Lern-Apps: Zwei Professorinnen haben das Angebot gesichtet – und verraten, wie Lehrer die besten für ihren Unterricht finden

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MÜNCHEN. Lern-Apps gibt es viele. Aber was macht eine gute Anwendung aus? Wie können Lehrkräfte geeignete Programme für den Unterricht finden? Zwei Professorinnen, die Deutsch-Didaktikerin Julia Knopf und die Mathe-Didaktikerin Silke Ladel, haben das Angebot gesichtet und daraus Handlungsempfehlungen für den schulischen Alltag entwickelt. Ihr Beitrag erschien zunächst in der Zeitschrift didacta. 

Lehrer sehen sich einem nur schwer überschaubaren Angebot von Lern-Apps gegenüber. Foto: Shuttersstock

Die richtige App für den Unterricht

Mit Sicherheit kennen Sie das: Sie suchen eine Lern-App, brechen aber schon nach kurzer Zeit die Suche ab, denn: Sie erhalten eine nahezu unüberschaubare Anzahl an Ergebnissen, die Sie unmöglich alle selbst bewerten können. Auf vorhandene Bewertungen ist kein Verlass, da diese oft sehr fragwürdig sind.

  • Die an vorderster Stelle aufgeführten Ergebnisse sind nicht automatisch die besten, auch wenn sie gut bewertet sind.
  • Eine strukturierte Suche nach passenden Lern-Apps ist oft nicht möglich. Je genauer und fachspezifischer die Suchbegriffe sind, desto weniger Treffer erhalten Sie. Oft passen daher die Ergebnisse gar nicht zu dem, was Sie suchen.
  • Werden im App-Store außerdem keine Treffer zu einem Suchbegriff angezeigt, heißt das nicht automatisch, dass es keine passenden Apps gibt. Oft werden die geeigneten Apps trotz exakter Suchbegriffe in den Stores nicht gefunden.

Fazit: Die App-Stores von Apple, Google und Windows führen auf der Suche nach Lern-Apps zu nicht zufriedenstellenden Ergebnissen.

didacta Magazin
Der Beitrag erschien zuerst in Ausgabe 2/2018 von didacta – Das Magazin für lebenslanges Lernen. Mit dem Gutscheincode 1806didacta56 kann man zwei Ausgaben gratis lesen. Einfach hier anfordern.

didacta widmet sich als einziges deutsches Fachmagazin dem lebenslangen Lernen. Jede Ausgabe greift relevante Themen aus Kindergarten, Schule, Hochschule, Aus- und Weiterbildung auf und verschafft so einen Gesamtüberblick über die einzelnen Bereiche, Themen und Übergänge des Bildungsverlaufs. Fach- und praxisbezogene Beiträge vermitteln fundiertes Wissen, praktische Tipps und Ideen geben zusätzliche Anregungen für die tägliche pädagogische Arbeit und liefern einen Einblick in das aktuelle Geschehen auf dem Bildungsmarkt.

Gute Apps finden

Um eine gewünschte Applikation in den App-Stores zu finden, sind diese in Kategorien eingeteilt. Man kann aber auch direkt nach einer bestimmten App suchen oder in App-Empfehlungen stöbern. In den Beschreibungen einer App finden sich neben Informationen zu den Altersangaben auch Bewertungen, Kurzbeschreibungen und Screenshots der App sowie Kommentare von Nutzern.

Mittlerweile gibt es aber auch Websites, Blogs und Accounts in den sozialen Medien, die sich der Kategorisierung, Bewertung und Empfehlung von Apps widmen – einige von ihnen auch mit Blick auf Lern-Apps: app-geprüft.de; Klick-tipps.net; internet-abc. de und ipadatschool.de.

Viele Unternehmen, Zeitschriften und Bildungsinitiativen greifen das Thema „Apps“ immer wieder auf ihren Websiten auf. Sie finden diese, wenn Sie über eine Suchmaschine nach Schlagwörtern wie „(Die besten/gute) Lernapps“ oder „(Die besten/gute) Bildungsapps“ suchen. Inwieweit die Vorschläge zu dem passen, was Sie suchen, ist zufallsabhängig. Es empfiehlt sich, eigene Listen anzulegen und diese kontinuierlich zu pflegen, um auch später darauf zurückgreifen zu können. Wichtig ist es, auf die Seriosität der Urheber und das Erscheinungsdatum der Artikel zu achten. Denn viele Apps verschwinden schnell wieder vom Markt.

