BERLIN. Die Musikalische Früherziehung, auch als MFE abgekürzt, umfasst die Förderung einer elementaren musikalischen Ausbildung im Kindesalter. In der Regel findet sie zwischen dem vierten und sechsten Lebensjahr statt. Doch auch in der Grundschule spielt die Musikalische Früherziehung, entweder als eigenes Unterrichtsfach oder im Rahmen des klassischen Musikunterrichts eine zunehmend wichtige Rolle. Wieso? Ganz einfach: Musikalische Früherziehung hat einen positiven Einfluss auf das kindliche Gehirn und soll als Intelligenzförderung dienen. Kritiker stellen hingegen die Ursache und Wirkung dieser Korrelation in Frage. Was also ist dran am Konzept der Musikalischen Früherziehung und welche Rolle sollte sie im Schulalltag für die Kinder spielen?
Definition: Die Aspekte der Musikalischen Früherziehung
Bei der Musikalischen Früherziehung geht es um eine umfassende Ausbildung des Kindes im Bereich der Musik. Dazu gehören zahlreiche verschiedene Aspekte wie:
- Singen
- Gehörbildung
- Instrumentalspiel
- Tanzen
- Instrumentenkunde
- Notenlehre
- Rhythmik
- u. v. m.
Ziel ist also nicht unbedingt, dass die Kinder ein Instrument erlernen oder ihre Stimme schulen. Stattdessen geht es um ein grundlegendes Verständnis für die Musik und die Förderung von Verknüpfungen im Gehirn, um einen späteren Instrumental-, Gesangs- oder auch Tanzunterricht zu erleichtern.
Wie hängt Musikalische Früherziehung mit der Intelligenzförderung zusammen?
Dies sind jedoch längst nicht die einzigen Vorteile der Musikalischen Früherziehung. Demnach vermuten Hirnforscher einen Zusammenhang zwischen Musik und der Sprachentwicklung eines Kindes. Weiterhin soll die MFE das Sozialverhalten der Kinder positiv beeinflussen und das Spielen von Instrumenten führt zur Neubildung von Synapsen im Gehirn, was sich auch außerhalb des Musikunterrichts positiv auf die Leistungen der Kinder in der Schule auswirkt. Tanzunterricht fördert zum Beispiel die Koordination und das Erlernen von Choreografien trainiert das Kurzzeitgedächtnis. Weitere Studienergebnisse beweisen die Förderung wichtiger Soft Skills wie
- Geduld,
- Selbstdisziplin,
- Konzentrationsfähigkeit oder
- Einfühlungsvermögen.
Diese sind im Laufe des Lebens nicht nur hinsichtlich der Schulleistungen von Bedeutung, sondern versprechen auch im späteren Berufsleben mehr Erfolg. Weitere positive Auswirkungen konnten zudem auf das abstrakte Denkvermögen, das Erlernen von Naturwissenschaften und Mathematik, das strategische Denken, die Raum-Zeit-Wahrnehmung, das Begreifen technischer Zusammenhänge, die sozialen Kompetenzen, das logische Denken, die Sprachentwicklung, die Kreativität, das Selbstbewusstsein und den Intelligenzquotienten des Kindes beobachtet werden. Musikalische Früherziehung fördert also tatsächlich die Intelligenz der Kinder aber nicht nur diese, sondern auch zahlreiche weitere Aspekte mit großer Bedeutung für ein erfolgreiches und glückliches Leben. Die Wirkung der MFE darf deshalb auch im pädagogischen Kontext nicht unterschätzt werden.
Was also ist Ursache – und was nur Wirkung?
Wie bereits erwähnt, stellen Kritiker den Kontext von Ursache und Wirkung immer wieder in Frage, wenn es um die Musikalische Früherziehung geht. Sie behaupten, dass überdurchschnittlich intelligente Kinder eher jahrelangen Klavier- oder Geigenunterricht genießen und bezweifeln demnach, dass die musikalische Ausbildung den Intelligenzquotienten nachhaltig beeinflusst. Ist die Musikalische Früherziehung also tatsächlich die Ursache und eine höhere Intelligenz die Wirkung?
Ja, behaupten Dr. Gordon Shaw (University of California) und Dr. Francis Rauscher (University of Wisconsin). Sie konnten im Rahmen ihrer Studien einen Zusammenhang feststellen zwischen dem Klavierspielen im Kindesalter und der Entwicklung des Gehirns im Sinne einer Förderung der Intelligenz. Die Resultate decken sich dadurch mit den bereits angeführten Studienergebnissen, welche die zahlreichen positiven Effekte der MFE beweisen.
Klavier ist nicht das einzige „sinnvolle“ Instrument
Für viele Eltern ist das Klavier das Instrument der Wahl für den ersten Musikunterricht ihres Kindes. Es erlaubt schnelle Erfolgserlebnisse und Pianisten weisen in sämtlichen Forschungsergebnissen überdurchschnittliche motorische Fähigkeiten auf. Zudem offeriert das Klavier dem Kind vielfältige musikalische Entfaltungsmöglichkeiten und kann bereits in frühem Alter erlernt werden – während sich Gleichaltrige vielleicht mit einer Trompete oder dem Saxophon noch überfordert fühlen. Weiterhin stellt das Piano eine Kombination aus Melodie, Rhythmus und Harmonie dar und fördert dadurch alle relevanten Grundlagen der Musik.
Anders ist das zum Beispiel beim Cajon. Bei diesem Instrument liegt der Fokus auf dem Rhythmus, während Melodien und Harmonien nur in geringem Ausmaß bis überhaupt nicht wiedergegeben werden können. Dennoch bietet gerade das Cajon viele Vorteile für einen Einstieg in die musikalische Welt und ist durchaus für die MFE geeignet. Ohne Vorkenntnisse lassen sich damit auf einfache Weise rhythmische Erfahrungen machen. Durch die kompakte Bauweise als Klangkörper, der gleichzeitig als Sitzmöbel genutzt werden kann, sind die Töne auch körperlich erlebbar. Die große Stabilität machen es belastbar und machen es auch deshalb zu einem idealen Instrument um sich ohne Berührungsängste entfalten zu können. Kinder, die sich mit anderen Musikinstrumenten schwer tun können damit auf spielerische Weise erste musikalische Schritte unternehmen.
