GEW nimmt sich Eisenmann zur Brust: Ständige Kritik der Ministerin demotiviert die Grundschullehrer

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STUTTGART. Die GEW kritisiert die von Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) ergriffenen Maßnahmen gegen den Lehrermangel als unzureichend. „Notlösungen wie das neue Angebot an Gymnasiallehrkräfte, an Grundschulen zu unterrichten, reichen für eine gute Bildungspolitik nicht aus“, erklärte Doro Moritz, Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg, mit Blick auf die jüngst von Eisenmann angekündigte Einstellungsgarantie für junge Gymnasiallehrer, die sich zunächst an eine Grundschule abordnen lassen. Ohnehin sei die ständige Kritik der Ministerin an den Lehrkräften kontraproduktiv. 

Auf Schulbesuch: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg
In der Kritik: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg

„Wir brauchen endlich eine langfristige Lehrerbedarfsplanung, mehr Studienplätze und eine bessere Qualifizierung für den Quereinstieg“, sagte Moritz – und kritisiert, dass Eisenmann offenbar den Ernst der Lage nicht erkannt habe. Ihr Haus gehe davon aus, dass nach einer Pensionierungswelle ab 2021 wieder genügend Lehrkräfte an Grundschulen zur Verfügung stehen würden.

Die unlängst von der Bertelsmann Stiftung vorgestellte Studie zum Lehrerbedarf an Grundschulen geht laut GEW hingegen von einem Anstieg der Schülerzahlen an öffentlichen und privaten Grundschulen in Baden-Württemberg um etwa 45.000 Kinder bis zum Jahr 2030 aus. Im Oktober haben danach etwa 2.000 Studierende ein Lehramtsstudium an einer PH begonnen, darunter gut 1.000 angehende Grundschullehrkräfte. Die Landesregierung will nur 200 neue Studienplätze schaffen, benötigt werden aber nach der Studie des Bildungswissenschaftlers Prof. Klaus Klemm weitere 200 bis 300 allein für den Südwesten. Auch für die Sonderpädagogik müsse die Anzahl der Studienplätze erhöht werden.

„Mit der Verweigerung zusätzlicher Studienplätze zementiert die Landesregierung die schlechten Bedingungen an den Grundschulen, in der Sprachförderung, in der Inklusion und an SBBZ. Die Ausbildungskapazitäten in der Grundschule reichen nicht aus, um die steigenden Schülerzahlen und die Pensionierungen bis 2030 aufzufangen, geschweige denn, die Qualität zu verbessern. Und das wäre dringend nötig: Baden-Württemberg steht in der Unterrichtsversorgung der Grundschulen auf dem 16. Platz von 16 Bundesländern“, sagte Moritz.

Die Bildungsgewerkschaft nennt den Vorschlag, Gymnasiallehrkräften nach der Zeit an der Grundschule die Perspektive auf das Gymnasium zu eröffnen, grundsätzlich richtig, „um die Fehlplanungen der letzten Jahre etwas zu reparieren.“ „Das ist besser als Unterrichtsausfall, aber als isolierte Maßnahme weiter viel zu wenig. Warum ist das reiche Baden-Württemberg nicht in der Lage, Grundschullehrkräfte wie zum Beispiel in Berlin oder Brandenburg mit A13 zu bezahlen? Das haben die Grundschullehrkräfte verdient und es wäre für alle Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe 1 attraktiver, in den Klassen 1 – 4 zu unterrichten“, sagte Moritz.

„Schnellbleiche“

Die GEW habe bereits vergangenes Jahr die Qualifizierung für die Gymnasiallehrkräfte als unzureichend kritisiert. „Wie soll durch die jetzt geplante Schnellbleiche eine Lehrkraft in der Lage sein, Kindern, die vielleicht noch nicht einmal einen Stift halten oder kaum Deutsch können, das Lesen und Schreiben beizubringen? Methodik und Didaktik sind in der Grundschule völlig anders als im Gymnasium. Diese Notlösung auf dem Rücken der kleinsten Schulkinder im Land darf es nicht geben“, sagte Moritz.

