DÜSSELDORF. Bei den Grünen in NRW läuft es kurz vor der Landtagswahl nicht rund: Magere Umfragewerte, viel Unzufriedenheit mit der Schulpolitik ihrer Spitzenkandidatin Löhrmann. Doch die pocht auf ihre Kämpferqualitäten und dekliniert schon mal alle Bündnisoptionen durch.
«Wer nicht hart im Nehmen ist, sollte den Job gar nicht erst übernehmen.» Fast trotzig kommentiert die Spitzenkandidatin der Grünen Sylvia Löhrmann die getrübten Aussichten ihrer Partei auf die nordrhein-westfälische Landtagswahl. Im jüngsten Politbarometer sind die Grünen in NRW erstmals hinter die FDP zurückgefallen. In den Umfragen hat Rot-Grün hier seit langem keine Mehrheit mehr.
In dieser Woche fährt Löhrmann in Düsseldorf ein teures Bildungsprogramm mit geplanten Wohltaten für Schüler, Eltern und Lehrer auf. Die Schulpolitik der grünen Ministerin ist umstritten – teils auch in Reihen der eigenen Koalition. Bei ihrer Wahl zur Spitzenkandidatin hatte Löhrmann im Herbst mit knapp 81 Prozent ein deutlich schlechteres Ergebnis eingefahren als mit den satten 98 Prozent 2012.
Löhrmann stellt ihr G8/G9-Modell vor: «Die Schule muss sich am Kind orientieren – nicht umgekehrt»
Den Kampf gegen das «Turbo-Abitur konnte die Schulministerin in den sieben Jahren ihres Amtszeit nicht befrieden. Gegner mobilisieren inzwischen sogar für ein Volksbegehren. Der gesetzlich verordnete gemeinsame Unterricht für Kinder mit und ohne Behinderung läuft nicht rund. Hinzu kommen Dauerklagen über Unterrichtsausfall und unbesetzte Lehrerstellen. In Rotschrift schreibt ein «Aktionsbündnis Schule» aus zahlreichen Lehrer- und Elternverbänden der Schulministerin am Dienstag ins Zeugnis: «Korrekturen sind unerlässlich!»
Kann es sein, dass die Schulpolitik der Grünen-Spitzenkandidatin kein Gewinner-Thema ist für ihre Partei? Das lässt die resolute 59-Jährige natürlich nicht gelten. «Grüne Bildungspolitik ist ein Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit und zu Veränderungen, die anstehen», gibt sie zurück. «Inklusion ist eine Generationenaufgabe.» Viele Eltern nähmen das auch wahr und seien dankbar für die neue Rechtssicherheit. Seit der Regierungsübernahme 2010 sei der Schuletat stetig um zusätzliche Milliarden gewachsen.
Bange machen gilt also nicht drei Monate vor der Wahl. Löhrmann gibt sich kämpferisch: «Alle kennen meine Steher- und Kämpferqualitäten, mit klaren Zielen und Haltung für Dinge einzutreten.»
Aber was können die Grünen umsetzen mit nur sieben Prozent Zustimmung in der jüngsten Wählerumfrage? Löhrmann schließt nichts aus außer ein Bündnis mit der AfD. Allerdings wäre sowohl Rot-Rot-Grün als auch ein schwarz-grünes Bündnis mit der CDU von Armin Laschet alles andere als eine Wunschkonstellation für Löhrmann. Dass FDP-Chef Christian Lindner eine Ampel ausschließt, versteht sie nicht. «Wovor hat er Angst?», will die Grüne wissen.
Trotz magerer Umfragewerte und reichlich Gegenwind für ihre Schulpolitik denkt die grüne Frontfrau mit Blick auf die Landtags- und Bundestagswahlen weiter groß. «Ich glaube, es kann ein Schub entstehen, wenn in Nordrhein-Westfalen Rot-Grün bestätigt wird – und das ist nicht aussichtslos.»
Ungläubiges Schweigen bei den geladenen Journalisten. Und dann legt Löhrmann nach. Vor der rot-grünen Minderheitsregierung 2010 in NRW hätten die Grünen nur in drei kleinen Ländern mitregiert. «Heute regieren wir in elf Bundesländern. Und dieser Auftrieb für die Grünen ist entstanden, weil ich die Minderheitsregierung wollte.»
Option Minderheitsregierung?
Für alle, die es nicht verstanden haben, wiederholt sie mit Emphase: «Ich wollte die, wenn ich daran erinnern darf. Und deshalb möge niemand unterschätzen, mit welcher Energie und welcher Leidenschaft wir den Wahlkampf angehen werden.»
Dass die erfahrene Polit-Strategin die Wiederauflage einer rot-grünen Minderheitsregierung nicht ausschließt, lässt aufhorchen. Löhrmann zählt wegweisende Ziele auf, die während des zweijährigen Intermezzos erreicht wurden: der Konsens der großen Parteien über eine langfristig verlässliche Schulstruktur, der Stärkungspakt für finanzschwache Kommunen, islamischer Religionsunterricht und die Abschaffung der Studiengebühren. «Schöner ist es natürlich, wenn man immer weiß, dass man im Zweifel eine Mehrheit bekommt.» Von Bettina Grönewald, dpa
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