Ähnlich wie Orff-Instrumente lässt das Cajon viel Kreativität zu und hilft dabei, die Motorik oder auch das Gehör zu schulen. Auch hier ist im Rahmen der MFE ein Spielen in der Gruppe möglich. Für Kinder, die sich für ein Schlagzeug begeistern, ist dies der optimale Einstieg um erste Bewegungsmuster zu üben. Dabei ist die „Rhythmuskiste“ durchaus ein ernstzunehmendes Instrument, das bisweilen bei Akustikkonzerten anstelle eines Schlagzeugs eingesetzt wird.
In der gemeinschaftlichen MFE ist „Orchester“ das Zauberwort
Eine Verbesserung der sozialen Kompetenzen und Teamfähigkeit des Kindes kann durch die Musikalische Früherziehung vor allem beobachtet werden, wenn diese in einer Gemeinschaft stattfindet. In der Regel werden entsprechende Kurse bei Musikschulen oder Volkshochschulen angeboten, doch auch im Schulunterricht nimmt die Musik einen immer wichtigeren Platz ein. Auch hier sollte nicht das individuelle Musizieren im Vordergrund stehen, sondern das Arrangement als Orchester. Das gemeinschaftliche Musizieren im Orchester fördert die Empathie bereits im Kindesalter.
Gleichzeitig macht Musikalische Früherziehung in der Gruppe deutlich mehr Spaß und stärkt das Gemeinschaftsgefühl im Gegensatz zum Individualunterricht. Kinder lernen als Teil des Ganzen einen entscheidenden Teil beitragen zu können und sich dabei nach bestimmten Regeln einzufügen.
Welche Rolle sollte die Musikalische Früherziehung in der Grundschule spielen?
Ein Instrument zu erlernen, kann daher sowohl aus Sicht der Eltern als auch der Kinder sinnvoll sein. Dennoch sollte jedes Kind unabhängig von seinem musikalischen Talent und Interesse eine Musikalische Früherziehung genießen. Dies ließe sich in keinem Rahmen besser umsetzen als im Kindergarten sowie in der Grundschule, denn gerade Eltern ohne musikalisches Interesse buchen nur selten entsprechende Kurse für ihre Kinder. Prinzipiell gilt hier: Je früher, desto besser! Bereits ab einem Alter von drei Monaten kann eine musikalische Früherziehung positive Effekte erzielen. Dennoch ist es in der Grundschule längst noch nicht zu spät für die Musikalische Früherziehung.
Wie lässt sich die MFE aus pädagogischer Sicht umsetzen?
Gerade das rhythmische Zusammenspiel mit Cajons, Klanghölzern & Co als Orchester sollte daher im Musikunterricht an der Grundschule im Fokus stehen. Egal, ob ein Kind musikalisch interessiert und talentiert ist oder nicht, ob es ein Instrument spielt und theoretische Vorkenntnisse besitzt oder wie gut dessen Gehör (bereits) ist: Am rhythmischen Musizieren im Orchester finden in der Regel alle Kinder Spaß. Zudem bringt es Abwechslung in die Theorie wie Notenlehre und Gehörbildung. So lässt sich also eine optimale Kombination aus sämtlichen Aspekten der Musikalischen Früherziehung gestalten, welche die Kinder begeistert und quasi als positiven Nebeneffekt deren Intelligenz, Sozialverhalten sowie zahlreiche weitere Kompetenzen nachhaltig fördert.
Schlussendlich ist es also irrelevant, ob der umstrittene „Mozart-Effekt“ nun Realität oder Irrtum ist. Eines scheint stattdessen sicher: Jedes Kind sollte eine Musikalische Früherziehung genießen und wo das Elternhaus nicht aktiv wird, müssen die Pädagogen in der Grundschule diese Lücke füllen. Der Musikunterricht ist dafür die optimale Gelegenheit, weshalb der Lehrplan entsprechend an die Aspekte der MFE angepasst werden sollte.
Jede emotional gesteuerte Förderung der Wahrnehmung, begünstigt die Aufnahmefähigkeit des menschlichen Gehirns. Auch das Singen, die Förderung der Melodik, der Wahrnehmung von Rhythmus, der Intonation der einzelnen Instrumente, fördern die Wahrnehmung der eigenen Sinnesorgane und macht damit uns als Wesen aus, die Kultur schaffen können. Aber wo wird schon strukturiert in diese Fähigkeiten investiert, wie der musikalischen Frühförderung. Wie sollen Kinder ein Gefühl für diese Kulturtechniken entwickeln, wenn mögliche Fördergelder wo anders hin verschwinden ?
Eine kleine Sensation ist ja, dass das Wort “Intelligenz” überhaupt mal wieder auftaucht. In den dickleibigen PISA-Berichten kommt es nämlich nicht vor. Es ist in der Pädagogik zu einem Unwort geworden. In der sog. “empirischen Bildungswissenschaft” wird es oft durch “kognitive Fähigkeiten” schamhaft umschrieben. Und irgendwie erblich darf Intelligenz nicht sein, denn die SPD hat’s geagt (damals Frau Nahles als Generalsekretärin). Elsbeth Stern (Intelligenzforscherin an der ETH Zürich formuliert dagegen: “Intelligenz ist zur Hälfte genetisch bedingt.” Dass musikalische Fähigkeiten teilweise erblich sind, wissen wir nicht nur durch die Familien Bach und Mozart.