Die Suche nach Apps verläuft erfolgreicher, wenn Sie über herkömmliche Suchmaschinen möglichst zielgerichtet nach passenden Anwendungen suchen, zum Beispiel „Bilderbuch-App“, „App Geometrische Körper“ oder „App Politische Bildung“.

Kriterien für gute Apps
Sobald Sie eine Lern-App gefunden haben, sollten Sie diese genau prüfen. Die nachfolgenden Kriterien helfen bei der Bewertung von Lern-Apps:

Inhalte und Kompetenzen

  • Bezug zu Lehrplänen Die Inhalte der Lern-App müssen auf die zu fördernden Kompetenzen aus den Bildungsstandards und den Lehrplänen abgestimmt sein.
  • Auswahl der Inhalte Viele Lern-Apps geben an, eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Kompetenzen in kürzester Zeit zu fördern und zu verbessern. Sinnvoller ist es, wenige, aber dafür zielgerichtete Inhalte zu fokussieren.
  • Fachdidaktische Konzeption Ein wichtiges Kriterium für eine gute Lern-App ist, ob die Inhalte fachdidaktisch angemessen und korrekt vermittelt werden. Dies gilt auch für die integrierten Lernaufgaben im Hinblick auf deren qualitative und quantitative Angemessenheit sowie fachdidaktische Prinzipien.
  • Motivation Eine Lern-App sollte die Nutzer über einen längeren Zeitraum zum Lernen motivieren. Dazu sollte man vorab prüfen, welche Elemente in der App die Aufmerksamkeit der Nutzer erhalten oder mindern.

Sprache und Illustration

  • Vorlesefunktion

Gute Apps haben eine Vorlesefunktion, die man aktivieren oder deaktivieren kann. Die Qualität der Vorlesestimme ist wichtig, vor allem eine deutliche Aussprache und ein angemessenes Vortragstempo.

  • Mehrsprachigkeit
    Viele Apps lassen sich in unterschiedlichen Sprachen rezipieren. Wenn es die Apps zum Beispiel auf Englisch gibt, sind sie für das frühe Fremdsprachenlernen geeignet. Sprachen wie Türkisch unterstützen Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Der Wechsel zwischen den Sprachen ist technisch einfach zu lösen, was die tägliche Arbeit erleichtert.
  • Verständlichkeit
    Gute Lern-Apps sind sprachlich so gestaltet, dass sie an den Sprachgebrauch der Zielgruppe angepasst sind. Sie sind entweder selbsterklärend oder verfügen über eine ausreichende Einführung.
  • Layout
    Ein übersichtliches Layout unterstützt das Lernen mit der App. Auch eine einheitliche und intuitive Navigation sowie eine gut lesbare Schrift sind wichtig.

Technische Möglichkeiten

  • Touchscreen
    Tablet-typische Aktivitäten wie Tippen oder Wischen sollten in einem Zusammenhang mit der App stehen. In manchen Apps lässt sich die Animation erst nach der Rezeption eines Textes aktivieren. Dies verhindert, dass die Kinder zu schnell auf die nachfolgende Seite „blättern“ oder unreflektiert Animationen auslösen.
  • Kamera- und Mikrofonfunktion
    Beide Funktionen können ein nachhaltiges Lernen mit der App unterstützen. Sie dokumentieren die Arbeit der Kinder oder lassen die eigene Gestaltung von Lernumgebungen zu, etwa das Einfügen von Fotos von Szenen, die die Kinder selbst entwickelt haben.
  • Geräusche und Musik
    Nahezu alle Apps werden durch Geräusche und Musik untermalt. Beides kann die Rezeption fördern, aber auch negativ beeinflussen. Es gibt Anwendungen, in denen sich die Geräusche überlagern, oder in denen die Begleitmusik nicht zur Handlung passt. Idealerweise sollte alles manuell abstellbar sein.
  • Animationsmöglichkeiten
    Die Animationsmöglichkeiten reichen von farblichen Hervorhebungen bis hin zu interagierenden Figuren. Diese können beim Lernen unterstützen. Man muss aber darauf achten, dass die Kinder nicht durch unstimmige oder zu viele Animationen von der Handlung abgelenkt werden.