Hilfreich wären auch bessere Arbeitsbedingungen für Grundschullehrkräfte – statt ständiger Kritik, monierte die GEW-Landeschefin mit Blick darauf, dass Eisenmann nach dem desaströsen Abschneiden Baden-Württembergs beim IQB-Bundesländervergleich die Methodenkompetenz von Grundschullehrkräften in Zweifel zog (und ihnen „Schreiben wie Hören“ verbot). Dann würden, so Moritz, weniger Lehrkräfte demotiviert vorzeitig in den Ruhestand gehen. News4teachers

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xxx
6 Jahre zuvor

Vielleicht geeignetere Überschrift:

GEW nimmt sich Eisenmann zur Brust: Ständige Kritik der Ministerin demotiviert die Lehrergewerkschaft

drd
6 Jahre zuvor

Eine Gewerkschaft, die unter Grün-rot jeden Scheiß bejubelt hat („individualisiertes Lernen“, „zieldifferentes Lernen“, „Längeres gemeinsames Lernen“), was das Niveau nachwislich an die Wand gefahren hat, sollte einfach mal den Mund halten. Diese Lehrerverrätergewerkschaft vertritt keine Lehrerinteressen, sondern macht linke Parteipolitik und unterstellt Bildungspolitik ihren kruden sozialistischen Gesellschaftsvisionen.

Wilma Pause
6 Jahre zuvor
Antwortet  drd

Zitat zum ehemaligen nds. GEW-Vorsitzenden: „Die Gewerkschaft wird seit 14 Jahren in der Öffentlichkeit durch den Vorsitzenden Eberhard Brandt vertreten. Er ist eine Instanz in der niedersächsischen Bildungspolitik, aber er ist auch nicht unumstritten. Brandt wirkte oftmals weniger wie ein Gewerkschaftsvertreter als mehr wie ein sozialdemokratischer Schatten-Kultusminister. Zu viel Bildungspolitik, zu wenig Interessenvertretung. Zu viel Schulstrukturdebatte, zu wenig Gehaltsforderungen. So lauteten häufig gehörte Vorwürfe. Die Quittung bekam Brandt bei seiner letzten Wahl. Gerade etwas mehr als 53 Prozent der Delegierten wählten ihn noch einmal zum Vorsitzenden.“
https://www.rundblick-niedersachsen.de/neue-toene-frischer-wind-wie-laura-pooth-die-gew-auffrischen-wird/

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  drd

Grundschullehrkräfte benötigen also keine besseren Bedingungen, schon gar kein A13-Gehalt
… und der Lehrermangel in der Grundschule löst sich in Wohlgefallen auf, weil in den nächsten Wochen die Gymnasiallehrkräfte die Grundschulen schwemmen?

Die Notlösungen sehen doch in allen Bundesländern gleich aus …
hier findet man den „Plan“ aus Niedersachsen von August 2016
https://www.mk.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/17-punkte-aktionsplan-zur-lehrkraeftegewinnung–heiligenstadt-der-pflichtunterricht-ist-gesichert-weitere-einstellungen-werden-noch-folgen-145644.html

… aber diese Maßnahmen helfen herzlich wenig und reichen bei weitem nicht aus.
Aber offenbar will das keiner verstehen.

Wilma Pause
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Sie müssen schon richtig lesen: Dem ehemaligen nds. GEW-Chef Brandt wurde doch gerade von den eigenen Leuten vorgeworfen: „Zu viel Schulstrukturdebatte, zu wenig Gehaltsforderungen.“

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Gymnasiallehrer sind sehr wohl in der Lage Grundschüler zu unterrichten.
Diese Überheblichkeit von Seiten einiger Grundschullehrer hier ist lächerlich.
Diese Personen identifizieren sich, ebenso wie die GEW, mit den reformpädagogischen Methoden des „individualisierten Lernens“ , des „zieldifferenzierten Lernens“, sowie der Inklusion und der Einheitsschule.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Was ist schlimm daran, wenn man feststellt, dass die abgeordneten Stunden der Gymnasiallehrkräfte – womöglich zu den von den Philologen ausgehandelten Bedingungen – bei weitem nicht ausreichen werden, den Lehrermangel an Grundschulen zu beheben? (… auch, weil die Stunden z.T. gar nicht in den Grundschulen ankommen).
Die Grundschulen – und auch viele SekI-Schulen – haben TROTZ der stundenweise Abordnungen vom Gymnasium nicht ausreichend Stunden zur Verfügung.
Auch alle anderen 17 Punkte, die seit 18 Monaten in Nds. veröffentlicht und schon vorher angewandt wurden, haben den Lehrermangel vielleicht geringfügig verringert, führten aber nicht dazu, dass ausreichend Unterrichtsstunden erteilt werden können.