Gerade weil sich Paare häufig während der Berufsausbildung bzw. dem Studium kennen- und lieben lernen, entstammen sie Elternhäusern mit vergleichbaren Bildungsabschlüssen und damit auch vergleichbaren kognitiven Fähigkeiten. Diese werden dann mit hoher Wahrscheinlichkeit übe die Gene an die Kinder weitergegeben. Auch wenn es den Gleichheitsfans gegen den Strich geht, ist die starke Korrelation zwischen sozialer Gruppe und erreichtem Bildungsabschluss deswegen kein oder nicht nur böser Wille der Bildungselite.
Dazu noch ein Zitat aus der Intelligenzforschung:
“Rindermann fasst zusammen: “In nahezu allen Studien aller Länder seit Anfang des 20. Jahrhunderts findet sich das Ergebnis, daß Eltern mit einem höheren eigenen Bildungs- und kognitiven Kompetenzniveau – unabhängig davon, ob man diese beiden an formalen Bildungstiteln, Testergebnissen oder familiären Bücherzahlen festmacht – Kinder haben, die selbst wiederum überdurchschnittlich intelligent sind.””
Rindermann ist auch einer jener Kritiker, die meinen, der PISA-Test sei einem Intelligenztest doch recht ähnlich, obwohl nicht als ein solcher konzipiert.
Ursache oder Wirkung?
Dass Kinder aus Elternhäusern mit höheren Bildungsabschlüssen in der Regel mehr Zugang zu Bildung erhalten – seien es Bücher oder musikalische Früherziehung, erscheint Ihnen aber hoffentlich auch plausibel.
Selbst wenn Forscherinnen, wie Elsbeth Stern, zur Antwort kommen, die Hälfte der Intelligenz sei genetisch determiniert, so ist doch die andere Hälfte durchaus zu fördern.
Wer in einem Haushalt aufwächst, in dem es keinerlei Instrumente und keinerlei Zugang zum Musizieren gibt, wird es schwer haben, schon im Alter von 4 als musikalisches Wunderkind entdeckt zu werden und mehrere Instrumente ansatzweise zu beherrschen oder gar zu komponieren, auch wenn die Handmotorik kaum ausreicht, die Noten aufs Papier zu setzen.
Was für die Musik so deutlich erscheint und vermutlich auch erheblich einfacher abzugrenzen ist, gilt aber für alles andere auch! Welche Kinder wachsen in “sportlichen”, “lesenden”, “handwerklich geschickten” etc. Familien auf und profitieren von einer anregenden Umgebung, während andere Kinder genau diese nicht erleben dürfen?
Das Ergebnis ist, dass Kinder aus sprach- und anreizarmen Elternhäusern kaum Neugier entwickeln, da diese nicht befriedigt wird, dass sie “Lernen” nicht lernen, da niemand die Fortschritte des Kindes wahrnimmt und spiegelt, dass Grundsätzliches nicht erlernt wird.
Man sieht die Unterschiede deutlich bei Sprachüberprüfungen (mit 4 Jahren), Einschulungsuntersuchungen (mit 5 Jahren), Einschulung (mit 6 Jahren), wenn, wie im Artikel beschrieben, schon mit 3 Monaten die Förderung beginnt, weil sich Erwachsene (und Geschwister) mit den Kindern beschäftigen und sie täglich herausfordern, oder die Kinder viel zu sehr sich selbst überlassen sind.
Nachtrag:
“Selbst wenn Forscherinnen, wie Elsbeth Stern, zur Antwort kommen, die Hälfte der Intelligenz sei genetisch determiniert, so ist doch die andere Hälfte durchaus zu fördern.”
Im übrigen bin ich der Meinung, dass auch die erste Hälfte dieser Aufteilung durchaus zu fördern ist und lehne es ab, Kinder frühzeitig als “dumm” oder “nicht lernfähig” darzustellen mit dem Eindruck, man müsse sich um diese Kinder nicht kümmern.
Mit Ihrer “Meinung” dürften Sie offene Scheunentore einrennen.
Hört sich aber immer wieder gut an, wenn jemand so fürsorglich spricht, und macht auch gleich sympathisch.
Können Sie einen einzigen Kommentar hier nennen, in dem der Schreiber der Meinung gewesen wäre, “Kinder frühzeitig als “dumm” oder “nicht lernfähig” darzustellen mit dem Eindruck, man müsse sich um diese Kinder nicht kümmern.”?
Ich kenne nur Diskussionen über die vermeintlich beste Art und Weise einer solchen Förderung,
ja, man kann die erste Hälfte bedingt beeinflussen. Allerdings nicht gegen den Willen in der zweiten Hälfte und erst recht nicht in Lerngruppen mit mehr als fünf Personen, insbesondere nicht oder kaum im Klassenverband einer Regelschule.
“erst recht nicht in Lerngruppen mit mehr als fünf Personen, insbesondere nicht oder kaum im Klassenverband einer Regelschule”
Wie kommen Sie darauf?
Wie ich darauf komme? Ganz einfach: Wirkliche Intelligenzförderung gelingt nur individuell oder in sehr homogenen Gruppen, wirkliche individuelle Förderung gelingt nur in sehr kleinen Gruppen. Sogar nur fünf Personen sind da schon grenzwertig viel. Beides, geringe Größe und hohe Homogenität, ist in deutschen Regelschulklassen nicht vorhanden. Von Elternseite aus, Zeit und Willen vorausgesetzt, könnte viel mehr getan werden. Allerdings kollidiert das mit von der Wirtschaft zwecks Lohnzurückhaltung gewünschten Berufstätigkeit beider Eltern.
“Wirkliche Intelligenzförderung gelingt nur individuell oder in sehr homogenen Gruppen, wirkliche individuelle Förderung gelingt nur in sehr kleinen Gruppen. Sogar nur fünf Personen sind da schon grenzwertig viel.”
Das widerspräche ja der Annahme, dass musikalische Frühförderung oder das Zusammenspiel im Orchester intelligensfördernd sei.
Oder was verstehen Sie unter “wirklicher Intelligenzförderung”?
Ein Orchester ist als sehr homogene Gruppe mit einer Schulklasse nicht vergleichbar.
