Fällt nach der Wahl das Kooperationsverbot? – Bundesrat stellt Grundgesetzregelung auf den Prüfstand

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BERLIN. Ob und wie das Kooperationsverbot in der nächsten (Bundestags-)Legislaturperiode  erhalten bleibt, ist offen. Im Bundesrat bekräftigten heute sieben Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung ihren Entschließungsantrag zur Änderung des Grundgesetzes. Viel könnte davon abhängen, ob Bundesbildungsministerin Johanna Wanka auch einer künftigen Bundesregierung angehört.

Vor fast sechs Jahren fand Frank-Walter Steinmeier, damals noch als SPD-Fraktionschef im Bundestag, selbstkritische Worte über die 2006 von seiner Partei mitgetragene Grundgesetzregelung zur Bildungspolitik. «Wir haben geirrt. Das Kooperationsverbot war Blödsinn, es muss weg», sagte der heutige Bundespräsident.

Das Kooperationsverbot wird den Bundesrat auch in der nächsten Wahlperiode beschäftigen. Foto: LoboStudioHamburg / Pixabay (CC0 1.0)
Das Kooperationsverbot wird den Bundesrat auch in der nächsten Wahlperiode beschäftigen. Foto: LoboStudioHamburg / Pixabay (CC0 1.0)

Bis heute sorgt dieser Passus dafür, dass der Bund wenig Einfluss auf die Schulpolitik der Länder hat, insbesondere nicht durch die Finanzierung von Bildungsmaßnahmen. Ein Aufreger im Wahlkampf – und auch in der letzten Länderkammer-Sitzung vor der Wahl. Im Bundesrat prallten die Fronten noch einmal aufeinander.

Ob das Kooperationsverbot die nächste Legislaturperiode in einer neuen großen Koalition oder einem anderen Regierungsbündnis überlebt, ist offen. Die derzeitige Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), Schutzpatronin starker Länder-Kompetenzen in der Schulpolitik, wird dem künftigen Kabinett möglicherweise nicht mehr angehören.

Wanka gegen Aufweichung des Kooperationsverbots

Potenzielle Juniorpartner in einer vermutlich wieder unionsgeführten Regierung – SPD, FDP, Grüne – wettern gegen die bisherige Grundgesetzregelung, die Linkspartei sowieso. Eine gewisse Lockerung des Kooperationsverbotes mit der jüngsten Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen genügt ihnen nicht.

Die Gegner verweisen auf marode Schulgebäude und Lehrermangel, die Bildungsintegration von Flüchtlingen und behinderten Kindern, die dringend notwendige digitale Aufrüstung des Unterrichts, den Ausbau der Ganztagsschulen für mehr Bildungsgerechtigkeit. Und all das bei oft leeren Länder-Kassen und einer harten Schuldenbremse ab 2020.

Die von SPD, Grünen und Linken regierten Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen wollen nun keine Trippelschritte mehr akzeptieren. Sie fordern «die Bundesregierung auf, mit den Ländern in Gespräche über eine Änderung des Grundgesetzes einzutreten, durch die das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung aufgehoben wird». Der Entschließungsantrag wird in den Fachausschüssen weiter diskutiert.

Bundesratsinitiative: Sechs Länder wollen Kooperationsverbot in der Bildung abschaffen

Gefragt sei ein «kooperativer Bildungsföderalismus», der die Länder-Verantwortung in der Schulpolitik wahrt, dem Bund aber mehr finanzielle Einflussoptionen gibt, betonten SPD-Politiker in der Bundesratssitzung. So räumte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil – wohl auch zur Beruhigung der Unions-Kollegen – ein: «Ein Bundesschulamt wäre sicherlich ein mittlerer Alptraum.»

Martin Schulz will mit dem Thema Bildung punkten – und wirbt mit der Abschaffung des Kooperationsverbots

Für die Unionsseite warnte Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich gleichwohl davor, die Bildungskompetenzen auf den Kopf zu stellen. «Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, was gespielt wird», sagte der CDU-Politiker. Im übrigen sei das Thema «für ein Strohfeuer im Wahlkampf viel zu wichtig».

Bayerns CSU-Kultusminister Ludwig Spaenle beharrt ebenfalls auf der Grundgesetzregelung: «Die Letztverantwortung der Länder für die schulische Bildung hat sich bewährt. (…) Eine Vermischung der Verantwortung zum Beispiel von Bund und Ländern verführt dagegen leicht dazu, Verantwortung hin- und herzuschieben.»

Auch die amtierende Bundesbildungsministerin Wanka bekräftigte sogleich ihre Ablehnung des Antrags der sieben Länder: «Der Bund kann nur finanzielle Verantwortung übernehmen, wenn er auch inhaltliche Verantwortung trägt. Wer nach dem Bund als Zahlmeister originärer Länderaufgaben ruft, macht sich selber klein.»

Beide Seiten bemühen in der seit Jahren schwelenden, im Superwahljahr 2017 zugespitzten Debatte aktuelle Studien zur Schulpolitik – davon gibt es schließlich mehr als genug. Und auch die am Sonntag zur Wahl stehende CDU-Kanzlerin tauchte in der Debatte auf – mit Angela Merkels knapp zehn Jahre altem Zitat von einer «Bildungsrepublik Deutschland». Ob und wie das Kooperationsverbot den 2008 versprochenen finanziellen Kraftakt für die Schulen behindert, dürfte also in der nächsten Legislaturperiode Konfliktstoff für Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat liefern. (Werner Herpell, dpa)

Bildung und Forschung – Was wollen die Parteien?

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