Also müssen Grundschulen
a) auf Quereinsteiger zurückgreifen, die ohne Ausbildung volle Deputate erteilen, von den vielen zusätzlichen Aufgaben aber nur wenige übernehmen können oder dürfen.
b) auf die pädagogischen MitarbeiterInnen setzen, die seit vielen Jahren den kurzfristigen Vertretungsjob erledigen, indem Lehrkräfte den Unterricht vorbereitet zurechtlegen.
Wie es wohl wäre, wenn Ihnen Fachärzte fehlen und Sie Ihre Aufgaben einer im besten Fall medizinisch vorgebildeten Person hinlegen würden?

Sie verlangen bestausgebildete Lehrkräfte für Ihre Kinder, die – abgesehen von Ihrer persönlich bevorzugten Methode – sprachwissenschaftlich hervorragend studiert haben, denen Lernstörungen bekannt sind, die Inklusive Verfahren kennen, die beraten können, wenn Beeinträchtigungen vorhanden sind oder drohen,
kritisieren aber den Hinweis darauf, dass der Lehrermangel mit den bisherigen Maßnahmen weder kurz- noch langfristig begrenzt wird?

Wilma Pause
6 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Ignaz Wrobel schrieb: „Diese Überheblichkeit von Seiten einiger Grundschullehrer hier ist lächerlich.“

Mit Betonung auf „einiger“ und „hier“. Ich beschrieb an anderer Stelle schon, dass ich die Kolleginnen, mit denen mein Gymnasium zusammenarbeitet, Gott sei Dank anders erlebe. Die sind nämlich gleichzeitig oft Eltern unserer Schüler und haben den direkten Vergleich unserer Arbeit mit ihrer eigenen Situation.

sofawolf
6 Jahre zuvor
Antwortet  Ignaz Wrobel

Auf der einen Seite behaupten Grundschullehrer, dass Gym-Lehrer nicht sinnvoll an Grundschulen arbeiten können; auf der anderen Seite behaupten sie, dass Gym-Lehrer auch nichts anderes machen als Grundschullehrer und leiten eben daraus ihre Forderung nach A 13 für alle ab, weil ja alle das Gleiche tun.

Das ist eine Beliebigkeitsargumentation, je nachdem, wie man es braucht.

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

@ Sofawolf,
Sie und andere Lehrer weiterführender Schulen könnten diese Grundschüler unterrichten; und Sie wären erstaunt, wie hochmotiviert sich Schulanfänger präsentieren und Ihnen würde es auch gelingen diese Motivation durch eine positive Rückmeldung aufrechtzuerhalten, weil Sie mit denen direkt arbeiten, sie anfeuern, motivieren und lenken würden. Sie alle haben es gelernt Wissen strukturiert zu vermitteln, zu fordern und anzuregen.
Warum sollte man nicht für eine begrenzte Zeit eine derartige Aufgabe übernehmen, denn man wird diese Chance auf eine derartige Lebenserfahrung nie wieder geboten bekommen.

Kotschenreuther
6 Jahre zuvor

Ökonomie nicht ignorieren
Baden-Württemberg hat offenbar ein massives Problem mit der Unterrichtsversorgung in den Grundschulen und damit natürlich auch mit der Unterrichtsqualität. Der Grund ist klar: steigende Schülerzahlen und Lehrermangel. Zur Diskussion stehen mehrere Lösungen: überschüssige Gymnasiallehrer zu Grundschulen abordnen, pensionierte Lehrer reaktivieren, qualifizierte Quereinsteiger akquirieren und Kapazitäten zur Ausbildung von Grundschullehrern erhöhen.
Natürlich gilt es Ökonomie nicht zu ignorieren. Aus ökonomischer Sicht macht es sehr viel Sinn, die überschüssigen Gymnasiallehrer zur Entschärfung des Lehrermangels an Grundschulen einzusetzen. Aufgrund ihrer pädagogischen Ausbildung fällt es Gymnasiallehrern leicht, sich schnell und in kurzer Zeit auf die Anforderungen einer Grundschule und seiner Schüler einzustellen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz Gymnasiallehrern diese Fähigkeit abspricht.
Es macht keinen Sinn, pauschal mehr Grundschullehrer und mehr Geld zu fordern, wenn zugleich Überkapazitäten an anderer Stelle zur Verfügung stehen. Und zu bedenken ist, dass jeder neu lebenslang beamtete Lehrer dem Land und den Steuerzahlern viel Geld für laufende Besoldung und teure Altersversorgung kostet. Besonnenes Rechnen und Abwägen ist also angesagt. Der KMK-Präsidentin und Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann pauschal Fehlplanung vorzuwerfen zieht daher nicht.
Um den Grundschullehrern den Umgang mit veränderten und aktuellen Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, ist eine Anpassung der Ausbildungs- und Fortbildungsinhalte in der Ausbildung von Grundschullehrern zu überdenken. Gute Aus- und Fortbildung kann wesentlich dazu beitragen, Motivation zu steigern und vorzeitigen Ruhestand aufgrund von Frustrationen zu vermeiden.