Auf Schule bezogen klingen die Äußerungen über Intelligenzförderung als ob man durch entsprechende Frühförderung (nicht durchgehende Nachhilfe ab spätestens Klasse 3) aus einem nach genetischen Vorgaben sehr schwachen Hauptschüler einen sehr guten Gymnasiasten machen könnte. Das halte ich für sehr gewagt. Realistischer finde ich aber, dass aus einem Hauptschulabschluss ein Realschulabschluss durch entsprechende Frühförderung hätte werden können.
Ein Orchester meint in der Frühförderung Kinder, die gemeinsam mit verschiedenen Instrumenten musizieren – siehe Orff. Warum diese Gruppe “homogen” sein soll, will mir nicht einleuchten. Das können auch Kinder im Alter von 5-10 Jahren sein… und damit ähnlich heterogen wie eine Schulklasse.
Bei der “Intelligenzförderung” habe ich zunächst keine Schulabschlüsse im Kopf und es geht auch nicht um “Nachhilfe”, sondern um Kinder im Alter von 3 oder 4 oder 5 Jahren, die schon VOR der Schule Förderung bekommen, damit sie bei Schuleintritt in der Lage sind, im Unterricht mitzuarbeiten.
Wie viele SuS als “schwache Hauptschüler” tatsächlich gute Gymnasiasten sein könnten – oder umgekehrt – wissen wir nicht … aber es gab auch dazu bereits Studien. Erschreckend bleibt, dass recht viele SuS durch die mangelnde Förderung schon in sehr frühen Lebensjahren den Zugang zu Bildung verlieren.
das ist die zweite, nicht genetisch bedingte Hälfte der Intelligenz.
… wenn man der Angabe von E.Stern folgt.
richtig. Über den genauen Prozentsatz kann man diskutieren, über einen signifikanten Anteil der elterlichen Gene hingegen nicht. Dazu kommt das tendenziell eher lernfördernde Umfeld bei höher gebildeten Eltern.
Danke Palim, Sie bringen es korrekt rüber und die Früherziehung ist ein Baustein in der Freisetzung von kindlicher Kreativität.
Danke für Ihren sehr klaren und logischen Kommentar, deckt er sich auch mit unseren Beobachtungen.
Mozart Senior war ein bedeutender Violinlehrer, und Bach hatte ach sehr großen Einfluss auf die musikalische Entwicklung seiner Kinder. Wer in einer derartigen Umgebung aufwächst, der hat eben deutlich mehr musikalische Frühförderung erfahren dürfen. Wo spielt da die Genetik hinein ?
bezog sich auf Palim
Ich habe ein bisschen gesucht, einen Artikel zu finden, der die unterschiedlichen Aspekte aufgreift, und diesen aus dem Jahr 2015 gewählt:
http://www.zeit.de/2015/23/intelligenz-vererbung-iq
Dort werden Aussagen getroffen, auch zur genetischen Disposition und dazu, dass diese einen Rahmen vorgibt und dass sozioökonomische Bedingungen die Ergebnisse eines Tests stark beeinflussen können.
„Forscher haben zudem entdeckt, dass die Bedeutung der Gene sich im Laufe des Lebens drastisch verändert: Testet man Kleinkinder, lässt sich nur ein Fünftel der IQ-Differenzen auf genetische Disposition zurückführen. Bei 13-Jährigen ist es bereits die Hälfte, bei Erwachsenen steigt die Erblichkeit schließlich auf 70 Prozent und mehr. Vielleicht liegt es daran, dass unser Gehirn bis zum 30. Lebensjahr reift und die genetische Veranlagung sich dabei immer stärker ausprägt.“ (Punkt 7)
Ist es so, dass die genetischen Determinanten sich ohnehin Bahn brechen? Oder ergeben sich die späteren Unterschiede auch oder vor allem aus den Bedingungen, unter denen Kinder aufwachsen und gefördert werden?
Inwieweit kann man bei früher Förderung von Kleinkindern die Unterschiede beeinflussen und sei es zumindest in dem Rahmen, der durch Gene vorgeben ist?
Wie viel mehr würde man also erreichen, wenn es bereits sehr früh entsprechende Förderung geben würde?
Unter Punkt 3 steht „Nicht Ausbildung, körperliche Fitness oder Lebensstil waren entscheidend für die geistige Leistung im hohen Alter – sondern die Intelligenz mit elf Jahren. Selbst 80 Jahre nach ihrem Test in der Schule hatten die klugen Kinder auch im Alter kaum an IQ eingebüßt, die weniger Begabten hingegen abgebaut. Hohe Intelligenz in der Jugend schützt vor geistigem Verfall im Alter, lautet das Fazit der Forscher.“
Und wieder die Frage: Ist der “geistige Verfall” den Genen geschuldet oder auch der mangelnden Beschäftigung mit (testrelevanten) Aufgaben oder Themen, weil Bildung keinen Stellenwert erhält?
Wie viel mehr müsste die frühkindliche Bildung – vorschulisch und in der Grundschule – in den Focus gerückt werden und ein entsprechendes Gewicht bekommen, wenn die Intelligenz und Bildung bis zum Altern von 11 Jahren so bestimmend ist?
Zu Ihrer Abschlussfrage: Es wäre mir eine grausliche Vorstellung, der Staat mit seinen oft geltungsversessenen oder ideologischen “Experten” und Beratern bemächtigte sich gänzlich der Betreuung und Bildung der Kinder von frühester Kindheit an. Was könnte da nicht alles unter “Intelligenzförderung” laufen, was sich hinterher mehr als “Verbildung” von Geist und Seele herausstellt denn als “Bildung”!?
Sind die vergangenen Jahre und Jahrzehnte denn in der Entwicklung und Schulbildung der Kinder so toll und erfolgreich gewesen, dass es Grund gäbe, die Kinder immer mehr in die Hände von Vater (und heute auch Mutter) Staat zu geben?
