascht es schon, mit welchem bildungspolitischen Thema der Regierende Bürgermeister nun nach vorne prescht: verpflichtender Religionsunterricht. Der soll sogar schneller kommen, als es die Bildungssenatorin für möglich hält.

„Ich glaube, das ist eine Riesen-Chance“, meint Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner. Foto: Shutterstock

An Berlins Schulen soll nun doch schon in gut zwei Jahren verpflichtender Religionsunterricht eingeführt werden. Das kündigte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) ach einer gemeinsamen Sitzung des Senats mit der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) an. Gemeinsames Ziel sei, den Religionsunterricht noch in dieser Legislaturperiode als Wahlpflichtfach einzuführen. «Das wollen wir bis 2026 hinbekommen.» Schon jetzt werde dazu mit dem neuen Schulgesetz Rechtssicherheit geschaffen und Lehrpläne würden erarbeitet.

Vor einem Monat hatte Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht das Ziel 2026 nicht zu schaffen sei (News4teachers berichtete). Die Zeit reiche nicht aus, um ein Wahlpflichtfach Weltanschauungen/Religionen zu entwickeln und einzuführen. So müssten etwa ein Rahmenlehrplan erarbeitet, rechtliche Fragen geklärt und Personal ausgebildet werden.

Nun schätzt ihr Vorgesetzter – und Lebensgefährte (News4teachers berichtete auch darüber) – das offensichtlich anders ein. Um so schnell wie möglich das nötige Personal zu bekommen, sei ein enger Austausch mit den Kirchen geplant, sagte Wegner. Ziel sei, mit zusätzlichen Lehrkräften das Wahlpflichtfach tatsächlich mit Leben zu erfüllen.

Bischof Christian Stäblein äußerte sich erfreut, dass der Regierende Bürgermeister das Thema mit Nachdruck angehe. «Wir sind als Kirchen darüber sehr, sehr froh und dankbar.» Religion und insbesondere Religionsunterricht seien eine gemeinsame Aufgabe: «Weil es zur Aufklärung von Menschen über sich selbst, über andere, über andere Religionen und damit immer wieder zum Friedensunterricht im Miteinander dieser Stadt wird», sagte er. «Religionsunterricht ist Friedensunterricht.» Das sei auch ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Antisemitismus.

«Religion ist nicht etwas, was spaltet, egal, was man glaubt. Sondern Religion sollte etwas sein, was verbindet. Was unsere Gesellschaft verbindet»

Oftmals werde Religion als spalterisch dargestellt, sagte Wegner. Das Gegenteil sei der Fall: «Religion ist nicht etwas, was spaltet, egal, was man glaubt. Sondern Religion sollte etwas sein, was verbindet. Was unsere Gesellschaft verbindet», so der Regierungschef. Im Religionsunterricht könne man dies jungen Menschen deutlich machen und ihnen ermöglichen, unterschiedliche Glaubensrichtungen kennenzulernen. «Ich glaube, das ist eine Riesen-Chance gerade in einer vielfältigen Stadt wie Berlin.»

Bisher können Berliner Schülerinnen und Schüler Religions- oder Lebenskundeunterricht freiwillig besuchen, den nicht zuletzt Kirchen beziehungsweise im Falle der Lebenskunde der Humanistische Verband anbieten. Im Unterschied zu den meisten anderen Bundesländern ist das nicht verpflichtend. Pflichtfach ist hingegen Ethik.

Die Frage eines Wahlpflichtfachs Weltanschauungen/Religionen als ordentliches Lehrfach fand Eingang in den nach der Wiederholungswahl 2023 geschlossenen Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD. Erster Schritt dahin ist ein neues Schulgesetz, das ab 1. August gelten soll.

Dort ist unter anderem festgelegt, dass Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften das Recht haben, entsprechenden Unterricht anzubieten. «Wenn die Nachfrage besteht und ein Träger daher diesen anbieten möchte, steht diese Entscheidung nicht zur Disposition der Schule», hatte Günther-Wünsch dazu erläutert. Schulen sollen laut Gesetz zudem verpflichtet werden, den Elternwillen zur Teilnahme ihrer Kinder an Religions- oder Weltanschauungsunterricht abzufragen. News4teachers / mit Material der dpa

GEW: Religionsunterricht ist nicht mehr zeitgemäß (und bindet zu viele Ressourcen)

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Lisa
10 Tage zuvor

Wenn ich böse wäre, würde ich auch sagen, dass in Berlin nur noch Beten hilft.
Bin ich aber nicht. Haben wir denn nichts aus Pisa gelernt? Es hilft nichts, wenn jedes Mal eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, und das alte Vieh verhungert….

