Karliczek drückt bei der Digitalisierung auf die Tube – bis 2021 sollen alle Schulen über schnelles Internet verfügen

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BERLIN. Blitzstart für die neue Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Nur wenige Tage nach ihrer Vereidigung gibt sie das erste große Interview zu den Themen ihres Ressorts – und siehe da: Die Schule, um die ihre Amtsvorgängerin Johanna Wanka stets einen großen Bogen gemacht hatte, spielt in ihren Planungen eine große Rolle. Konkret steht zunächst eine Grundgesetzänderung auf dem Programm, die dem Bund überhaupt erst mal Investitionen in die Schulen erlaubt. Dann soll die digitale Bildungsrevolution anrollen: Die große Koalition will bis 2021 alle Schulen in Deutschland mit schnellem Internet versorgen. Allerdings muss Karliczek bis dahin etliche Hürden aus dem Weg räumen.

Die neue Bundesbildungsministerin nimmt sich engagiert des Themas Schule an. Foto: J.-H. Janßen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)
Die neue Bundesbildungsministerin nimmt sich engagiert des Themas Schule an. Foto: J.-H. Janßen / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

„Es gibt ja schon eine erste Verständigung, wie der Digitalpakt Schule mit den Ländern organisiert werden kann“, sagt Karliczek im Interview mit der „Rheinischen Post“. Tatsächlich hatte Wanka eine gemeinsame Bund-Länder-Initiative zur Digitalisierung der Schulen angestoßen, war dann aber – ohne die dafür versprochenen fünf Milliarden Euro beim Finanzminister lockergemacht zu haben – abgetaucht. „Wir brauchen nach dem Koalitionsvertrag nun erst eine Grundgesetzänderung für mehr Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik, bevor wir die Vereinbarung abschließen können. Das ist das drängendste Thema. Das muss jetzt ganz schnell geschehen“, betont Karliczek – wohlwissend, dass durch den Zeitverlust, den ihre Amtsvorgängerin zu verantworten hat, den Schulen bereits ein schwerer Schaden entstanden ist.

Investitionen der Länder in eine digitale Ausstattung liegen nämlich derzeit auf Eis, wie Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands (DL), unlängst beklagte. Die Ankündigung des Digitalpakts vor einem Jahr und die Erwartung eines Schulsanierungsprogramms im Rahmen einer künftigen Regierungsbildung hätten dazu geführt, dass derzeit Kommunen und Bundesländer bei Schulsanierung und Digitalisierung auf der Bremse stünden. „Überfällige Investitionen werden in der Hoffnung auf Bundeszuschüsse verzögert anstatt vorgezogen – das ist ein Skandal!“, sagte der DL-Präsident. Karliczek drückt jetzt auf die Tube. „Wir sollten es noch vor der Sommerpause angehen“, sagt sie mit Blick auf ein Aufweichen des bislang bestehenden Kooperationsverbots, das die Grundlage der Digitalisierungsoffensive bildet. Allerdings schränkt sie ein: „In die reale Umsetzung können wir erst gehen, wenn der Fonds aus der Versteigerung der 5G-Lizenzen da ist. Die sollen noch in diesem Jahr versteigert werden.“

Hintergrund: Die Bundesregierung setzt bei der für 2018 geplanten Vergabe der Frequenzen für die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) auf einen großen weiteren Investitionsschub. Die 5G-Technik soll deutlich schnellere Datenverbindungen im Internet ermöglichen, etwa für computergesteuerte Autos, digitale Prozesse in Industrie und Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Energieversorgung. Dabei wird mit einem Erlös von 3,5 Milliarden Euro gerechnet.

Ein Unsicherheitsfaktor?

Dass der Bund – trotz Steuereinnahmen auf Rekordniveau – erst mal Lizenzen veräußern muss, bis Geld für die Digitalisierung der Schulen fließen kann, davon war bislang keine Rede. Ein Unsicherheitsfaktor? Karliczek sieht das nicht. „Der Bund stellt für den Digitalpakt Schule fünf Milliarden Euro zur Verfügung, in dieser Wahlperiode 3,5 Milliarden, die von Bund und Ländern mit weiteren Investitionen ergänzt werden, zum Beispiel dem Breitbandförderprogramm der Bundesregierung“, so beteuert sie. „Das Geld wird auch ausreichen, die Infrastruktur der Schulen digital aufzurüsten. Die Digitalisierung ist ja nicht nur eine Frage des Geldes, sondern die Frage, was Bau- und IT-Unternehmen leisten können.“

Kaum verhohlen äußert die neue Bundesbildungsministerin dann Kritik an der alten – mit Blick auf eine bundesweite Schulcloud, deren Entwicklung Wanka zwar angestoßen hat, dabei aber die Bundesländer außen vor ließ. Die Folge: Weitgehend unabgestimmt wird derzeit an verschiedenen Cloud-Lösungen gearbeitet. „Es muss uns gelingen, all diese Plattformen zusammenzuführen, nur dann macht ein Cloud-Projekt Sinn“, sagt Karliczek nun. „Dieser Prozess ist sehr aufwendig. Die Cloud ist aktuell ein Pilot, welcher in einigen Schulen schon erprobt wird, und soll spätestens ab 2021 im Regelbetrieb der Schulen nutzbar sein.“ Dabei gehe es darum, ein großes Reservoir an digitalen Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. „Angefangen bei der Schule, wo Kinder und Jugendliche aber auch Lehrer auf Bildungsangebote aus der Cloud zugreifen können sollen.“

Die Inhalte zu vereinheitlichen, daran sei zwar nicht gedacht. „Trotzdem werde ich dafür kämpfen, dass wir bei der Vergleichbarkeit von Unterrichtsinhalten zwischen den Bundesländern vorankommen. Wir können unseren Kindern nicht weiter zumuten, bei einem Umzug mit den Eltern in der Schule zurückgeworfen zu werden“, betont die Bundesbildungsministerin. Auch das lässt sich durchaus als Kritik an der bisherigen Bildungspolitik lesen.

Schulpflegschaftsvorsitzende – noch

Auf die Frage, was für sie die digitale Bildung überhaupt ausmacht, antwortet die 46-Jährige: „Dass Lehrer mit digitalen Mitteln die Begeisterung von Schülern für einzelne Fächer wecken. Mit digitalen Lernangeboten können Kinder und Jugendliche viel individueller gefördert werden und sich Wissen spielerischer aneignen. Ich lege aber weiterhin großen Wert darauf, dass Kinder ihre Handschrift lernen und trainieren und auch Rechtschreibung und Grammatik nicht dem Computer überlassen.“

Privat, so sagt die Ministerin, sei das Thema Schule bald abgeschlossen. „Mein drittes Kind hat nur noch ein Schuljahr vor sich.“ Bislang war sie als Schulpflegschaftsvorsitzende engagiert – der Schulleiter habe bereits den Wunsch geäußert, dass sie das Amt noch ein Jahr führe (wohl kein Wunder: Was gibt es Besseres in Sachen PR als eine Bundesbildungsministerin in der Schulkonferenz?). Karliczek: „Ob ich das zeitlich mit dem Ministeramt vereinbaren kann, da bin ich mir noch nicht sicher.“ Angesichts des Pensums, das sie vor der Brust hat: eher nicht. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zum vollständigen Interview mit Anja Karliczek in der „Rheinischen Post“.

Der Bildungs-“Digitalpakt” wird zur Posse: Warum entwickeln Bund und Länder gleichzeitig fast identische – teure! – Schul-Plattformen?

 

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