Wie haben Eltern bloß seit Jahrtausenden intelligente Kinder großziehen können, ohne sich auch nur einmal Gedanken über bewusste Intelligenzförderung zu machen.
Kinder als Versuchskaninchen für spleenige Theorien zu gebrauchen, scheint mir das Markenzeichen moderner und angeblich fortschrittlicher Bildungspolitik, das gepaart ist mit naiver Gläubigkeit in die Weisheit, Kraft und das Können des Staates mit seinen Staatsdienern.
Doppelverdiener, der wirtschaftliche Wunsch nach Abiturienten bzw. Akademikern sowie Ganztagsschulen leisten zumindest ihren Beitrag.
@E. S.
Sie sprechen mir aus der Seele.
Mir ist das auch eine grausliche Vorstellung. Leider (oder ironischerweise) scheint das aber die einzige Möglichkeit zu sein, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft einigermaßen zu entkoppeln (das gilt ja heute als große Tugend und wird überall propagiert). Frau Stern sagt nämlich auch, dass Intelligenz nicht beliebig gesteigert werden kann, wohl aber unterdrückt werden bzw. verkümmern kann. Das letztere geschieht, wenn Kinder in den ersten Lebensjahren intellektuell vernachlässigt werden, etwa, indem man mit ihnen gar nicht spricht, sondern sie nur vor den Fernseher setzt o.ä. Ohne Anregungen seitens der Eltern (oder der sonstigen direkten Umgebung) kann sich das eben nicht entwickeln, und irgendwann ist der Zug abgefahren. Heißt es nicht immer wieder, wir haben mittlerweile mehr und mehr Kinder, die mit 6 nicht schulreif sind, einen geringen Wortschatz haben und mit den ganz normalen Anforderungen der Schule nicht zurecht kommen?
Wenn man also E.S. folgen will, dann muss man leider auch akzeptieren, dass die Kinder eben häufig so ähnlich werden wie ihre Eltern, also Kinder aus bildungsnahen Familien an den Universitäten, Arbeiterkinder wieder als Arbeiter, Hartz-IV-Kinder wieder mit Hartz IV, Kinder aus sehr konservativ-religiösem Milieu wieder im sehr konservativ-religiösen Milieu usw. Das ist der Preis, der dann gezahlt werden muss, wenn die Eltern die absolute und totale Herrschaft über ihre Kinder haben.
Wie könnte man dieser Zwickmühle entgehen? Die naheliegende Schlussfolgerung, nur diejenigen Kinder unter die Fittiche des Staates zu nehmen, die das im Einzelfall nötig haben (nach fairer Beurteilung durch kompetente Leute), kann in Deutschland offenbar nicht realisiert werden. Zu groß ist das Bestreben nach Einheitlichkeit (wenn Kita, dann für alle, wenn Ganztagsschule, dann für alle, nur keine Privilegien oder “Diskriminierungen” irgendwelcher Art). Was bleibt da übrig außer Kulturpessimismus?
Bei der Sprachförderung ist es doch inzwischen nahezu bundesweit so, dass Kinder im Alter von 4 Jahren zu einem Screening eingeladen werden und entsprechend der Ergbnisse bereits vor der Einschulung Sprachförderung erhalten. (Delfin4 in NRW, Fit in Detusch in Nds., andere Programme in anderen Ländern)
Nach ca. 12 Jahren hat das nds. Kultusministerium nun entschieden, dass diese Sprachförderung nicht länger von Lehrkräften erteilt werden soll (damit die Unterrichtsversorgung verbessert wird), sondern von Erzieherinnen (die es aber auch nicht in ausreichender Zahl gibt und die davon reichlich überrascht werden) … man kann also nicht sagen, es sei ersatzlos gestrichen, aber es könnte in der Praxis dazu kommen, dass genau das eintritt: die Förderung entfällt.
Förderstunden in der Schule wurden schon vor Jahren zusammengestrichen oder fallen ebenfalls der mangelnden Versorgung mit Lehrkräften zum Opfer, Alternativen dazu scheint es keine zu geben (man hätte schon vor Jahren für die Förderung und auch für viele andere Aufgaben andere Professionen mit in die Schulen bringen können).
Ähnliche Untersuchungen gibt es auch für 4jährige, hier werden sie in einigen Kindergärten durch Ärztinnen (des Gesundheitsamtes?) durchgeführt. Dies wird aber nicht flächendeckend umgesetzt. Warum?
Wäre es möglich, ähnlich einer verpflichtenden Schuleingangsuntersuchung vor der Einschulung auch eine Untersuchung für 3- oder 4-jährige anzusetzen, die nicht allein zu “Empfehlungen” führt, sondern Therapien oder Förderung verordnet? Geschieht dies 2 Jahre vor der Einschulung, hat man in der Zwischenzeit Möglichkeiten, etwas zu erreichen.
Auch gibt es integrativ arbeitende Kindergärten sowie den Ansatz der Frühförderung, die sich aus mehreren Therapien zusammensetzt (Logopädie, Ergotherapie, Physiotherapie). Für jedes dieser Kinder koordiniert eine Frühförderkraft die Zusammenarbeit und es gibt regelmäßige Teambesprechungen oder Hilfeplangespräche. In den Integrativen Kindergärten gibt es zudem Heilerziehungspflegerinnen, kleinere Gruppen, ein größeres Team.
Wenn in jedem Kiga ein solches multiprofessionelles Team arbeiten würde, wären viele Fachkundige dort, die den Entwicklungsstand der Kinder beurteilen und beeinflussen würden. Dabei sprechen wir nicht von “Indoktrination” oder “Beeinflussung”, sondern um Sprache, Wahrnehmung, Merkfähigkeit, Bewegung u.a. Bereiche, die z.T. auch in Intelligenzstests abgefragt werden.
Ebenso wünschenswert wäre eine Möglichkeit, bei Kindern, die in der Schule Probleme zeigen, eine Untersuchung der Ursachen zu ermöglichen, sodass zeitnah neben einem Hör- und Sehtest … mit womöglich anschließend schnellem Termin beim Facharzt… auch andere Entwicklungsbereiche betrachtet werden können und entsprechende Förderung eingesetzt wird.
