Streikverbot für verbeamtete Lehrer verfassungswidrig? Richter Voßkuhle lässt keine Tendenz erkennen

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KARLSRUHE/KIEL. Zwischen Staat und Beamten besteht ein besonderes Treue- und Fürsorgeverhältnis. Der bisherige Grundsatz, dass nicht gestreikt wird, muss sich der Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht stellen. Mehrere Lehrer sind nach Karlsruhe gezogen. Anders als bei anderen Verfahren ließ der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, keine Tendenz erkennen, wie die obersten Richter urteilen werden. Bis das geschieht, dürften Monate vergehen.

Ließ erkennen, für wie gewichtig er das Verfahren hält – mehr nicht: Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

Das Bundesverfassungsgericht stellt das Streikverbot für Beamte auf den Prüfstand. Der Zweite Senat befasste sich heute mit vier Verfassungsbeschwerden von Lehrern, die an Protestveranstaltungen und Warnstreiks teilgenommen hatten und dafür bestraft worden waren. Darunter ist auch einer aus Schleswig-Holstein. Ein Urteil wird in mehreren Monaten erwartet.

Die von der GEW und dem DGB unterstützten Beschwerdeführer argumentierten mit internationalem Recht, der Europäischen Menschenrechtskonvention und Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) führte dagegen das besondere Treue- und Versorgungsverhältnis zwischen Beamten und Staat an.

«Das Streikverbot sichert die Funktionsfähigkeit der Verwaltung für die Bürgerinnen und Bürger», sagte er. Beamte seien unkündbar und dem Gemeinwohl verpflichtet, sie bekämen eine gute Versorgung. «Im Gegenzug dürfen sie nicht streiken.» Rosinenpickerei sei nicht möglich. Das Streikverbot sei unerlässlich für einen modernen Staat. «Ich kämpfe dafür, dass es dabei bleibt.» De Maizière erinnerte an die Flüchtlingskrise. In solchen Situationen müsse sich der Staat auf seine Beamten verlassen und sie auch versetzen können.

Die Verfechter eines Streikrechts wollen zwischen hoheitlich tätigen Beamten wie Polizisten und anderen Beamten, darunter Lehrern, unterscheiden, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vorgibt. «Wir wollen nicht die Abschaffung des Beamtentums, wir wollen das Streikrecht für nicht hoheitlich tätige Beamte», sagte Henriette Schwarz für den DGB.

System des Beamtentums infrage stellen

Der Rechtswissenschaftler Matthias Pechstein hielt dagegen, ein Streikrecht für Lehrer würde das gesamte System des Beamtentums infrage stellen. Wenn Beamte gegen den Gesetzgeber streiken könnten, gebe es keine Rechtfertigung mehr für ihre staatliche Alimentation. Nach Überzeugung von Jens M. Schubert von Verdi hat die Pflicht der Beamten zur vollen Hingabe aber auch Grenzen.

Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) argumentierte gegen ein Streikrecht für Lehrer. Sie verwies auf die Folgen eines Streiks etwa während der Abiturprüfungen. Das würde allen Bemühungen um ein bundeseinheitliches Abitur zuwiderlaufen.

Auch von Lehrerverbänden, etwa dem Philologenverband, kam Unterstützung für das Streikverbot. «Für die bei uns organisierten Lehrkräfte ist klar, dass sie ihren Teil für die Erfüllung der Schulpflicht als Beamte leisten. Das schließt ein gleichzeitiges Streikrecht aus», teilte die Bundesvorsitzende des Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, mit.

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, unterstrich zu Beginn der Verhandlung die große Breitenwirkung des Verfahrens. Die Auswirkungen auf das Berufsbeamtentum seien nicht zu unterschätzen. Nach Voßkuhles Angaben unterrichten gut 800.000 Lehrer in Deutschland, etwa drei Viertel davon im Beamtenverhältnis. Daneben seien rund eine Million weitere Beamte in Deutschland tätig. dpa

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