Mama
9 Tage zuvor

….vor „als“ gehört kein Komma. Tztz….

Und das in einer Überschrift (und nochmal im Text) auf einer Lehrer-Homepage ….

Lisa
9 Tage zuvor
Antwortet  Redaktion

Das Komma ist hier richtig

Hinter den Kulissen
9 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Richtig. Wenn der Vergleich ein vollständiger Satz ist, muss dort ein Komma hin. Das steht doch beim Link nicht anders.

Hinter den Kulissen
9 Tage zuvor
Antwortet  Mama

Oooooooooo, lesen Sie mal Texte von Lehrern, mindestens solchen, die keine Deutschlehrer sind ………………….. 😉

Teacher Andi
9 Tage zuvor
Antwortet  Mama

Keine anderen Probleme? Ist die Zeichensetzung nicht mittlerweile der Willkür ausgesetzt? Ist sie so wichtig?

TaMu
7 Tage zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Wir essen Opa!
Satzzeichen retten Leben…

Vierblättriges Kleeblatt
9 Tage zuvor

Das ist aber schon merkwürdig. Für das Wahlversprechen „Religionsunterricht als ordentliches Fach“ findet die CDU Kraft und Muße, andere Wahlversprechen hat sie leider vergessen und kümmert sich anscheinend nicht mehr darum (besserer Nachteilsausgleich für nicht verbeamtete Lehrer z.B.).

Demnächst stehen wieder Streiks für bessere Arbeitsbedingungen an. Macht mit! Oder wollt ihr keine?

Spazierstock
8 Tage zuvor

Wie wahr, wie wahr!

Meinetwegen
8 Tage zuvor

Danke, @Kleeblatt!

Walter Hasenbrot
9 Tage zuvor

Wenn Religionsunterricht etwas sein soll, das verbindet, warum werden die Kinder dafür getrennt?

Und warum gibt es ihn nur für Christen?

Und haben Berliner Schulen nicht eigentlich ganz andere Probleme?

Mein_Senf
8 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

E T H I K….

Walter Hasenbrot
8 Tage zuvor
Antwortet  Mein_Senf

Was wollen Sie sagen?

Mein_Senf
7 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Ich möchte zum Ausdruck bringen, dass es bereits ein Fach gibt, das unsere Gesellschaft verbinden, Gemeinsamkeiten deutlich machen und ermöglichen soll, unterschiedliche Glaubensrichtungen kennenzulernen.
Also benötigt man kein Fach Religion dazu. Dies ist in Ethik bereits vorhanden.

Individualist
8 Tage zuvor

„verpflichtender Religionsunterricht als Wahlpflichtfach“
Da werden halt schwächere Schüler, die die anderen Wahlpflichtfächer nicht mögen, Religion wählen. Und schwächere Abiturienten werden Religion als Leistungskurs und Abiturfach wählen. Bei PISA wird Religion nicht getestet. 🙂

Walter Hasenbrot
8 Tage zuvor
Antwortet  Individualist

Ihre Bedenken haben sich in anderen Bundesländern nicht bestätigt.

Religion ist als Abiturfach ziemlich selten. Ich kenne keine Schule, in der Religion als Leistungskurs angeboten wird.

Individualist
7 Tage zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Nach meiner Erinnerung konnte man am beruflichen Gymnasium Ahaus zumindest Religion als Abiturfach haben (sogar in Kombination mit Gesundheit), Mathematik entfiel. Dennoch führte das zur Allgemeinen Hochschulreife. In früheren Jahrzehnten soll es tatsächlich mal Leistungskurse in Religion gegeben haben.
Religion neben Ethik (je 2 Wochenstunden) ist seltsam, Mathematik gibt es dann 3 Stunden. Das ist genau jene Überbetonung der reinen Kulturwissenschaften, die zum Niedergang von MINT geführt hat.

Walter Hasenbrot
7 Tage zuvor
Antwortet  Individualist

Ja, in seltenen Fällen gibt es einmal Schüler:innen, die Religion als Abiturfach haben.

Das ist aber sehr selten. An unserer Schule gab es das seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Einen Leistungskurs in Religion gab es bei uns noch nie.

Ihre Befürchtng, dass schwache Schüler:innen massenhaft Religion wählen, um leichtere Prüfungen zu haben, wird durch die Realität nicht bestätigt. Religion dürfte auch nicht deutlich leicher sein als andere Fächer aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich wie Sowi, Geschichte oder Philosophie.

Es gibt ja außerdem schon genügend Fächer, die unter Schüler:innen als leicht gelten.