Zudem wäre es auch in Schulen so, dass ein Team aus Lehrkräften, Sonderpädagogen, Logopäden, Ergotherapeuten und ggf. weiteren Spezialisten, die quasi abrufbar sind, gemeinsam viele Kinder besser in den Blick genommen werden könnten.
Das Land könnte zudem mit einer “Fachstelle für Förderung” wichtige Hintergründe sowie Ansätze zur Förderung über eine Datenbank oder eine Beratungs-Plattform zur Verfügung stellen, sodass man zusätzlich Hinweise für spezielle Fälle erhalten könnte, denn schließlich kann sich nicht jede Lehrkraft mit den Notwendigkeiten bei der Beschulung von z.B. chronisch Kranken auskennen. Diese sollte für alle im Team zur Verfügung stehen, ohne vorherige bürokratische Hürden.
Das alles würde allen Kindern zu Gute kommen, denn alle würden mit in den Blick genommen und die zusätzliche Unterstützung wäre nicht an Bürokratie oder Anträge gebunden, sondern zu großen Teilen bereits systemimmanent.
Ähnlich wie bei der Sprachförderung vor der Einschulung würden über die Jahre Schulen auffallen, die einen besonders hohen Bedarf haben, sodass man hier mehr Unterstützung gewährleisten könnte.
Bedenken, Kinder würden dazu zu “Versuchskaninchen für spleenige Theorien”, kann ich nicht nachvollziehen, Erziehungs- und Bildungsauftrag haben schon jetzt Kindergärten und Schulen.
Statt Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern und ihnen Bildung und bessere Ausgangsmöglichkeiten zu bieten, schauen wir bewusst dabei zu, dass nur einige entsprechend ihrer (genetisch vorgegebenen) Intelligenz lernen dürfen, dass aber bei vielen Kindern angesichts mangelnder Anreize die Intelligenz verkümmert und die allgemeine Entwicklung verzögert verläuft. Gleichzeitig beklagen wir schlechte Ergebnisse in Vergleichsstudien bei 15jährigen sowie die große Menge derer, die sich nicht entsprechend der allgemeinen Vorstellung entwickelt haben, die sich selbst nur wenig einbringen können, die keinen Beruf erlernen können, die keinen Beruf ausüben können und deshalb von der Gesellschaft getragen werden müssen.
Zu diesen Vorschlägen sagen die Kommunen lediglich unbezahlbar, weil die Kindergartenbeiträge niedrig bleiben oder entfallen sollen. Und selbst dann, wenn eine Kommune Geld für solches Personal bereitstellen würde, alles unter Förderschullehrer halte ich für ungeeignet, glaube ich nicht, dass sie A/E 13 dafür veranschlagen wird.
Ist eigentlich das, was man Intelligenz nennt und in Tests zu messen versucht, hauptverantwortlich dafür, dass es junge Menschen gibt, “die sich selbst nur wenig einbringen können, die keinen Beruf erlernen können, die keinen Beruf ausüben können und deshalb von der Gesellschaft getragen werden müssen”?
Das ist doch Quatsch. Da spielen m.E. ganz andere menschliche Faktoren eine entscheidende Rolle.
Und was heißt immer “können”? Wo bleibt das “Wollen” oder besser noch das Wollen-Können? Auf diesem weiten Feld liegt meiner Meinung nach der Hase im Pfeffer.
Eine Diskussion um frühkindliche Intelligenzförderung kommt mir überflüssig, abgehoben und von den wahren Problemen (Defiziten) bei immer mehr Kindern ablenkend vor.
@f.h.
Beim wollen und – wie ich es gerne nenne – wollen wollen kommt die Rolle der Eltern stärker zum Zuge, weil das mit dem Ansehen der Schule bzw. von Lernen in Deutschland zusammenfällt. Damit ist es in Deutschland oder weiten Teilen der westeuropäisch geprägten Welt bekanntlich nicht weit her.
@F. H.
Ich teile Ihre Ansicht. Was mich an Palims Kommentar auch noch stört, ist das dahinter stehende Bild, Kinder würden in ihren ersten Lebensjahren verblöden, wenn sie daheim blieben und nicht in staatliche Hände kämen.
Bei der massiven Werbung für die Krippenbetreuung stand diese Behauptung ganz oben auf der Diffamierungsliste für Mütter, die ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selbst betreuen wollten. Da war bei der Diskussion um ein lächerliches Betreuungsgeld von max. 150 Euro für diese Mütter von “Herdprämie” und “Bildungsfernhalteprämie” die Rede.
Es ist unglaublich, was man sich von politischer und auch GEW Seite alles geleistet hat, um das Natürlichste von der Welt, nämlich das heimische Nest für die ganz Kleinen, schlechtzureden und die Mütter als arbeitsscheue dämliche Glucken hinzustellen.
Zu teuer? Klar. Es ist “billiger” die Kinder sich selbst zu überlassen. Dafür muss man dann später bei Kursen zur Ausbildungsreife oder bei Unterstützungen in die Tasche greifen.
Sie WOLLEN nicht? Sicher. Wann hören Kinder den auf “zu wollen”? Sie sehen Jugendliche in der SekI vor sich, die abschalten und keine Motivation entwickeln, ich sehe Kinder im Alter ab 4 Jahren. Letzteren den Vorwurf zu machen, sie würden nicht WOLLEN, ist abwegig!
Kinder “verblöden” (Ihr Ausdruck), sie verkümmern geradezu in manchen Familien. Sicher, es gibt auch Familien, die die beste Förderung überhaupt erbringen. Aber ebenso gibt es viele, die mit 4 Jahren eben nicht altersentsprechend sprechen, sich bewegen, etwas wahrnehmen, Interesse zeigen, Wissen aufbauen… und auf andere zugehen. Diese Kinder, die in früher Kindheit verkümmern, müssen aber dennoch mit 6 Jahren zur Schule.