Anwenderfreundlichkeit und Sicherheit

  • Strukturierung
    Eine einfache Struktur und eine kindgerechte Navigation helfen, sich selbstständig in der Anwendung zu orientieren. In einigen Apps werden die Kinder dabei durch einen Erzähler oder eine Figur unterstützt. Manchmal ist auch ein Storyboard integriert, das alle Seiten der App im Überblick darstellt. Dadurch lassen sich einzelne Sequenzen gezielt ansteuern.
  • Erwachsenenbereich
    Ein gesonderter Bereich für Erwachsene ist unerlässlich, wird im Moment allerdings noch zu wenig angeboten. Sinnvoll sind beispielsweise Informationen über die App selbst oder Hinweise zum Umgang mit der App, etwa über angemessene Nutzungszeiten.
  • Dokumentation des Lernfortschrittes
    Eine gute App beinhaltet einen Überblick darüber, welche Aufgaben bearbeitet wurden, ob die Aufgaben richtig gelöst wurden oder wie lange die Benutzer zur Lösung der Aufgabe benötigt haben.
  • Benutzerverwaltung
    Bei Lern-Apps ist es wichtig, mehrere Benutzer verwalten zu können. Nur so ist eine Lernerfolgskontrolle für jeden Nutzer getrennt möglich.
  • Lernhilfen
    Eine Lern-App sollte nicht nur anzeigen, ob eine Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde. Es ist wichtig, die Nutzer bei Fehlern zum weiteren Üben zu motivieren. Dazu braucht es nachvollziehbare Erläuterungen.
  • Schwierigkeitsstufen
    Durch verschiedene Schwierigkeitsstufen (leicht, mittel, schwer) fi nden Nutzer Aufgaben, die ihrer Leistung entsprechen.
  • Werbung
    Bei der Nutzung der App dürfen die Schüler nicht von Werbeanzeigen abgelenkt werden. Kritisch ist es, wenn Werbung für andere Apps gezeigt wird. Falls man also die Wahl hat zwischen einer kostenlosen App mit Werbung und einer kostenpflichtigen ohne Werbung, sollte man die zweite Variante wählen.
  • In-App-Käufe
    Mit In-App-Käufen können Zusatzlevel oder neue Lerneinheiten erworben werden. Problematisch wird es, wenn die Kinder im Spiel Zusatzelemente (Items) kaufen müssen, um in der Lern-App voranzukommen. Die Alternative ist, dass es ausreicht, sich die Items in den vorhandenen Leveln zu verdienen. In jedem Fall empfi ehlt es sich, In-App-Käufe innerhalb der allgemeinen Einstellungen am Tablet zu unterbinden.

Erstveröffentlichung: didacta – Das Magazin für lebenslanges Lernen, Ausgabe 2/2018, S. 36-34, www.didacta-magazin.de

Apps

popplet.com
Mit „popplet.com“ lassen sich Mindmaps und Cluster einfach und schnell erstellen.

about.canva.com
Mit Hilfe dieses Tools können Schüler Grafiken und Schaubilder selbst erstellen.

de.atlassian.com/software/trello
Mit dieser Anwendung behalten Schüler den Überblick über anstehende Projekte. Diese werden visualisiert und können auch mit anderen geteilt werden.

de.padlet.com
Mit der App lassen sich Informationen sammeln und an Pinnwänden organisieren (beispielsweise zur Vorbereitung von Referaten oder Projekten).

explaineverything.com
Mit „explaineverything.com“ lassen sich Erklärvideos im Handumdrehen und ohne hohen Kostenaufwand selbst produzieren.

Weitere Apps für den Unterricht finden Sie auf: www.didacta-digital.de

Die Autorinnen

Prof. Dr. Julia Knopf leitet den Lehrstuhl Fachdidaktik Deutsch Primarstufe und das Forschungsinstitut Bildung Digital an der Universität des Saarlandes. Sie ist Gründungspartnerin des Beratungsunternehmens für digitale Medien KLEE – Kreativ lernen und Erfolg erleben sowie der Didactic Innovations GmbH.

Silke Ladel ist Professorin für Mathematik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd sowie Gründungspartnerin von KLEE – Kreativ lernen und Erfolg erleben.

Digitalisierung: Aktionsrat Bildung fordert Pflicht-Fortbildungen für alle Lehrer – und Systembetreuer für jede Schule

 

 

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