Palim
6 Jahre zuvor
Antwortet  Kotschenreuther

Und wieder sind die Grundschullehrkräfte schuld… sie müssten sich nur ein bisschen besser fortbilden, dann wären sie auch motivierter.

Ökonomisch wäre es auch, zu Bedenken, welche weiteren Auswirkungen der Lehrermangel und die verminderte Qualität des Unterrichts haben wird.

Wilma Pause
6 Jahre zuvor

Wie schrieb doch U.B. an anderer Stelle hier im Forum so schön als Antwort auf einen meiner Kommentare:

„Sie beschreiben genau mein Verständnisproblem mit einigen Kommentaren von Palim, mississippi und auch ysnp. […]
Vieles in der Schulpraxis wird kritisiert und beklagt, weil bekannt und unbestritten, die ideellen Urheber und damit Verursacher der genannten Probleme aber verteidigt und deren Werbegedanken unbeirrt für gut befunden.
Da komme mit, wer will. Ich nicht.“

Anna
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wilma Pause

Es überfordert eben manche Menschen intellektuell, dass die Welt nicht nur schwarz und weiß ist. Schön, wenn man immer einen Sündenbock präsentieren kann, der für alles Ungemach dieser Welt verantwortlich gemacht wird – „Schreiben wie Hören“, die 68-er, die Reformpädagogen, die Grundschullehrer. Hauptsache, man hat einen „Doofen“, auf dem man herumhacken kann. Dass das mit der Realität nichts zu tun hat („Schreiben wie Hören“ praktiziert gar niemand; die 68-er sind seit 15 Jahren in Rente und die Reformpädagogen fast alle tot), dass wir heute in einer Welt leben, in der die Pädagogik der 60-er Jahre nicht mehr funktionieren kann, weil die Schüler von heute ganz anders sind (nämlich heterogener, ums mal fachlich auszurdrücken), wird ausgeblendet. Zu kompliziert.

Dazu kommt der Hang vieler Menschen, die eigene Vergangenheit zu verklären. Früher war alles besser? Wenn man von einer Quote funktioneller Analphabeten von sicherlich 25 Prozent und einem Bevölkerungsanteil von geschätzt 50 Prozent ungelernter oder angelernter Kräfte ausgeht, ganz sicher nicht. Hauptsache, die Rechtschreibung stimmt.

Wilma Pause
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

…womit Sie, liebe Anna, U.B.s Aussage („Vieles in der Schulpraxis wird kritisiert und beklagt, weil bekannt und unbestritten, die ideellen Urheber und damit Verursacher der genannten Probleme aber verteidigt und deren Werbegedanken unbeirrt für gut befunden.“) erneut auf das Vortrefflichste bestätigt haben – und Ihren einleitenden Satz („Es überfordert eben manche Menschen intellektuell, dass die Welt nicht nur schwarz und weiß ist.“) gleich mit.

Ignaz Wrobel
6 Jahre zuvor
Antwortet  Anna

Sie Anna bestreiten die Anwendung dieser Methoden in der täglichen Schulpraxis, was wohl auch zur neuen Strategie des Leugnens gehört.

Stefan
6 Jahre zuvor
Antwortet  Wilma Pause

@Wilma Pause
U.B.s Worte möchte ich dick unterstreichen. Genauso wie U.B. habe ich auch schon seltsam gefunden, was einige Lehrer hier äußern. Wer als Praktiker allgemein bekannte und unstrittige Kritik an den Arbeits- bzw. den Rahmenbedingungen vorbringt, kann doch nicht zugleich „die ideellen Urheber und damit Verursacher der genannten Probleme“ in Schutz nehmen und deren Ideen nach wie vor gutheißen und verteidigen
Da komme ich auch nicht mit..