Das hat nichts mit “Diffamierung von Müttern” zu tun, sondern mit der Realität, die sich aus Ergebnissen von Sprachüberprüfungen und Einschulungsuntersuchungen ablesen lässt, die übrigens bei allen Kindern durchgeführt werden, gleich ob sie in einem Kindergarten waren oder nicht. Auch der Besuch der Sprachförderung, der inzwischen als Schulpflicht gilt, ist unabhängig von einem Besuch im Kindergarten.
Schulen bekommen dann den Auftrag, auch diese Kinder zu bilden, aber nicht die Mittel.
Wenn Bildung nicht so wichtig ist, weil wir uns alle Sorgen um unser Geld machen müssen und darüber, dass Kinder im frühen Alter keine Förderung benötigen, weil sie “klein” sind oder “dumm” oder “unwillig” oder “genetisch bedingt unfähig”, könnte man ja die Kinder, die bei der Einschulungsuntersuchung auffallen, weil sie die Voraussetzungen nicht erfüllen, gleich zu Hause lassen. Sparen wir uns doch die Kosten und Mühen mit denen, die nicht WOLLEN und schließen sie gleich mit 4 Jahren aus. “Bildungsfernhalteprämie” trifft es dann.
@Palim
Mir sage keiner, der Staat hätte nicht schon seit Jahren viel mehr kleine Kinder unter seinen kostspieligen Betreuungsfittichen (Ganztagsschulen, Ausbau von Krippen- und Kitaplätzen, auch ganztägig) als je zuvor. Dennoch werden rasant zunehmende Entwicklungsdefizite bei Kindern beklagt wie etwa im Sprachbereich.
Da fällt doch etwas auf.
@geli “Da fällt doch etwas auf.”
Was fällt Ihnen denn auf und welche Schlüsse ziehen Sie?
“Was fällt auf?”
Es fällt auf, dass die staatlichen Maßnahmen nicht annähernd das bewirken, was sie eigentlich sollten. Und die Schuld dürfte kaum bei den Betreuern in Kitas, Schulen etc. liegen, bei der übergeordneten Bürokratie vielleicht ein bisschen. Zu vermuten ist, dass die Schuld primär bei den Eltern bzw. deren sozialem Umfeld liegt. Da soll es beispielsweise wachsende Parallelgesellschaften geben, die einen wirklichen Kontakt mit der Mehrheitsgesellschaft scheuen. Und die Unterhaltungsindustrie mit ihren Produkten darf man auch nicht vergessen (Beides kann zusammenkommen, wenn arabische Fernsehsender über Satellitenschüsseln konsumiert werden). Wieso sonst gibt es die von geli angemerkten “Entwicklungsdefizite etwa im Sprachbereich” ?
Palim: Welche Schlüsse ziehen Sie denn?
Das ist jetzt aber nicht nur der arabische Sprachraum. Es gibt auch bei muttersprachlich deutschen Familien genügend schlechtes Umfeld, bei dem die Kinder beispielsweise lieber vor dem Fernseher geparkt werden als sich aktiv mit ihnen zu beschäftigen oder nach draußen auf den Spielplatz zu gehen usw.. Das andere Extrem der Überbehütung und Abschottung vor allen potenziell gefährlichen Einflüssen halte ich für genauso schlimm.
Alles richtig. Es könnte auch “deutsche Parallel-gesellschaften” geben, spricht was gegen diesen Begriff? Tatsache ist, dass der PISA-Experte Baumert schon vor Jahren gewarnt hat, die Testergebnisse (immer wird zumindest deutsche Sprache getestet) würden schlechter werden:
https://blog.zeit.de/schulblog/2011/04/19/pisa-forscher-jurgen-baumert-schlagt-alarm-bildungsabstieg-durch-sinkende-schulerzahlen-und-mehr-einwandererkinder/?sort=asc&comments_page=4#comments
Tatsächlich ist das auch eingetreten (z.B. bei IGLU 2016), die Maßnahmen dagegen (z.B. Ganztagsschule) scheinen nicht richtig gewirkt zu haben. Wenn aber Rezepte nicht wirken, dann schlägt die Stunde der Vorzeigeprojekte und des Schönredens, der Bewilligung hoher Summen für weitere Untersuchungen usw. Eigentlich müsste man stattdessen “radikal” (radix = Wurzel) an die Wurzel des Übels gehen. Was aber in den Familien geschieht, ist bei uns eine Art “heilige Kuh”. Um die wird jetzt gepflegt herumgeredet. Vgl. auch meinen Beitrag oben am 21.4. um 20:10.
“Was aber in den Familien geschieht, ist bei uns eine Art “heilige Kuh”.”
Richtig. Wobei man beachten muss, was in den Familien passiert und was dort _nicht_ mehr passiert.
Ganz beiläufig hier die Statistik über berufstätige Mütter:
http://www.spiegel.de/gesundheit/schwangerschaft/geburten-in-deutschland-statistisches-bundesamt-jede-fuenfte-frau-bleibt-kinderlos-a-1159787.html
In Deutschland ist der Prozentsatz höher als in B, F, GB, PL, E, I und den meisten Ländern mit einer Ganztagsschule sowie dem EU-Durchschnitt, nur hauchdünn geringer als in Finnland. Also wo sind die Vorteile der berühmten ausländischen Schulsysteme?
Cavalieri fragte: “Palim: Welche Schlüsse ziehen Sie denn?”
Vermutlich dieselben wie immer.
U.B. beschrieb es an anderer Stelle so: “Sie beschreiben genau mein Verständnisproblem mit einigen Kommentaren von Palim, mississippi und auch ysnp. […]
Vieles in der Schulpraxis wird kritisiert und beklagt, weil bekannt und unbestritten, die ideellen Urheber und damit Verursacher der genannten Probleme aber verteidigt […]
Da komme mit, wer will. Ich nicht.”
Die Frage der Fremdbetreuung hat viele Facetten. Schweden ist uns mit dem Outsourcing der Kinder um viele Jahre voraus. Die Folgen sind sichtbar und bedenklich.
Zitat: „Eine Studie der schwedischen Regierung zeigte, dass sich in den letzten 25 bis 30 Jahren die psychische Gesundheit der Jugendlichen stark verschlechtert hat, verglichen mit elf anderen europäischen Ländern. Die Schulleistungen haben dramatisch abgenommen, vor allem in den mathematischen Fächern. Eine unabhängige Studie, in der 1500 Lehrer befragt wurden, zeigte, dass Eltern ihre Aufgabe weniger gut wahrnehmen als früher. Sie wissen nicht, wie Grenzen setzen, und sie verstehen nicht, was ihre Kinder wollen und brauchen.“
http://www.erziehungstrends.net/Outgesourcte-Elternschaft-in-Schweden
https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2012-21/artikel/was-ihr-kind-ist-nicht-in-der-krippe-die-weltwoche-ausgabe-212012.html
Ich schließe mich xxx an:
“Es gibt auch bei muttersprachlich deutschen Familien genügend schlechtes Umfeld, bei dem die Kinder beispielsweise lieber vor dem Fernseher geparkt werden als sich aktiv mit ihnen zu beschäftigen oder nach draußen auf den Spielplatz zu gehen usw.. Das andere Extrem der Überbehütung und Abschottung vor allen potenziell gefährlichen Einflüssen halte ich für genauso schlimm.”
Vorschläge habe ich gemacht, wie man Kinder unterstützen könnte, statt sie in Einrichtungen mit schlechtem Personalschlüssel zu beaufsichtigen… und die Vorschläge waren zum Teil unabhängig vom Besuch eines Kindergartens, denn eine Einschulungsuntersuchung ist daran auch nicht gebunden.
Von anderer Seite kommen keinerlei Vorschläge, aber eine Menge Mutmaßungen und Vorwürfe.
Sehen Sie wirklich die Gründe für zunehmenden Probleme der Kinder im Einschulungsalter im Besuch des Kindergartens, der bei sehr vielen Kindern nach wie vor 4-5 Stunden am Tag nicht überschreitet?
Was hätte das Ihrer Meinung nach zur Folge, um die sprachlichen u.a. Fähigkeiten zu verbessern?
Sie sind wirklich der Meinung, die SchülerInnen (im Alter von 5 oder 6 oder 7 Jahren) würden zwar können, aber nicht wollen? Wie möchten Sie diese SchülerInnen beschulen?
Sie äußern, die staatlichen Systeme würden nicht zu Verbesserungen führen.
Wie soll es denn dann aussehen?
Wie soll man denn an die Familien herankommen, die ihre Kinder vernachlässigen oder verkümmern lassen? (… und damit sind die von xxx Genannten gemeint und nicht die, die aus Familien herausgenommen werden müssen?)
@Palim
“Sie äußern, die staatlichen Systeme würden nicht zu Verbesserungen führen.”
An der Meinung, die Sie offensichtlich falsch finden, ist meines Erachtens einiges dran. Ich denke machmal sogar, in bestimmten Fällen wäre weniger Hilfe besser, weil dadurch wieder mehr Eigeninitiative und Eigenverantwortung gefragt wären und gestärkt würden.
Bei vielen Eltern fällt doch auf, dass sie sich immer weniger verantwortlich fühlen für das, was ihre Kinder betrifft. Sie sehen die staatlichen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen in der Verantwortung. Und woher kommt das? Warum “mutieren” immer mehr Eltern zu sog. Rabeneltern, “die ihre Kinder vernachlässigen oder verkümmern lassen”, wie Sie sagen?
Häufig besteht leider eine Wechselwirkung zwischen staatlicher Hilfe und Selbstverantwortung. Nimmt eine Seite zu, nimmt die andere ab, und umgekehrt.
Deswegen kann ich gelis Beitrag um 11:46 gut verstehen. Der staatliche Elternersatz hat doch bisher nicht zu dem geführt, was in der Öffentlichkeit großmäulig an besserer Bildung versprochen wurde.
Im Gegenteil, die Probleme haben durch immer mehr Staat zugenommen, auch deswegen, weil sich immer mehr Eltern aus der mühsamen Erziehungsarbeit zurückziehen. Warum sich um die Kinder kümmern, wenn es doch heißt, dass Leute dies von berufswegen besser können und müssen?
Je mehr sich der Staat kümmert, desto löchriger wird das elterliche Pflichtgefühl. Diese unselige Wechselwirkung kommt mir bei allen Überlegungen zu noch mehr staatlicher Betreuung und Erziehung immer zu kurz. Was hilft es, Löcher stopfen zu wollen, wenn sie dafür an anderer Stelle geschaffen werden?
Ihr Kommentar ist einleuchtend und gefällt mir. An solche fatalen Wechselwirkungen wird tatsächlich viel zu wenig gedacht.
@ E. S. 22. April 2018 at 17:11
Danke für Ihre beiden Links zu Artikeln über Schweden, wo die staatliche Rundumbetreuung der Kinder schon viel länger existiert. Die beschriebenen Folgen ergänzen sehr gut den Kommentar von F. H. .
Zitat: „Psychosomatische Funktionsstörungen und psychische Probleme eskalieren bei Jugendlichen in Schweden schneller, als bei Vergleichsgruppen in anderen europäischen Staaten. Bei den Mädchen haben sich die Störungen im Lauf der letzten 25 Jahre verdreifacht. Bildungserfolge schwedischer Schulen, die vor 30 Jahren noch die Liste der OECD anführten, sind nun im unteren Mittelfeld angesiedelt. Verhaltensauffälligkeiten in schwedischen Klassenzimmern zählen zu den Schlimmsten in ganz Europa.
Dies ist keine Überraschung. Wenn eine ganze Generation ohne (elterliche) Erziehung heranwächst, verflüchtigen sich die Fähigkeiten eben.“